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Claus Schromm: Das ist ein abendfüllendes, breit gefächertes und sehr komplexes Thema. Wir müssen einen Weg finden, wie wir unsere Juniorenspieler schneller an den Seniorenfußball gewöhnen und sie dort integrieren.
Letztlich wird die Ausbildung der Spieler an Mannschaftserfolgen gemessen.
Schromm: Man sollte die Entwicklung nicht immer an Ergebnissen festmachen, sondern eher an Kennzahlen. Zum Beispiel: Wie viele in Deutschland ausgebildete Spieler finden Präsenz in den ersten vier Ligen? In den Nachwuchsleistungszentren wird qualitativ hochwertig ausgebildet. Teilweise liegt das Problem im System, aber der DFB ist dabei, die Probleme zu benennen, Konzepte zu erarbeiten und umzustrukturieren.
In diesem Zusammenhang werden die höchsten Nachwuchsligen ab der Saison 2024/25 in der U17 und U19 umgebaut. Wie beurteilen Sie diese Reform?
Schromm: Wir hätten uns gewünscht, dass die Reform früher gekommen wäre. So ist die aktuelle Saison ein Übergangsjahr. Grundsätzlich ist das ein richtig gutes Konstrukt. Grundgedanke ist, dass alle Nachwuchsleistungszentren jedes Jahr auf der gleichen Ebene anfangen. Der Wettkampfcharakter bleibt erhalten, man kann sich regional und überregional hochspielen und es gibt weiterhin deutsche Meister. Was es nicht gibt: Absteiger.
Warum ist das für die Talentförderung so elementar?
Schromm: Ein Beispiel: In der vergangenen Saison hatten wir sechs Absteiger in der U17-Bundesliga. Du hast ein Top-Talent in der U17, das schon in der U19 spielen könnte. Der Spieler wird aber nicht in der höheren Altersklasse eingesetzt, damit die U17 nicht geschwächt wird und so die Liga hält. Diese Konsequenz wird abgeschafft. Stattdessen kann man die drei besten A-Jugendlichen schon in der Regionalliga-Mannschaft der Senioren spielen lassen. Wenn die A-Junioren auf dem Papier keine so guten Ergebnisse mehr erzielen, geht das trotzdem in Ordnung, weil wir den Spieler weitergebracht haben. Ergebnisse sind sekundär, wenn es keine Konsequenzen gibt. Ich bin großer Befürworter und hoffe, dass der DFB die nächsten Schritte geht und wir Talente wirklich gut fördern können.
Man hat den Eindruck, die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) kämpfen um Talente, statt gemeinsam auf das große Ganze hinzuarbeiten. Talente wechseln mehrmals das NLZ, obwohl das Ausbildungsniveau überall hoch ist. Würde mehr Regionalität nicht mehr Sinn ergeben?
Schromm: Jeder Verein sollte in seiner Region die Nummer eins sein. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir mehr Spieler aus Stadt und Region in unserem NLZ haben. Für den Spieler ist es einfacher, sich mit dem FCA zu identifizieren; für einen anderen Verein ist es schwieriger, den Spieler wegzuholen. Wenn ein anderer Klub ein großes Talent ausgebildet hat, darf die Frage nicht lauten: Wie können wir den Spieler holen? Sondern: Wie schaffen wir es, dass wir unsere Jungs auch zu solchen Top-Talenten entwickeln?
Mit Julian Kania wechselt ein 21-jähriger Stürmer aus der Region vom Bayernligisten TSV Schwaben Augsburg zur U23 des 1. FC Nürnberg. Warum wechselt er nicht zum FCA?
Schromm: Das müssen Sie den Spieler fragen. Wir saßen mit ihm am Tisch, er hat sich aber anders entschieden. Wenn wir Spieler zu uns holen, beschäftigen wir uns vor allem mit Talenten im Grundlagen- und Aufbaubereich. Unsere Kennzahlen zeigen, dass viele Spieler lange für den FCA spielen und viele unserer Mannschaften durchlaufen. Das müssen wir weiter ausbauen und noch stärker regionalisieren.
