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Zum FCA-Spiel: Bremens Sportchef Frank Baumann will "Hamsterrad verlassen"
Am Saisonende wird Frank Baumann Bundesligist Werder Bremen verlassen. Ein Gespräch über die Gründe, wirtschaftliche Zwänge und seine schwierigste Phase.
Johannes Graf
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:44 Uhr

Herr Baumann, im Sommer beenden Sie Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer Sport bei Werder Bremen. Warum wollten Sie Ihren Vertrag nicht verlängern?

Frank Baumann: Schon als Spieler war ich überzeugt, dass man die Branche und deren öffentlichen Fokus mal verlassen sollte, um abzuschalten. Ich habe mir am Ende meiner Spielerkarriere eine siebenmonatige Auszeit genommen. 2015 habe ich nach einer Zeit im Management nochmals ein Jahr pausiert. Als ich Geschäftsführer wurde, habe ich für mich einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren definiert. Für mich und den Verein sollten dann neue Impulse kommen. Das hatte ich von vornherein im Aufsichtsrat so kommuniziert, insofern kommt das nicht ganz überraschend.

Wissen Sie schon, was Sie danach machen werden? Bleiben Sie dem Fußball erhalten?

Baumann: Ein bis zwei Jahre werde ich definitiv hauptberuflich nichts machen, um abzuschalten und mich im persönlichen Bereich weiterzuentwickeln. Danach möchte ich nichts ausschließen. Ob es im Fußball weitergeht oder in einem anderen Bereich, ist komplett offen.

Sie sind in Würzburg geboren. Verlagern Sie vielleicht sogar Ihren Lebensmittelpunkt vom Norden in den Süden?

Baumann: Wir werden vorerst in Bremen bleiben. Dass wir nochmals woanders hinziehen, möchte ich aber nicht ausschließen. Ob es die fränkische Heimat wird, wird man dann sehen. 

Ihre Auszeit hat aber nichts mit einer gewissen Entfremdung vom Geschäft Profifußball zu tun, oder? 

Baumann: Nein. Ich weiß aber auch nicht, ob ich ein Tätigkeitsfeld finde, indem Geld und Globalisierung keinen Stellenwert haben. Man findet zum Beispiel kaum ein DAX-Unternehmen, in dem keine Investoren aus dem Nahen Osten oder Asien investiert haben. Zu meiner Tätigkeit im Fußball – und das möchte ich jetzt nicht als Klagen oder Kritik verstehen: Verantwortungsvolle Posten im Fußball sind unglaublich zeitintensiv, man steht dauerhaft im medialen Fokus und es bietet sich kaum Raum, während einer Saison abzuschalten. Wenn ich im Fußball tätig bin, möchte ich das mit Herzblut, Leidenschaft und zeitlichem Aufwand betreiben. Für mich geht es jetzt aber darum, das Hamsterrad zu verlassen, Zeit für die Familie zu haben und Dinge in Ruhe zu reflektieren.

Eigentlich ist es noch zu früh zurückzublicken. Dennoch: Was war bislang Ihre schwierigste Phase?

Baummann: Der Abstieg aus der Bundesliga nach 41 Jahren war ein großer Einschnitt. Aber die wirtschaftliche Situation durch die Pandemie, mit circa 45 Millionen Euro fehlenden Einnahmen, war schon die schwierigste Phase. Sportlich und wirtschaftlich haben wir mithilfe von Fans, Partnern und tollen Mitarbeitern jetzt wieder ein gesundes Fundament geschaffen, auf dem man in den nächsten Jahren aufbauen kann. 

Zum Sportlichen. Elf Punkte und Platz 13 nach 13 Spielen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage Ihres Klubs?

Baumann: Weil wir ein anspruchsvolles Startprogramm und unseren Kader spät zusammenhatten, haben wir ein bisschen Zeit gebraucht, um uns als Mannschaft auf und neben dem Platz zu finden. Zudem war die klare wirtschaftliche Vorgabe, einen deutlichen Transferüberschuss erzielen zu müssen. Erst in den letzten Transfertagen konnten wir durch den Verkauf von Niclas Füllkrug unsere Einnahmesituation so gestalten, dass wir selbst investieren konnten. Wir haben jetzt eine gewisse Stabilität gewonnen, konnten in den Spielen gegen Leverkusen und Stuttgart aber für keine Überraschung sorgen. Weil wir mit der Punkteausbeute nicht zufrieden sind, gilt es, bis Weihnachten noch Punkte und Siege einzufahren.

