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Interview
DSV-Trainer: "Wir haben alle den gleichen Wahnsinn im Kopf"
Die DSV-Bundestrainer Hermann Weinbuch, Peter Schlickenrieder und Stefan Horngacher im Dreier-Interview über Sport in Kindergärten, Fettleibigkeit – und Wärmepumpen.
Stefan Horngacher       -  Der Bundestrainer Skisprung Männer, Stefan Horngacher.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Der Bundestrainer Skisprung Männer, Stefan Horngacher.
Thomas Weiß
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:06 Uhr

Wie gut kennen Sie sich eigentlich untereinander? Geht's auch mal um Privates?

Peter Schlickenrieder: Mit Hermann (Weinbuch) tausche ich mich regelmäßig aus. Er ist ja einer unserer Erfolgscoaches mit ganz viel Erfahrungsschatz, den wir schon nutzen und auch davon profitieren. Ich bin um jeden Hinweis und jede Erfahrung dankbar. Und mit Steff (Horngacher)? Die wenigen Momente, die wir gemeinsam haben, nutze ich gern, um mir Infos zu holen.

Hermann Weinbuch: Privat läuft eher weniger. Im Ausdauerbereich gibt es einen regen Austausch – auch mit den Langläufern. Bei den Springern ist die Zusammenarbeit noch enger, weil wir ja auch eine Wissenschaftskommission haben, die fünfmal im Jahr zusammenkommt. Technikentwicklung, Anzug, Material – da wird viel gesprochen.

Stefan Horngacher: Der Austausch ist eher fachlich, vor allem auf Trainerklausuren. Mit Hermann habe ich natürlich mehr zu tun als mit Schlicki, weil es übergreifend um Skisprung geht.

Gibt es beim DSV eigentlich ein übergeordnetes Leitbild? Oder können Sie mehr oder weniger tun und lassen, was Sie wollen?

Schlickenrieder: Es gibt ein Leitbild, in dem der Erfolg natürlich eine große Rolle spielt. Wir fördern generell die Bewegung und den Zusammenhalt, das geht weit über den reinen Erfolg hinaus. Wir beschäftigen uns nicht nur mit Medaillen, sondern auch was draußen in den Vereinen und im Nachwuchs passiert. Uns eint der Wunsch, dass die Kinder zum Skispringen und Langlauf kommen.

Horngacher: ... und dass wir alle den gleichen Wahnsinn im Kopf haben. Wir haben alle den Leistungssport selbst gelebt. Wir Trainer wollen das an junge, arrivierte Sportler weitergeben. Der Leistungsanspruch ist bei uns drei extrem hoch. Wir wollen Leistung produzieren.

Wie oft haben Sie noch das Ohr an der Basis und bei den Vereinen?

Schlickenrieder: Nicht so oft, wie wir es wahrscheinlich gerne hätten. Wir würden den Sport gerne auf noch breitere Beine stellen, damit oben noch mehr ankommen.

Weinbuch: Wir hatten dieses Jahr einen gemeinsamen Lehrgang bis runter zu den C- und D-Kadern. Da sitzt der Nachwuchsathlet neben Eric Frenzel, baut eine Beziehung auf und hat sein Vorbild hautnah vor sich. Ich lade auch mal den einen oder anderen Nachwuchstrainer zum Weltcup ein, damit er weiß, wo der Hammer hängt.

Herr Horngacher, Ihr Vorgänger Werner Schuster legte großen Wert auf ein einheitliches Trainingskonzept bis ganz nach unten. Sind Sie zufrieden oder sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Horngacher: Stellschrauben gibt es immer. Der Werner hat das sicher ausgezeichnet gemacht, aber es geht ja immer weiter. Ich hatte mir zum Amtsantritt vorgenommen, dass ich bei jeder Wettkampfserie, also den Schülercups und dem Deutschlandpokal, einmal dabei bin. Zumindest im Sommer halte ich das ein. Im Winter geht es einfach zeitlich nicht.

Um welche Athleten aus den jeweils anderen Disziplinen beneiden Sie Ihre Kollegen?

