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Augsburg
Ex-FCA-Spieler Ostrzolek: "Würde jedem Sportler einen Mentaltrainer empfehlen"
Ex-FCA-Spieler Ostrzolek beendet seine Profikarriere und spielt künftig beim TSV Schwaben Augsburg. Ein Gespräch über positive und negative Erfahrungen als Berufsfußballer.
Johannes Graf
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:18 Uhr

Herr Ostrzolek, Sie haben mit 33 Jahren Ihre Karriere als Profifußballer beendet. Ist Ihnen dieser Schritt schwergefallen?

Ostrzolek: Ich habe mich schon länger immer damit beschäftigt. Als meine Tochter zur Welt kam, war klar: Wir werden nicht mehr alles machen, nur damit ich weiter Fußball spiele. Ich bin froh, viel im Fußball erlebt haben zu dürfen. Ich bin auch stolz, weil es schon ein Privileg ist, Profifußballer zu sein. Man muss hart arbeiten, braucht aber auch Talent und Glück. Man muss am Anfang auch am richtigen Ort zur richtigen Zeit sein. Das ist mir bewusst. Deshalb bin ich froh darüber, dass ich so lange in der ersten Liga spielen konnte. Mit dem Alter und einer kleinen Familie verändert sich die Sichtweise komplett. Die Kleine steht auf Platz eins, dann kommt meine Frau und dann der Fußball. Für uns war klar, dass es für alle passen muss – nicht nur für mich, damit es im Fußball weitergeht.

Fußballprofi ist ein privilegierter Beruf. Das heißt aber nicht, dass jeder Tag wundervoll ist, oder?

Ostrzolek: Manche Spieler erleben mehr Höhen und weniger Tiefen. Aber ich glaube, in keiner Karriere geht es nur bergauf und alles ist immer wunderschön. Fußball macht jedem Spaß, aber am Ende ist es auch ein Beruf. Fußballer zu sein bedeutet viel mehr, als nur auf dem Platz zu trainieren und zu spielen. Jeder darf sich eine Meinung über einen Spieler bilden, jeder kann sie über Social Media und Online-Formate kommunizieren. Wenn es sportlich nicht gut läuft, wird alles nochmals extremer: die Hasskommentare, aber auch die Kritik in den Medien. 

Beim Hamburger SV haben Sie feststellen dürfen, welche Strahlkraft ein solcher Klub hat. Negativ wie positiv.

Ostrzolek: Hamburg ist medial viel extremer als andere Vereine, eigentlich dreht sich alles nur um Fußball. Natürlich ist es brutal schwer, mental standhaft zu bleiben. Ich hatte auch Angebote aus England und sportlich hätte es besser laufen können. Aber für mich war das damals absolut der richtige Schritt. 

Was waren Ihre negativsten Erfahrungen?

Ostrzolek: Mit Hannover 96 bin ich im zweiten Jahr abgestiegen. In meinem dritten Jahr lief mein Vertrag noch, der Trainer hat mir aber keine Chance mehr gegeben. Das hatte ich in meiner Karriere noch nie erlebt. Jeder, der mit mir zusammengearbeitet hat, wird sagen: Der Junge gibt im Training Vollgas, wird nie Stimmung gegen irgendjemanden machen, sondern sich der Mannschaft unterordnen. Dass ich Runden laufen oder mit dem Fitnesstrainer alleine arbeiten musste, während die komplette Mannschaft trainierte, das war eine Erfahrung, die ich erst mal wegstecken musste.

Was hat Ihnen in dieser Phase geholfen?

Ostrzolek: Gespräche mit meiner Frau, mit Freunden und meinem Berater. Ich habe eine Zeit lang auch mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet. Man muss keine Depression haben, um sich Hilfe von außen zu holen. Oft gibt es aber noch die Denke, dass das ein Zeichen von Schwäche ist. 

Ist das tatsächlich immer noch so?

Ostrzolek: Ja, leider. Ich würde jedem Sportler empfehlen, sich mit einem Mentaltrainer auszutauschen. Mir hat das ungemein geholfen. Auch für die Zeit nach der Karriere erhält man Lösungen, kann verschiedene Übungen machen, um abzuschalten und neue Energie zu sammeln. Ich war sehr offen, habe vieles ausprobiert. Eigentlich hat fast jeder Mensch Druck, auch jeder andere Arbeitnehmer. Im Fußball steht man halt noch mehr in der Öffentlichkeit. 

