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KEGELN
Simsa, Hossa und ein Handtuch
Freizeitkegler zelebrieren das Kegeln leidenschaftlich, aber in lockerer Atmosphäre. Sie haben und pflegen spezielle Rituale. Doch den 24 Gruppen im Landkreis Haßberge fehlt es an Nachwuchs
Geselligkeit und Spaß steht im Vordergrund, wenn die Privatkegler Oberaurach am Start sind. Ganz links Ottmar Schirm, der die Oberauracher Kegler 16 Jahre lang organisierte. Sein Nachfolger ist Jens Holger Silge (4. von links).
Foto: Felix Schwarz | Geselligkeit und Spaß steht im Vordergrund, wenn die Privatkegler Oberaurach am Start sind. Ganz links Ottmar Schirm, der die Oberauracher Kegler 16 Jahre lang organisierte. Sein Nachfolger ist Jens Holger Silge (4.
Von Felix Schwarz
 |  aktualisiert: 02.04.2019 14:55 Uhr

Nach der Begrüßung per Handschlag und dem Ruf „Gut Holz“ kann es losgehen. Und dann treten die individuellen Eigenarten des Kegelns hervor. Laien können sich beim Zuhören nur schwer ein Schmunzeln verkneifen: Nach sechs erwischten Kegeln folgt ein „Sexy!“, auf sieben Kegel ein „Simsa!“ und nach acht abgeräumten Kegeln donnert ein „Hossa!“ aus den Spielern heraus. Als Superlativ ertönt ein lautes „Holz!“ jener Kegler, die den perfekten Wurf landen und alle neun Kegel erwischen.

Doch ist Kegeln nicht gleich Kegeln. Es gibt einen Unterschied zwischen Sport- und Freizeitkeglern. Und Letztere legen einen höheren Stellenwert auf Geselligkeit und Spaß. Sie trainieren nicht so intensiv wie Sportkegler und müssen nicht zwangsweise innerhalb eines eingetragenen Vereins agieren. Ebenso wenig ist bei ihnen ein Ligabetrieb vorgeschrieben. Während die Anzahl der Würfe (Schübe) beim Freizeitkegeln meist bei 50 Versuchen liegt, haben die Sportkegler 120 Schübe vor sich.

Friedleinsbrüder und Pappler

Ottmar Schirm aus Tretzendorf leitete 16 Jahre lang die Privatkegler Oberaurach. Die gehören keinem Verein an und spielen mittlerweile nur noch gegen sich selbst. Gegründet 1992, gehen heute sieben Teams a vier Spieler ihrem Hobby nach. Bei der Namensgebung sind keine Grenzen gesetzt, Kreativität ist Trumpf. Die rund 35 Frauen und Männer aus dem Steigerwald teilen sich auf vier Gruppen auf, die teilweise mehrere Teams vorweisen können. Die „Abräumer“, die vor allem aus ehemaligen Fußballspielern des SC Trossenfurt/Tretzendorf bestehen, können drei Teams vorweisen. Die „Pappler“ setzen sich aus Freunden zusammen, die sich auch gemeinsam zum Stammtisch treffen und agieren in zwei Mannschaften. Die „Friedleinsbrüder“ stellen die zweite Stammtischgruppe. Aktive und ehemalige Spieler des TSV Dankenfeld finden sich im „Club 99“ wieder.

Kegeln stellt auch bei den Hobbysportlern besondere Anforderungen an die Spieler. „Viele haben Probleme damit, nach einem schlechten Versuch emotional wieder runterzukommen“, so Ottmar Schirm. Dabei hat jeder Akteur seine eigenen Marotten. „Manche laufen extra ein Stück von der Bahn weg, um ihrem Ärger freien Lauf zu lassen. Andere reden mit ihrem Handtuch“, erzählt der 65-Jährige mit breitem Grinsen. Eine große Herausforderung besteht in der Frustbewältigung, gerade, weil Kegeln viel Zeit und Engagement erfordert. „Manche spielen schon seit zehn Jahren und können es immer noch nicht richtig“, stellt Schirm heraus.

Familienbande

Nicht selten kommt es vor, dass ein Team aus mehreren Mitgliedern einer Familie besteht. So auch beim „Club 99“ mit der stark vertretenen Familie Fößel aus Dankenfeld. Schon die Eltern verbrachten ihre Freizeit leidenschaftlich gern auf der Kegelbahn und konnten ihre Begeisterung an ihre Kinder Andreas und Daniela weitergeben. Vater Wolfgang hat bereits aufgehört, doch Mutter Maria Fößel ist immer noch aktiv.