Schlickenrieder: Ein Typ wie Kombinierer Vinzenz Geiger begeistert mich. Er ist jung, frech und frisch. Er greift an, wo man sich oft denkt: "Ui, ist das nicht ein bisschen arg riskant?" Aber er hat ja Erfolg damit. So stell ich mir die nächste Generation Sportler vor. Und beim Skispringen ist es Karl Geiger. Er ist für mich ein Paradebeispiel dafür: Wer lange für etwas kämpft, wird irgendwann auch belohnt. Er war lange Zeit nicht vorne mit dabei, fiel hinten runter und ist dann doch irgendwann der Größte geworden und hat den Skisprung die letzten Jahre geprägt.

Herr Weinbuch, ist Vinzenz Geiger tatsächlich so pflegeleicht?

Weinbuch: (lacht) Von außen sieht alles ganz gut aus. Der Vinz hat viele tolle Eigenschaften, die vor allem mit seiner Jugend und seiner Entschlossenheit zu tun haben. Aber er hat auch deshalb woanders Defizite. Von daher ist nicht alles Gold, was glänzt. Mir imponiert die Katha Hennig. Sie hat sich sauber, systematisch, Schritt für Schritt nach oben gearbeitet und die ganze Mannschaft auf ein anderes Niveau gehoben. Mir gefällt aber auch ein Markus Eisenbichler, ein wilder Draufgänger. Das wünsche ich mir auch ab und zu: Dass man nicht nur immer alles richtig machen will, sondern Vollgas gibt.

Horngacher: Im Langlauf würde ich auch Katharina Hennig nehmen. Eine starke Frau, die sich durchgebissen und ein extrem hohes Niveau erreicht hat. In der Kombi fällt die Wahl auf Eric Frenzel: Über so viele Jahre so eine große Leistung zu bringen, ist schon was Besonderes. Mir imponiert seine Skisprungform: Wenn er gut springt – das ist einfach geil.

Die Norweger scheinen derzeit im Sport vieles richtig zu machen ...

Schlickenrieder: Da hat der Sport einfach einen ganz anderen Stellenwert. In der Schule ist Sport ein Vorrückungsfach. Und bei uns? Ist Sportunterricht die Stunde, die als Erstes ausfällt.

Weinbuch: Wenn ich bei uns in Deutschland in die Vereine reinschaue: Da sind ein Drittel der Kinder schon fettleibig, in Norwegen sehe ich das nicht. Die haben ein ganz anderes Bewusstsein für Bewegung.

Wenn Sie, Herr Horngacher, als Österreicher für einen Tag deutscher Sportminister wären. Was würden Sie sofort umsetzen?

Horngacher: Ha, ich und Sportminister! Ich würde den Breitensport viel mehr fördern. Das Ehrenamt muss einen höheren Stellenwert bekommen. Im Spitzensport würde ich dafür sorgen, dass das Geld, das fließt, effektiver eingesetzt wird. Das muss besser kontrolliert und überwacht werden.

Wo versickert denn das Geld?

Horngacher: Das weiß ich nicht. Aber es gibt sicher Möglichkeiten, das vorhandene Geld noch besser einzusetzen.

Was tun Sie persönlich gegen den Klimawandel?

Schlickenrieder: Wir planen die Anreise mit möglichst wenig Fahrzeugen, vermeiden viele Fahrten und machen Lehrgänge so nah wie möglich. Wir setzen uns dafür ein, den Weltcup-Kalender so zu gestalten, dass drei Wettkämpfe in Skandinavien zusammenhängen, ohne hin- und herzufliegen.

Weinbuch: Durch Corona haben wir gemerkt, dass man nicht jede Sitzung in Präsenz machen muss, sondern dass das auch digital geht. Bei mir kommen da ein paar tausend Kilometer zusammen, die weggefallen sind. Aber: Wir brauchen den Schnee und müssen ihm auch ab und zu nachfahren.

Horngacher: Beruflich versuche ich, dass wir möglichst viele Leute in ein Auto einsammeln. Ich wünsche mir vom Weltskiverband, dass die Termine besser geplant werden und wir nicht zweimal nach Norwegen und zweimal nach Finnland müssen. Das geht in einem Aufwasch. Was das Skispringen betrifft, sollte man sich überlegen, ob man nicht das Landen auf der Matte forciert. Ob man den Aufsprung beheizt und das bisschen Schnee, das kommt, wegtaut. Da wären wir klimamäßig günstiger als jetzt, wo wir sehr viel Schnee produzieren.

