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Köln
Torwart Wolff über Kreisläufer Kohlbacher: "Von Natur aus ein Biest"
Jannik Kohlbacher verzichtet mittlerweile auf Krafttraining – weil er es nicht nötig hat. Warum der Kreisläufer für die EM-Auftritte der deutschen Handballer so wichtig ist.
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Foto: Federico Gambarini, dpa | Er kann kräftig zupacken, einstecken und kämpfen: Deutschlands Jannik Kohlbacher beim Wurf.
Marc Stevermüer
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:21 Uhr

Jannik Kohlbacher ist ein richtig netter Kerl. Ein umgänglicher Zeitgenosse. Und auch eine wahrlich imposante Erscheinung. Seine rund 115 Kilo Muskelmasse verteilt er auf stattliche 1,93 Meter, das Krafttraining lässt der Kreisläufer der deutschen Handball-Nationalmannschaft mittlerweile sein. Und zwar nicht aus Faulheit, sondern weil er es sich erlauben kann. „Niemand schlägt ihn. Er ist der Stärkste, von Natur aus ein Biest“, sagt Torwart Andreas Wolff und merkt mit einem gequälten Lächeln an: „Wenn Johannes Golla und ich Gewichte stemmen, sitzt Jannik da und massiert sich die Zehen. Ich will gar nicht wissen, wie stark er wäre, wenn Jannik aus Versehen mal eine Hantel in die Hand nimmt.“

Einen Mann wie Kohlbacher brauchten die deutschen Handballer am Montag im dritten EM-Hauptrundenspiel. Beim eminent wichtigen 35:28-Sieg über Ungarn war körperliche Präsenz in der Abwehr gefragt, denn der Gegner schickte einige Schränke aufs Feld. Groß, breit, schwer. Sie wurden von Kohlbacher aber im Stile eines Möbelpackers einfach aus dem Weg geräumt. Ganz so, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Und als gebe es nichts Schöneres. Was für den Mann von den Rhein-Neckar Löwen aber ganz offensichtlich wirklich gilt.

„Das sind genau seine Spiele. Wenn der Gegner meint, er könne gegen ihn kämpfen, sich physisch gegen ihn durchsetzen – dann lernt er den wahren Jannik Kohlbacher kennen“, ist Wolff von seinem Mitspieler, Freund und Zimmerkollegen beim Nationalteam begeistert. Was man gut verstehen kann.

Kraftpaket Kohlbacher macht sich über seine Rolle nicht viele Gedanken

Denn der Kreisläufer nahm das Kräftemessen mit den Gegenspielern nicht nur an, sondern ging auch regelmäßig aus diesen Duellen als Sieger hervor. Er setzte Stoppschilder. Und zwar aus Muskeln. Was nicht nur die Ungarn, sondern auch seinen Teamkollegen Juri Knorr beeindruckt: „Kohli hat gezeigt, was für ein Monster er ist. Seine Urkraft hat kein anderer. Wir mussten diesmal dagegenhalten. Jannik hat gezeigt, dass er körperlich einer der dominantesten Spieler auf der Welt ist.“ Und einer, auf den man sich verlassen kann.

„Extrem wenig“ habe Kohlbacher zuvor in diesem Turnier gespielt, meint Knorr, weshalb es seiner Meinung nach für den Kreisläufer „eine schwierige Situation“ gegen Ungarn gewesen sei. Die der 28-Jährige aber meisterte. Auch weil sich Kraftpaket Kohlbacher über seine Rolle nicht viele Gedanken macht, sondern ans große Ganze denkt: „Wenn die Mannschaft mich braucht, bin ich immer da. Es geht um unseren gemeinsamen Erfolg, weshalb es egal ist, ob ich fünf Minuten, eine halbe Stunde oder gar nicht spiele.“ Zumal der Löwen-Profi mit Kapitän Johannes Golla einen Weltklasse-Kollegen auf seiner Position als Partner hat.

Er „ziehe den Hut“ davor, was Golla in jedem Spiel „vorne und hinten“ leiste, sagt Kohlbacher. Allerdings wird es schwierig, dieses Pensum auf einem derart hohen Niveau alle 48 Stunden abzuspulen. Doch bei der EM wird dieser Raubbau am eigenen Körper genau in dieser Taktung verlangt. Weshalb auch Golla froh ist, gegen Ungarn ein paar Pausen bekommen zu haben: „Ich bin unglaublich glücklich, dass Jannik jetzt so richtig ins Turnier gekommen ist und wir uns im Angriff abwechseln konnten. Er hat ein überragendes Spiel gemacht, gerade in der Abwehr.“ Vier Treffer rundeten den starken Auftritt ab.

Kohlbacher verkörpert alles, was den Handball ausmacht

In der Offensive gehört Kohlbacher ohnehin zu den Besten. Weil ihm auch am Kreis, wo geschoben und geschubst wird, seine körperliche Präsenz hilft. Stellt er eine Sperre, „brauche ich einen halben Tag, um herumzukommen“, witzelt Rechtsaußen Timo Kastening.

Klar ist: Kohlbacher verkörpert irgendwie alles, was den Handball ausmacht. Er kann kräftig zupacken, einstecken, sich durchsetzen, kämpfen. Aber insbesondere im Zusammenspiel mit Mittelmann Knorr auch für Spektakel, für Kunststücke sorgen. Und vor allem: Der 28-Jährige ist ein Mannschaftsspieler, stellt sich stets in den Dienst des Teams. 100 Prozent sind für ihn nicht nur eine Orientierung, sondern der eigene Anspruch. Und diesem Verständnis entsprechend stürzt sich der Odenwälder auch in jeden Zweikampf wie kleine Kinder auf die umherfliegenden Bonbons beim nahenden Kölner Karnevalsumzug.

Nach dem Erfolg über Ungarn ist für Kohlbacher und Kollegen nun der Halbfinaleinzug beim Heimturnier greifbar. Und zwar als Gruppenzweiter, was der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) ein Halbfinale mit Weltmeister und Titelfavorit Dänemark am Freitag in Köln bescheren würde. Zunächst müssen im letzten Gruppenspiel am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) aber noch die Kroaten besiegt werden, um ganz sicher in die Runde der besten vier Teams einzuziehen. Wenn die Konkurrenz mitspielt, kann sich der WM-Fünfte aber sogar eine Niederlage erlauben und kommt trotzdem weiter.

Doch darauf will sich Kohlbacher nicht einlassen. Das letzte Hauptrundenspiel bezeichnet er als „Viertelfinale“, also als K.-o.-Spiel. Und in einem solchen geht es immer nur um den Sieg. Notfalls trägt der Kreisläufer dafür auch wieder ein paar Schränke aus dem Weg.

 
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