
Mit sieben deutschen Meisterschaften, drei Pokalsiegen und zwei Champions-League-Titeln war Ottmar Hitzfeld einer der erfolgreichsten deutschen Fußballtrainer. Sein sachliches Auftreten an der Seitenlinie und in Interviews brachte ihm den Spitznamen „General“ ein. Im Gespräch am Rande einer Veranstaltung der VR-Bank Würzburg, bei der der 66-Jährige Stargast war, blickt Hitzfeld auf die Höhepunkte seiner Karriere zurück, spricht über die Entwicklung bei seinen Ex-Klubs Bayern München und Borussia Dortmund und äußert sich zur Diskussion über die Doping-Vergangenheit der Bundesliga.
Frage: Herr Hitzfeld, Sie haben nach der Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer ihre Trainerkarriere beendet. Vermissen Sie den aktiven Fußball?
Ottmar Hitzfeld: Nein, überhaupt nicht. Ich habe ja schon im November 2013 die Entscheidung getroffen, dass ich nach der WM 2014 aufhöre. Auf diese neue Lebenssituation habe ich mich eingestellt. Ich bin immer noch für Sky und meine Werbepartner tätig – von daher wird mir nicht langweilig.
Hitzfeld: Es war klar, dass ich mit einer Niederlage aufhören muss – außer man wird Weltmeister, aber das ist ja mit der Schweiz fast unmöglich. Trotzdem haben wir ein großes Spiel gezeigt und den Favoriten an den Rand einer Niederlage gebracht. Von daher kann ich zufrieden sein.
Hitzfeld: Ich bin immer vorsichtig mit Äußerungen und nicht der knallharte Experte, der dick austeilt. Ich habe in meinem Leben auch stets viel Respekt vor Spielern, Vereinen, Vorständen und Medien gehabt – und Verständnis, auch weil ich selbst viele Spiele verloren habe. Ich weiß, wie schnell das im Fußball passieren kann.
Hitzfeld: Vom Klima her kann man dort nicht im Sommer spielen. Wenn man in den Wintermonaten spielt, dann ist Katar rein sportlich gesehen in Ordnung. Persönlich hätte ich mir aber eine größere Fußballnation als Ausrichter gewünscht.
Hitzfeld: Darüber kann man streiten. In Katar gibt es viele Menschenrechtsverletzungen. Auch politisch ist Katar nicht immer pro-westlich eingestellt. Von daher ist diese Vergabe sehr exponiert. Die Fifa muss mit der Kritik an dieser Vergabe leben.
Hitzfeld: Die Champions-League-Endspiele mit Dortmund 1997 und später mit Bayern sind natürlich die absoluten Highlights. Auch mein erster Meistertitel mit Borussia Dortmund 1995, als später Hunderttausende auf den Straßen waren. Aber auch das verlorene Finale gegen Manchester 1999 hat mich geformt – die bitterste Niederlage meiner Laufbahn, in drei Minuten war alles verloren. Man muss mit Rückschlägen leben. Dafür war der Sieg mit Bayern 2001 im Finale gegen Valencia im Elfmeterschießen unglaublich emotional.
Hitzfeld: Das kommt darauf an, wann man Nationaltrainer ist. Für mich war es am Ende meiner Karriere. Da hat man nicht mehr unbedingt die Energie, einen Verein zu trainieren mit 60 Spielen pro Saison. Das Amt als Schweizer Nationaltrainer war das richtige für mich, auch weil die Schweiz für mich eine zweite Heimat ist.
Hitzfeld: Das ist ein gutes Zeichen, dass man Vertrauen zueinander hat. Das gibt Ruhe, auch wenn einmal der sportliche Erfolg ausbleibt. Es gibt immer Wellentäler, die man durchschreiten muss. Für solche Zeiten hat der DFB nun gut vorgesorgt.
Hitzfeld: Das ist immer auch ein Glücksfall, wenn man so aufhören kann. Auch das Erreichen des WM-Achtelfinals mit der Schweiz war ein Erfolg. Ich war immer vom Glück begünstigt, aber ich habe immer auch die Zeichen der Zeit erkannt. Man muss freiwillig gehen können, bevor man entlassen wird. Das ist eine Kunst.
Hitzfeld: Damals habe ich nicht gesagt, dass ich nach sechs Jahren Bayern vor einem Burn-out stand. Ich habe bei Spielen einfach kein Adrenalin mehr gespürt und hatte körperliche Beschwerden. Aber damals war die Zeit noch nicht reif, so etwas einzuräumen. Inzwischen ist das thematisiert worden. Sebastian Deisler und Robert Enke sind Mahnbeispiele, dass der Profifußball nicht nur die goldenen Seiten hat.
Der Druck auf Profis vonseiten der Fans, Klubs und Medien ist nach wie vor groß. Sehen Sie heute Möglichkeiten, dem zu entkommen?
Hitzfeld: Man hat heute einen größeren Trainerstab, man hat bessere Betreuung durch Mentaltrainer oder Psychologen. Spieler können auch von sich aus zum Psychologen gehen. Da kann man rechtzeitig die Reißleine ziehen und einen Spieler mal für ein paar Wochen aus dem Verkehr ziehen.
Hitzfeld: Alle Bereiche abzudecken, ist sehr wichtig. Die Fachkompetenz, Taktik, Trainingslehre, aber auch die Kompetenz, die Mannschaft zu führen und zu motivieren, Werte zu vermitteln, den Teamgeist zu prägen. Wenn ein Trainer heute irgendwo Schwächen hat, wird das sofort aufgedeckt.