Und privat?

Horngacher: Ich habe seit 15 Jahren eine Wärmepumpe und eine Solaranlage auf meinem Dach. Ich bin seitdem autark, produziere mehr als ich verbrauche. Im privaten Bereich bin ich brav.

Schlickenrieder: Meine Photovoltaikanlage habe auch ich verdoppelt, produziere Überschüsse. Die Nutzung des Autos haben wir reduziert, wir versuchen möglichst oft, das Radl zu nutzen und regional einzukaufen. Zu Hause hole ich immer Milch, um Verpackungsmüll zu sparen. Ich bin da ein kleiner Freak geworden und muss aufpassen, die Balance zu halten.

Weinbuch: Bevor ich mich ausklinke, weil ich dringend zum Training meiner Jungs muss: Ich habe auch Photovoltaik und nutze Erdwärme, mehr als zehn Jahre. Wir wissen, dass wir das für unseren Planeten tun müssen. Trotzdem wollen wir unseren Sport nicht aufgeben.

Wenn Sie jetzt nicht bei der WM wären. Was würden Sie an einem perfekten Wintertag machen?

Schlickenrieder: Skitour gehen von 5 Uhr bis 18 Uhr und dann noch in die Eiswasserfälle einsteigen und so lange Klettern, bis mir die Unterarme versagen.

Horngacher: Ich würde mich aufs Alpine konzentrieren. Der alte Österreicher geht gemütlich Skifahren und danach zum Après-Ski.

Gibt es eigentlich Erfolgsprämien für DSV-Trainer?

Schlickenrieder: Bei uns gibt es fürs Gesamtteam Prämien – das hängt aber, glaube ich, eher davon ab, wie wir als Gesamt-DSV gewirtschaftet haben. Wir verteilen das von der Wachslertruppe, über das Trainerteam – kurzum, jeder profitiert davon.

Aber Sie sind nicht von Medaillen hier bei WM abhängig?

Schlickenrieder: Nein, das nicht. Wenn man den Job wegen des Geldes machen würde, müsste man sich ganz schnell etwas anderes suchen.

Horngacher: Das Prämiensystem ist in allen Sparten gleich. Mal gibt’s mehr, mal gibt’s weniger. Aber wir machen das nicht wegen des Geldes. Die Arbeitszeit könntest du nicht bezahlen. Wir machen das halt, weil wir Freaks sind. Was nicht heißt, dass es uns schlecht geht. Aber wenn du das mit einem mittelmäßigen Fußballer vergleichst … Wir machen das, weil wir wahnsinnig sind.

Was muss passieren, dass der Wintersport medial annähernd an den Fußball herankommt?

Schlickenrieder: Sechs Monate Schnee.

Horngacher: Das genügt nicht. Wir müssten uns wahrscheinlich eine Eiszeit nehmen. Fußball ist einfach Volkssport. Jeder, der unsportlich ist, glaubt, er sei Fußballer. Der Skisport wird immer Randsport bleiben. Speziell in Deutschland ist die Situation noch schlimmer, weil nur ein kleiner Bereich mit Schnee bedeckt ist.

Versetzen Sie sich gedanklich ans Ende dieser WM. Das Leben im Hotel, aus dem Koffer ist vorbei. Welches Ritual gibt’s beim Nachhausekommen?

Schlickenrieder: Das Einheizen meines Holzofens und sich dann gemütlich auf die Couch fläzen. Mal nur chillen und einen Cappuccino trinken. Solange Winter und es kalt ist, heize ich guten Gewissens meinen Holzofen ein, weil der in meinen Pufferspeicher einheizt. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Horngacher: Ich nehme erst einmal meine Frau in den Arm, das ist klar. Dann gibt es kein großes Ritual. Ich heize den Ofen nicht ein, weil das meistens schon meine Frau im Vorfeld gemacht hat. Hinsetzen, runterkommen, entweder einen Kaffee trinken oder mal eine Halbe Bier. Um die ganzen Dinge zu verdauen.

 
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