Hatten Sie noch Angebote, um die Profikarriere fortzusetzen?

Ostrzolek: Ja, aber das Gesamtpaket hat nicht gepasst. Wäre ein Angebot aus der ersten Liga gekommen, hätte ich schwer Nein sagen können. Unsere Tochter hat im ersten Jahr sehr viel Zuneigung und klinische Betreuung gebraucht, meine Frau war 24 Stunden für sie da. Ich hatte das Training und die Spiele als Ablenkung. Als wir in Wien waren, haben wir uns noch mehr Gedanken gemacht, wie der weitere Weg ist.

Sie sind beim TSV Schwaben Augsburg als spielender Co-Trainer eingestiegen, parallel interessieren Sie sich für eine Tätigkeit als Spielerberater.

Ostrzolek: Ich habe mich mein Leben lang mit Fußball beschäftigt. Viele bleiben dem Fußball erhalten, einige gehen einen ganz anderen Weg. Mit meiner Erfahrung möchte ich jungen Spielern helfen, die mehr und vielleicht auch eine umfassendere Betreuung und Beratung brauchen als ältere Spieler. Wenn ein 18-Jähriger auf einmal sehr viel Geld verdienen kann, kann einen das überfordern. Ein Berater sollte keinem Spieler etwas aufdrängen, er sollte ihm aber Lösungen in verschiedenen Lebensbereichen aufzeigen. Zugleich macht es mir weiterhin ungemein viel Spaß, mit den Jungs auf dem Platz zu stehen. Beim TSV Schwaben passt das optimal: Ich mache meine Trainer-B-Lizenz und habe zugleich einen Bezug zu einer Mannschaft. Ich kann von einem Trainer lernen, der auf einem extrem hohen Niveau trainieren lässt, aber auch meine Erfahrung einbringen.

Wie eng sind noch Ihre Kontakte zum FC Augsburg?

Ostrzolek: In der Rückrunde habe ich mir ein paar Spiele angeschaut und mich kurz mit Weggefährten unterhalten. Etwa mit Stefan Reuter, Michael Ströll oder Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Ich werde mir auch weiterhin Spiele im Stadion anschauen. 

Wie blicken Sie mit Abstand auf Ihre Zeit beim FCA?

Ostrzolek: Mit dem FCA habe ich in der ersten Saison den Klassenerhalt geschafft, im zweiten Jahr sind wir trotz neun Punkten nach der Vorrunde erstklassig geblieben. Im dritten Jahr war ich der Verteidiger mit den meisten Torvorlagen in der Bundesliga. Als U21-Nationalspieler habe ich mir Hoffnungen gemacht, einmal A-Nationalspieler zu werden. Die Zeit in Augsburg hat meiner Karriere den entscheidenden Schub gegeben und ist bei mir mit positiven Emotionen verbunden. 

Mit dem 21-jährigen Julian Kania wagt jetzt ein Schwaben-Spieler den Schritt zu einem Profiverein. Haben Sie mit ihm gesprochen, was ihn beim 1. FC Nürnberg erwartet?

Ostrzolek: Als ich von Bochum nach Augsburg gewechselt bin, weg von meinem Elternhaus, war das eine enorme Umstellung. Wäsche waschen, sich selber versorgen und gesund ernähren, muss man lernen. Es gehört zum Beruf Profifußballer eine extrem professionelle Einstellung und Lebensweise dazu, die vor allem junge Spieler zunächst kapieren müssen. Wenn Julian in der zweiten Mannschaft Gas gibt und als Stürmer Tore schießt, werden ihm alle Türen offenstehen. Aber natürlich gehört auch Glück dazu. Wenn der Trainer ihm die Chance gibt, muss er diese nutzen.

Zur Person: Matthias Ostrzolek ist in Bochum geboren und ließ sich beim dortigen VfL zum Profi ausbilden. Für den FC Augsburg, den Hamburger SV und Hannover 96 bestritt er in Summe 196 Bundesligaspiele, 40 Mal kam er für Bochum und Hannover in der zweiten Liga zum Einsatz. In acht Länderspielen stand der 33-Jährige für die deutsche U21-Nationalmannschaft auf dem Platz. Mit Frau und Tochter lebt Ostrzolek in Neusäß (Kreis Augsburg).

 
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