Herr Ammon, Sie sind beim Verbandstag in München zwar mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt worden, eines Ihrer wichtigsten Ziele, die Satzungsänderung, haben Sie aber nicht erreicht…
Jörg Ammon: Ja, leider. Fünf Stimmen haben uns gefehlt, um auf die benötigten 75 Prozent zu kommen. Das ist bei diesem knappen Ergebnis natürlich mehr als bedauerlich.
Um was geht es bei der Satzungsänderung genau?
Ammon: Ganz klar: Wir wollen näher an die Sportvereine heranrücken. Die letzte Satzungsänderung ist ungefähr – ich betone – drei Jahrzehnte her. Man arbeitet heute also mit einer Organisationsstruktur aus den 90er-Jahren, will aber die Probleme des 21. Jahrhunderts bewältigen. Das ist nur schwer möglich. Es gibt neue Themen, wie beispielsweise den Gesundheitssport. Da braucht es wesentlich bessere und zielgenauere Angebote. Hinzugekommen sind Themen wie die Betreuung in Schulen und Kindertagesstätten oder die Digitalisierung. Ein weiterer Punkt ist, dass der Verband momentan ehrenamtlich geführt wird. Das wollten wir ändern, indem unter anderem ein hauptberuflicher Vorstand eingeführt wird. Kontrolliert von 15 Ehrenamtlichen, dem Verbandsausschuss und dem Verbandstag.
Werden Sie noch einmal versuchen, die Satzungsänderung durchzubringen?
Ammon: Viele haben uns nach dem Verbandstag dazu ermutigt. Deshalb wird es im September oder Oktober gegebenenfalls nochmal einen entsprechenden Vorstoß geben.
Wie zeitgemäß ist ein Verband wie der BLSV überhaupt noch?
Ammon: Sehr. Es gibt zunehmend Themen, bei denen wir die Vereine eng begleiten und qualifizieren müssen. Zum Beispiel, wenn es um Sportstätten geht. Nicht nur bei der Frage, ob es genügend gibt, sondern vielmehr auch, ob sie ökologisch und ökonomisch nachhaltig genug sind. Das spielt eine immer größere Rolle. Auch auf die Digitalisierung wollen die Vereinsverantwortlichen Antworten. Und nachdem sie das alle ehrenamtlich machen, brauchen sie da auch Unterstützung. Das ist spürbar.
Und gerade der BLSV kann in Sachen Digitalisierung unterstützen?
Ammon: Wir haben gerade mit dem Landessportverband Schleswig-Holstein eine Kooperation abgeschlossen. Er steigt mit seinen zweieinhalbtausend Sportvereinen in unser BLSV-eigenes und digitales Verwaltungsprogramm verein360Manager ein. So schlecht kann unser Angebot also gar nicht sein, wenn ein anderer Landessportverband dafür zahlt. (lacht)
Wird das Geld, das Sie einnehmen, genutzt, um das Programm weiterzuentwickeln?
Ammon: Ja. Der Vertrag mit dem Landessportverband Schleswig-Holstein läuft bis Ende 2030. Das ist eine langfristige Kooperation, in der wir Dinge gemeinsam weiterentwickeln wollen. Die Digitalisierung ist nach wie vor Neuland, da muss man auch Fehler machen dürfen. Und natürlich haben auch wir schon unser Lehrgeld gezahlt.
Aber dieses digitale Verwaltungsprogramm nutzen in Bayern doch nur rund 1000 Vereine, oder?
Ammon: Nein. Alle 11.500 BLSV-Mitgliedsvereine nutzen verein360. Ihre Zahl bezieht sich auf die kostenlose Erweiterung des Programms namens verein360-Manager. Den haben wir vor einem halben Jahr freigeschaltet, und bisher nutzen ihn 1400 Vereine.
Was kann der verein360-Manager?
Ammon: Der kann Abteilungsverwaltung. Die Vereine können damit Mitglieder sortieren, Teams und Mannschaften bilden, sie können Excel-Dateien rauf- und runterladen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Mitgliedern hinterlegen und so weiter. Auch die Mitgliedsbeiträge können über verein360-Manager verwaltet werden. Das ist dann aber nicht mehr unentgeltlich.
Hat Bayern als einziges Bundesland ein solches digitales Verwaltungssystem?
Ammon: Nein. Nordrhein-Westfalen etwa hat ein eigenes System. Dennoch sind wir wegen unseres Programms auch mit anderen Landessportbünden im Gespräch.
Wäre es nicht sinnvoll für den Sport in Deutschland, wenn sich die Landessportbünde auf ein System einigen könnten?