Vor der vergangenen Saison haben mit Noa-Gabriel Simic, Dikeni Salifou und Dzenan Pejcinovic Top-Talente den FCA verlassen, jetzt wechselt
Schromm: Als Verein müssen wir uns entscheiden, welche Spieler wir in unser Männer-Bundesligateam durchbringen wollen. Eine Entscheidung für einen Spieler kann zugleich eine Entscheidung gegen einen anderen sein. Für den deutschen Fußball ist wichtig, dass die Jungs in den höchsten Ligen performen. Dann kann der DFB wieder abschöpfen und wird erfolgreich sein. Wenn Spieler uns verlassen, wechseln sie zu namhaften Klubs, dafür gab es in diesem Sommer zahlreiche Beispiele. Das lasse ich mir nicht schlechtreden, die Quote ist richtig gut.
Sie wollten also Ivanovic nicht behalten.
Schromm: Wir waren mit ihm im Gespräch, aber er hat sich für einen anderen Verein entschieden. Mit Blick auf das große Ganze ist entscheidend, dass er vielleicht mal für die kroatische Nationalmannschaft spielen möchte.
Die Praxis sieht meist so aus, dass Spieler aus dem NLZ Profiverträge erhalten, dann aber verliehen werden. Den dauerhaften Sprung in die Bundesligamannschaft schafft kaum einer. Wie lässt sich die Durchlässigkeit erhöhen?
Schromm: Wir sprechen von einem Projekt, das schon im Grundlagen- und Aufbaubereich beginnt. Es dauert sieben, acht Jahre, bis ein Jahrgang im Seniorenbereich ankommt. Man kann nicht sofort sehen, ob die Maßnahmen greifen.
Die Durchlässigkeit war schon unter Ihren Vorgängern ein Thema. Was haben Sie konkret verändert?
Schromm: Optimieren müssen wir unsere Strukturen und die Kaderplanung. Welcher Spieler kommt in drei Jahren oben an? Und wie sieht eine langfristige Talententwicklung aus? Wenn er einen langfristigen Vertrag unterschreibt, muss klar sein, wo er in der nächsten oder der übernächsten Saison spielt. Parallel dazu müssen Schule und berufliche Ausbildung weiterlaufen. Infrastrukturell sind wir inzwischen top aufgestellt. Ich habe überhaupt keine Sorge, uns messen zu lassen. Und wer bei uns keinen Vertrag erhält, weil der Sprung einfach noch zu groß ist, wechselt zu Vereinen mit guten Adressen. Unsere Ausbildung ist einfach gut.
Schaffen Eigengewächse den Sprung zu den Profis nicht mehr so leicht, weil das Niveau des Bundesligakaders inzwischen so hoch ist?
Schromm: Auch das spielt eine Rolle. Wir sind einer von sehr glücklichen 18 Bundesligisten, was aber auch bedeutet, dass der Schritt immens groß ist. Der goldene Weg, es direkt von der viertklassigen U23 in die erstklassige Profimannschaft zu schaffen, ist extrem anspruchsvoll. Das kann jeder erahnen. Vielleicht ist es dann besser, nochmals über eine Leihe in der zweiten oder dritten Liga eine zusätzliche Runde zu drehen, um dann wieder zum FCA zurückzukehren.
Aber auch über diesen Umweg schaffen es viele Spieler dauerhaft nicht in den Bundesligakader.
Schromm: Das sehe ich anders. Wir haben einige Spieler, die sich durch solche Leihen näher an den Profikader gebracht haben und noch bringen werden.
Schromm: Nach der Potenzialanalyse war uns allen klar, dass wir für die Schnittstelle zwischen Nachwuchs und Profis mehr Personal und Zeit brauchen. Wir freuen uns auf die neuen Kollegen, weil wir zusätzliche Ansichten gewinnen und neuen Input bekommen werden. Wenn sie im August bei uns anfangen, werden wir die nächsten Schritte gehen.
Claus Schromm, 54, arbeitet seit August 2021 als Cheftrainer im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg. Zuvor war der gebürtige Münchner in unterschiedlichen Funktionen für die SpVgg Unterhaching tätig. Weil eine schwere Knieverletzung seine aktive Zeit als Amateurfußballer beendete, schlug er bereits mit 24 Jahren den Weg eines Trainers ein.
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