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Auch, wenn sich der Sport im familiären Kreis abspielt, kochen die Emotionen hoch: „Früher habe ich noch viel mehr geflucht, mittlerweile bin ich etwas ruhiger geworden“, versichert Andreas Fößel. „Mit der Zeit entwickelt man einfach eine gewisse Gelassenheit.“ Der 36-Jährige führt die Bestenliste der Männer an und betont, dass es nie größere Streitigkeiten innerhalb des Teams und damit innerhalb der Familie gab. „Natürlich stichelt man sich gegenseitig an, doch Kegeln bedeutet für uns nie bloß Rivalität, sondern in erster Linie das Ausleben einer gemeinsamen Leidenschaft.“

„Manche spielen schon seit zehn Jahren und können es immer noch nicht richtig“
Ottmar Schirm, Privatkegler Oberaurach

Seine Schwester Daniela Fößel ist aktuell die erfolgreichste Keglerin der Oberauracher Privatkegler. Eine spezielle Taktik habe die 31-Jährige jedoch nicht. „Ein bisschen Glück gehört auch dazu. Wichtig ist, dass man sich nicht versteift und locker bleibt“, sagt die Dankenfelderin. „Es ist einfach schön, sich sportlich ohne Zwang und Wettbewerbsdruck zu betätigen.“Trainiert wird im Oberaurach-Zentrum immer dienstags ab 18 Uhr, die Spiele finden meistens freitags oder sonntags statt und dauern etwa anderthalb Stunden. Ihren größten Erfolg konnten die Oberauracher Privatkegler 2009 feiern. Damals traten sie beim Bayernpokal als 14. auf der Listenreihung an und setzten sich gegen den Zweitplatzierten aus Diepersdorf durch. Seit der Saison 2011/12 spielen sie allerdings keine Turniere mehr, da nicht mehr genügend Spieler vorhanden sind, die unter Wettbewerbsbedingungen kegeln wollen.

70-Jährige mit Niveau

2008 übernahm Jens Holger Silge die Leitung von Ottmar Schirm. Der Trossenfurter macht deutlich, dass Kegeln den Körper erheblich belasten kann: „Beim Abbremsen kurz vor dem Wurf federn die Knie zum Teil das dreifache des eigenen Gewichts ab. Nicht selten fängt man sich dadurch Knieprobleme ein.“ Der 56-Jährige betont, dass Kegeln im Alter zudem mit gewissen Risiken für Herz verbunden sei. Nichtsdestotrotz könne man bis ins hohe Alter kegeln: „Es gibt viele Ältere, teilweise sogar 70-Jährige, die noch auf Wettkampfniveau spielen können“, so Silge.

Die Oberauracher Freizeitkegler bieten eine Ausbildung für Neulinge an, durch die Anfänger den Sport und seine Techniken von A bis Z erlernen können. Doch wie so oft auf dem Land fehlt es an Nachwuchs. „Pro Jahr können wir gerade noch einen Neuling hinzugewinnen“, führt Silge aus.

Darüber hinaus seien die Bedingungen im Oberaurach-Zentrum super, allerdings fehlt den Keglern eine Bewirtung: „Seit zehn Jahren gibt es keinen Wirt mehr. Lange gab es ein Restaurant, das über die Gemeinde lief. Doch das lohnt sich nicht mehr“, beklagt Ottmar Schirm. Heute wird die ehemalige Gastronomie als Mittagsbetreuung für die Grundschulkinder genutzt.

Haßfurt, Zeil/Sand und Hofheim

Privatkegeln trifft nicht nur im Steigerwald auf große Beliebtheit. In Haßfurt leitet der 78-jährige Hermann Bayer die Geschicke. Sieben Teams mit Namen wie „Ratzeputz“, „Gelbe 9“ oder „Polizei SV“ treffen sich am Moosanger und treten auch in Stadtmeisterschaften gegen Bamberger, Würzburger oder Kulmbacher Mannschaften an.

Während viele Privatkegler nur gegeneinander antreten, stellen sich zwei der 14 Teams der Hofheimer Freizeitkegler unter der Führung des 82-jährigen Karl Dietz auch dem Wettbewerb in der Kreisliga Haßberge. Teams wie „Fall um“, die „Geselligen“ oder die „Holzschoner“ gehen fast an jedem Wochentag von 18 bis 23 Uhr ihrer Kegel-Leidenschaft nach.

Freizeitkegler aus Sand und Zeil haben sich zu guter Letzt unter der Leitung des Sanders Werner Jung (72) zusammengetan. Hier agieren vier Teams bestehend aus Frauen und Männern, die nur gegeneinander antreten: Die „Altdeutsche Zeil“, „Hauruck“, „Syndikat“ und die „Fröhliche 9“ aus Sand. Manche Kegler aus diesen Mannschaften mischen auch noch in der Kreisliga Haßberge mit. In dieser stellen die Freizeitkegler aus Hofheim, Sand und Zeil jeweils zwei Teams.

Privatkegler im Landkreis

Kreisliga: KG Hofheim I+II, Fröhliche Neun Sand I+II, Hau Ruck Zeil, Die Altdeutschen Zeil

Zeil/Sand: Syndikat Zeil, Fröhliche Neun Sand III, Die Altdeutschen Zeil II, Hau Ruck Zeil II Hofheim: Mittwochsclub I+II, Gesellige I+II, TV Hofheim I+II, Bürgerliche, Holzschoner, Bettschoner/Eintracht, Kegelfreunde Friesenhausen I+II, Fall Um I+II, Kegelfreunde Humprechtshausen Oberaurach: Pappler I+II, Club 99, Abräumer I+II+III, Friedleinsbrüder Haßfurt: Ratzeputz, Polizei SV, Kleeblatt, Gelbe Neun, Stammtisch, Abräumer

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