Hitzfeld: Ich finde es mutig, unbekannten Trainern die Chance zu geben. Es hat Vorteile. Nachwuchstrainer kennen den Verein, sie kennen die Mannschaft und müssen sich nicht einarbeiten. Gerade wenn es einen fliegenden Wechsel ohne Vorbereitungszeit gibt, macht das Sinn.
Hitzfeld: Es ist ein Märchen, das Ingolstadt schreibt. Dass man sich an die Tabellenspitze gesetzt hat und dort auch halten kann, ist eine großartige Leistung aller Beteiligten. Es ist immer eine Bereicherung für den Bundesliga-Fußball, wenn unbekannte Mannschaften ohne große Historie plötzlich Geschichte schreiben können.
Hitzfeld: Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Wir leben in einer Zeit, wo Sponsoren viel Geld in den Sport investieren. Es ist wichtig für alle Vereine – ohne Sponsoren könnte man heute nicht mehr bestehen. Ohne Marketing und Sponsoren könnte auch Bayern heute nicht diese Rolle spielen, genauso wie andere Traditionsvereine. Es ist legitim und mir persönlich lieber, wenn es solche Geldgeber gibt, die das Geld in den Fußball stecken.
Hitzfeld: Selbst die größten Klubs können sich ohne Sponsoren nicht finanzieren. Auch Borussia Dortmund braucht seine Partner, um Transfers tätigen zu können. Die Zuschauer schimpfen zwar auf Sponsoren, aber sie wollen trotzdem die beste Mannschaft sehen. Und die bekommt man nur, indem man sehr viel Geld investiert.
Hitzfeld: Die Bayern sind überall Favorit. In der Meisterschaft spielen sie in einer anderen Liga. Sie haben den perfekten Kader und den perfekten Trainer. In Champions League und im Pokal braucht man sicherlich auch das nötige Glück. Von der Klasse her sehe ich Bayern München aber als stärkste Mannschaft in Europa, stärker noch als Real Madrid.
Hitzfeld: Natürlich muss man in den kommenden Jahren den einen oder anderen Spieler ersetzen. Das hat Bayern in der Vergangenheit mit sehr guten Transfers aber immer wieder geschafft.
Hitzfeld: Verständlicherweise ist die Meisterschaft für viele Fans momentan nicht sehr interessant. Das muss man aber anerkennen und sollte nicht jammern. Dafür ist Bayern international zu erfolgreich, wenn der deutsche Fußball vertreten wird, und holt die nötigen Punkte für die Fünfjahreswertung.
Hitzfeld: Der größte Konkurrent ist für mich immer noch Borussia Dortmund. Diese Saison kann ich mir für den BVB noch einen internationalen Startplatz vorstellen, nächste Saison wird er wieder um den Titel mitspielen. Dann hat sich Wolfsburg mit klugen Transfers gut entwickelt. Auch die anderen Spitzenteams aus Leverkusen, Mönchengladbach und Schalke sind sehr gut aufgestellt.
Hitzfeld: Ich bin gespannt, welche Konsequenzen man aus der schlechten Vorrunde zieht. Ob man zwei, drei Spieler abgibt, was ich annehme, und was nötig sein wird, um der Mannschaft frische Impulse zu geben. Jede Mannschaft braucht immer wieder neuen Konkurrenzkampf. Jeder neue Spieler verändert die Hierarchie, etablierte Spieler müssen wieder mehr Gas geben.
Hitzfeld: Ich habe von Doping nichts mitbekommen. Ob vielleicht der eine oder andere Spieler gedopt hat, weiß ich nicht. Das sind Spekulationen und liegt 40 Jahre zurück. Man hat heute so viele Kontrollen, selbst verletzte Spieler werden kontrolliert. Insofern vertragen sich Fußball und Doping nicht.
Hitzfeld: Im Fußball braucht man viele verschiedene physische Fähigkeiten, nicht nur die Ausdauer. Auch die Sprintfähigkeit, die Antizipation und die kognitiven Fähigkeiten eines Sportlers sind wichtig. Von daher eignet sich Doping gar nicht. Außerdem würde es sofort auffallen – durch die vielen Kontrollen, die es heute gibt.
Ottmar Hitzfeld
Geboren und aufgewachsen im baden-württembergischen Lörrach, nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zur Schweiz, studierte Ottmar Hitzfeld später Mathematik und Sport auf Lehramt, arbeitete aber nie als Lehrer. Als Spieler war der heute 66-Jährige unter anderem für den FC Basel und den VfB Stuttgart aktiv – ohne in Deutschland den ganz großen Durchbruch zu schaffen.
Dieser gelang ihm schließlich als Trainer. Nach Stationen in der Schweiz wechselte er 1991 zu Borussia Dortmund und holte dort 1995 den ersten seiner sieben deutschen Meistertitel. 1997 schaffte er mit dem BVB den Sieg im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin. Danach arbeitete Hitzfeld als Sportdirektor für die Westfalen, wechselte aber nach nur einem Jahr auf den Trainerposten des FC Bayern München. Mit dem Klub erreichte er zweimal das Finale der Champions League, 2001 gewannen die Bayern im Elfmeterschießen gegen den FC Valencia.
Nach einer titellosen Saison 2004 wurde Hitzfeld in München entlassen, kehrte aber 2007 als Trainer zurück und gewann mit dem FC Bayern 2008 das Double. Anschließend arbeitete er als Nationalcoach der Schweiz und nahm mit den Eidgenossen an den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 teil. Nach dem Achtelfinal-Aus beim Turnier in Brasilien beendete Hitzfeld seine Karriere und ist seitdem als TV-Experte für Sky tätig.