Der 1. FC Nürnberg hat die Hoffnungen auf einen guten Start in die Restsaison der 2. Bundesliga enttäuscht. Mit der 1:4 (0:2)-Schlappe beim Tabellenzweiten Hamburger SV ist der Bundesliga-Absteiger auf dem vorletzten Tabellenplatz gerutscht. Viel mehr als den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer von Tim Handwerker hatte der Club an der Waterkant nicht zu bieten. Unter den vier Gegentoren waren zwei berechtigte Strafstöße.
Auf fünf Positionen hatte Trainer Jens Keller seine Mannschaft gegenüber dem 2:0-Erfolg gegen Dresden kurz vor Weihnachten verändert. Dabei gab es zwei Überraschungen: Der bisher nur auf wenige Einsatzminuten gekommene Slowene Adam Gnezda Cerin stand im defensiven Mittelfeld erstmals in der Startelf. Als Rechtsverteidiger bot Keller Lukas Mühl auf, der seine Heimat sonst im Deckungszentrum hat und nach der mäßigen Vorrunde schon abgeschrieben schien. Ansonsten neu: Christian Methenia kehrte nach langer Pause ins Tor zurück, die Arsenal-Leihgabe Konstantinos Mavropanos debütierte wie erwartet als Innenverteidiger und Tim Handwerker verteidigte links.
Die Zuversicht, die Keller nach der Vorbereitung ausgestrahlt hatte, setzte die Elf seines Vertrauens jedoch nicht in entsprechende Taten um. Da spielte ein Aufstiegskandidat gegen ein Kellerkind - so einfach lässt sich die erste Spielhälfte vor 39 985 Zuschauern im Volksparkstadion zusammenfassen. Die Hamburger dominierten klar (64 Prozent Ballbesitz), bewegten sich sehr gut ohne Ball und waren spielerisch eine Klasse besser. HSV-Trainer Dieter Hecking hatte die beiden Leihgaben aus der Bundesliga, Außenverteidiger Jordan Beyer (Mönchengladbach) und Mittelfeldmann Louis Schaub (Köln), in die Startelf geholt.
Nürnberg stand tief in der eigenen Hälfte, agierte viel zu langsam und den Befreiungsversuchen mangelte es fast immer an jeglicher Präzision. Vor allem auf die bekannt starke linke HSV-Seite blieb der Club eine Antwort schuldig. Etliche Flanken waren schon in den Nürnberger Strafraum gesegelt, bevor ein Ballverlust von Cerin den Rückstand einleitete. Sonny Kittel ging links auf und davon, bei seiner Hereingabe war Bakery Jatta am ersten Pfosten schneller als Mathenia und Handwerker und spitzelte den Ball zum 1:0 ins Netz (18.).
Jeremy Dudziak alleine vor Mathenia (20.) und Kittel mit einem missglückten Volleyschuss (24.) hätten die Führung der Gastgeber schon ausbauen können. Dann stellte Mavropanos im Zweikampf Dudziak den Oberschenkel in den Weg und Schiedsrichter Markus Schmidt blieb nichts anderes übrig, als auf Strafstoß zu entscheiden. Lukas Hinterseer verzögerte und schickte Mathenia in die falsche Ecke - 2:0 (28.).
Ein Freistoß von Johannes Geis, der HSV-Schlussmann Daniel Heuer-Fernandes eine schöne Flugeinlage ermöglichte (32.), war noch die beste Torgelegenheit eines völlig überforderten Clubs. Die nominellen fünf Offensivkräfte hingen in der Luft, nahmen kaum produktiv am Spiel teil. Das galt auch für Robin Hack, der zum Endes des letzten Jahres noch die meisten Akzente im Angriff gesetzt hatte. Schon vor der Pause beendete Trainer Keller das schief gegangene Experiment mit Cerin als Teil der Doppelsechs. Der Slowene holte sich noch Gelb ab, bevor er für den eigentlich in der Startelf erwarteten Fabian Nürnberger Platz machte (41.).
Der Beginn des zweiten Spielabschnitts brachte dem Club Hoffnung. Nach einer Balleroberung griff kein Hamburger Handwerker an. Der fasste sich ein Herz und sein Flachschuss aus knapp 20 Metern passte genau neben den Pfosten (51.). Mit dem überraschenden Anschlusstreffer veränderte sich die Körpersprache der Nürnberger Profis sofort zum Positiven. Der Club blieb weiter aktiv und sorgte nun zumindest für ein offenes Spiel.
Die Hoffnungen der Franken, dem Duell der Altmeister vielleicht noch eine Wende geben zu können, erledigten sich durch einen Hinweis vom Video-Assistenten an Schiedsrichter Schmidt wieder. Der Unparteiische hatte nicht gesehen, dass Nürnbergs Georg Margreitter bei einem Hinterseer-Schuss der Ball an den abgespreizten Arm geflogen war. Es gab nachträglich Handelfmeter, den Kittel mit einem aufreizend lässigen Schlenzer zum 3:1 nutzte (67.). Es war bereits der zehnte Saisontreffer für den Ex-Frankfurter und Ingolstädter, treffsicherer ist keiner beim HSV.
In der Schussphase fiel der Club wieder in die Verhaltensmuster der ersten Hälfte zurück. So wurde die Niederlage doch noch ähnlich deftig wie im Hinspiel, das mit 0:4 in die Binsen gegangen war. Nach einem Ballverlust im Mittelfeld ging es wieder schnell, zu schnell für die behäbig wirkenden Nürnberger. Nach Vorarbeit von Kittel und Ex-Cluberer Tim Leibold, dem besten Vorbereiter der zweiten Liga, stellte der der gerade für Schaub eingewechselte Gideon Jung auf 4:1 (82.).
"Ich glaube nicht, dass die Mannschaft wegbrechen wird", hatte Keller im Vorfeld der Partie gesagt. Da musste er sich eines Besseren belehren lassen.