Ammon: Absolut. 2018/19 gab es in dieser Sache einen Austausch zwischen dem Deutschen Alpenverein und dem BLSV. Wir haben überlegt, ob man da nicht zusammen was auf die Beine stellen kann. Aufgrund der Spitzensportreform und der Corona-Pandemie ist das gemeinsame Projekt in der Prioritätenliste aber leider nach hinten gerutscht. Irgendwann ist das auch eine finanzielle Frage.
In einer gerade erschienenen Studie heißt es, dass immer mehr Jugendliche mit Vereinen nicht mehr viel anfangen können, dass Sport an sich unwichtiger wird. Wie gehen Sie damit um?
Ammon: Das Thema ist sehr vielschichtig. Uns muss der Spagat gelingen, junge Menschen in den Vereinen zu halten und zugleich der älteren Generation gerecht zu werden. Gerade bei 60 plus gibt es ein hohes Bewusstsein für Gesundheit. Daher ist es wichtig, im Verein jemanden zu haben, der für Gesundheitssport zuständig ist. Auf der anderen Seite haben sie es mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die ganz andere Ansprüche haben und in einer viel schnelllebigeren Welt aufwachsen. Darauf müssen wir reagieren.
Wie genau?
Ammon: Die Kommunikation der Generation Z und der nachfolgenden Generation alpha hat sich völlig verändert. Sie findet fast ausschließlich digital, kürzer und in schnelleren Abständen statt. Diese Generationen sind jedoch nicht weniger leistungsbereit als die vorherigen. Im Gegenteil. Sie haben nur viel mehr Auswahlmöglichkeiten, auch mit Auslandsbezug. Ferner spielen Möglichkeiten außerhalb des Sports eine große Rolle, die gilt es mit zu beachten und aktiv mit einzubinden. Genau hier werden wir tätig, stellen unsere Aktivitäten darauf ab und versuchen, dies vielschichtig zu beantworten.
Wir würden gerne noch einen Blick in die Vergangenheit werfen. 2021 haben drei damalige Präsidiumsmitglieder eine Strafanzeige gegen Sie gestellt, wegen vermeintlicher Ungereimtheiten bei der Finanzierung des BLSV-Digitalisierungsprojektes. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Sie eingestellt. Trotzdem kriselt es bis heute im Verband. Warum?
Ammon: Warum das so lang geschwelt hat, ist eine gute Frage. Klar ist, dass man auch mal akzeptieren muss, wenn verbandsinterne Prüforgane belegen, dass dieses Digitalprojekt im Kostenrahmen lag. Da muss man irgendwann doch mal sagen: Jetzt ist gut. Mehr noch: Wenn man für weitere fünf Jahre wiedergewählt wird, kann zudem ein Verbandstag ein reinigendes Gewitter sein.
Kritiker werfen Ihnen vor, Sie hätten nie öffentlich gemacht, warum die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat.
Ammon: Ich habe das sehr wohl in den Verbandsgremien offengelegt, die dafür zuständig sind – also vor dem Aufsichtsrat und der Compliance-Abteilung. Das Ganze war auch Gegenstand in einem Verbandsschiedsgerichtsverfahren. Man muss nur einfach mal akzeptieren, dass das Verfahren eingestellt worden ist, ohne dass irgendwas gefunden wurde. Und: dass verbandsinterne Verfahren breit in der öffentlichen Berichterstattung deplatziert sind. Sie schaden dem Sport. Sie dienen in keinster Weise der Sache: dem Ehrenamt. Manche haben wohl gehofft, in dem Beschluss der Staatsanwaltschaft steht irgendetwas von einem Mangel an Beweisen oder Ähnlichem drin. Das ist aber auch nicht der Fall.
Was steht denn drin?
Ammon: …dass es eben keinen Hinweis oder Beleg für strafbares Verhalten gibt.
Kritiker monieren, dass der Verband hoch verschuldet sei. Ist dem so?
Ammon: Nein. Wir bauen unsere Schulden Stück für Stück ab. 2006 ist in München das Haus des Sports gekauft worden, das man nach und nach abzuzahlen hat. Was wir als Verband auch tun. 2020 haben wir in der Corona-Pandemie unsere drei Sportcamps zumachen müssen. Darunter haben wir enorm gelitten. Wir hatten in diesem Jahr einen Umsatzeinbruch von fünf Millionen Euro, das muss man erstmal auffangen. Aber deswegen ist der Verband jetzt nicht hoch verschuldet. Und wenn Sie vor zehn Jahren kaum etwas in den Unterhalt oder gar die Weiterentwicklung des BLSV investiert haben, dann müssen sie das irgendwann nachholen.
Bleiben große Aufgaben.
Ammon: Absolut! Diese gilt es gemeinsam anzunehmen und zu meistern.