Sie hatten im September eine gute Phase, jetzt eine schlechtere. Warum fehlt Konstanz?

Baumann: Wie zuvor erwähnt, die Mannschaft musste zusammenwachsen. Ich glaube schon, dass wir im Vergleich zu Saisonbeginn einen Schritt gemacht hatten. Speziell im letzten Spiel gegen Stuttgart haben wir aber einfach keine gute Leistung gezeigt. Das müssen wir in den nächsten Wochen deutlich besser machen.

Werder Bremen hat in den 90ern und 2000ern Titel gefeiert. Ist ein Traditionsklub in der Bundesliga. Inwieweit klaffen Anspruch und Wirklichkeit derzeit auseinander?

Baumann: Ich weiß nicht, ob Bremen dieser klassische Standort eines Traditionsklubs ist. Unsere Fanszene kann die Situation gut einschätzen, unterstützt uns auch in schwierigen Zeiten. Die erfolgreichen Zeiten unter den Trainern Otto Rehhagel und Thomas Schaaf werden als etwas Besonderes gesehen. Wir sind ein kleiner Standort, deswegen sind die Erfolge in der Vergangenheit keine Last, sondern Ansporn, sich mit außergewöhnlichen Leistungen mal wieder dort hinzubewegen.

Mit wenigen Ausnahmen sind Erstligisten auf Transfererlöse angewiesen. Wird dadurch Ihre Arbeit erschwert?

Baumann: Transfererlöse und -überschüsse brauchen fast alle Mannschaften in der Bundesliga. Selbst Vereine in Dortmund oder Leipzig definieren sich darüber. Es ist natürlich leichter, hohe Transfererlöse zu erzielen, wenn man in der Tabelle oben mitspielt. Wir müssen die Situation aber annehmen, wie sie für uns ist. Wirtschaftliche Stabilität ist für uns sehr wichtig. Durch Corona haben fast alle Vereine große Einnahmeverluste gehabt, bei uns kam der Abstieg 2021 noch dazu. Da ist es einfach wichtig, dass wir bei Einnahmen und Ausgaben vernünftig agieren. Und dazu gehören Transfererlöse. Ich glaube trotzdem, dass wir eine Mannschaft haben, mit der wir den Klassenerhalt erreichen können.

Man hat das Gefühl, die Platzierungen in der Bundesliga sind zementiert. Wie schafft es ein Klub wie Ihrer, mal wieder ins obere Drittel vorzustoßen?

Baumann: In den letzten zehn, zwölf Jahren ist die Schere zwischen den Klubs in der Liga immer weiter auseinandergegangen. Schwierig ist es, oben reinzukommen. Noch schwieriger ist es, sich dauerhaft dort zu halten. Dennoch gibt es wiederholt Überraschungen. In der vergangenen Saison waren Stuttgart und Leverkusen teils in Abstiegsgefahr, aktuell Union Berlin. Durch einen guten Lauf kann man mal ins obere Tabellendrittel vorstoßen. Andererseits ist kaum einer davor gefeit, mal ins untere Drittel abzudriften. Dafür ist die Bundesliga zu stark.

Der FC Augsburg macht gerade vor, wie man in der Bundesliga Sprünge machen kann. Hätten Sie dem Klub diese Entwicklung zugetraut?

Baumann: Ja, weil Augsburg grundsätzlich eine gute Mannschaft besitzt und sich im letzten Jahrzehnt immer wieder aus schwierigen Situationen befreit hat. Deswegen hat mich das nicht überrascht. Für uns ist das ein positives Beispiel, dass man mit Geschlossenheit und einem kleinen Lauf seine Situation wieder verbessern kann. Für uns wird das Spiel eine sehr schwierige Aufgabe. Aber wir wollen uns zu Hause wehren, um bis zur Winterpause auch unsere Situation mit positiven Ergebnissen zu verbessern.

 
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