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MÜNCHEN
Halbfinal-Aus des FC Bayern: Zwei Fehler zu viel
FC Bayern München - Atletico Madrid       -  Thomas Müller von München ist nach Spielende enttäuscht.
Foto: Andreas Gebert (dpa) | Thomas Müller von München ist nach Spielende enttäuscht.
Hans Strauß
Hans Strauß
 |  aktualisiert: 30.09.2016 03:29 Uhr

Die Bayern waren gescheitert, aber sie hatten alles probiert und sich nichts vorzuwerfen. Beifall begleitete die Mannschaft vom Rasen, Pfiffe Fehlanzeige. Bis zur letzten Sekunde der fünfminütigen Nachspielzeit hatten die Münchner  daran geglaubt, den nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel nötigen Zwei-Tore-Vorsprung gegen Atletico Madrid noch zu schaffen. Aber es blieb beim  2:1 (1:0) durch die Tore von Xabi Alonso (31.) und Robert Lewandowski (74.), ein vergifteter Sieg nach einem großen, dramatischen Spiel vor enthusiastischer Kulisse.

Die Enttäuschung war riesig. Auch abgekochte Profis tun sich schwer, so etwas zu verarbeiten.  Lewandowskis Gesicht sah vor den Journalisten danach aus, als hätte er in der Kabine ein paar Tränen vergossen. Thomas Müller schiefes Lächeln blieb unsichtbar. Manuel Neuer schien froh, unbehelligt durch die Interviewzone in die Nacht zu entkommen.

Auch im dritten und letzten Anlauf unter Pep Guardiola auf den Champions League-Pokal kam das Aus im Halbfinale. Wieder gegen eine spanische Mannschaft, wieder ohne ein Auswärtstor im Hinspiel. Der große Wurf bleibt unter dem Star-Trainer versagt. Während die Münchner Gegnerschaft nun  über das Trauer-Triple spottet, wollte Guardiola keine persönliche Enttäuschung zugeben: „Ich bin traurig für die Mannschaft und die Zuschauer.“ Titel zu zählen, sei etwas für Statistiker. „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Sie hat meine Ideen vom Fußball umgesetzt. Wir hätten das Finale verdient gehabt, aber Atletico hat es auch verdient,“ sagte Guardiola.

Erinnerungen ans "Finale dahoam"

Der Katalane blickt schon auf seine Zeit in München zurück. Mit dem gewohnten Pathos:  „Ich habe mein Leben gegeben, für diese Spieler zu arbeiten. Ich habe es genossen.“ Begonnen hatte Guardiola seine Pressekonferenz mit einem sehr bemerkenswerten  Satz in Richtung Münchner Zukunft und seines Nachfolgers ab Juli: „Ich hoffe, Ancelotti kann das Niveau halten, das wir hier geschaffen haben.“ Die langgedienten Bayern-Profis hatten es wieder, dieses schwer auszuhaltende Gefühl, besser gewesen zu sein als der Gegner und es trotzdem nicht geschafft zu haben. Der unglückliche Elfmeterschütze Thomas Müller fühlte sich an das 2012 gegen den FC Chelsea schmerzhaft verlorene „Finale dahoam“ erinnert, mit einem Unterschied:  „Wir haben heute ein noch besseres Spiel gemacht. “ Damals wussten die Münchner, was sie erwartete: Ein Gegner, der massiert verteidigte und vorne Didier Drogba hatte. Und dennoch unterlagen sie genau deshalb.

Gegen Atletico zeigten die Bayern ihre beste Leistung in dieser Saison. Sie agierten mit Entschlossenheit, Wucht, und gleichzeitig nach Plan, mit einem überragenden Xabi Alonso als Regisseur. 35 Torschüsse verzeichnete die statistische Auswertung. „Es ist schwer, von etwas Negativem zu reden. Die Mannschaft hat sehr, sehr gut agiert“, sagte Kapitän Philipp Lahm.

 Aber die Münchner  leisteten sich genau jene zwei Fehler, von denen sie wussten, dass sie von diesem staunenswert ausgebufften Gegner mit an Sicherheit grenzendender Wahrscheinlichkeit bestraft werden würden. Und so geschah es. Ausgerechnet Standardschütze Müller vergab gegen Atleticos großartigen Torwart Jan Oblak einen Foulelfmeter (34.), der das 2:0 bedeutet und den Weg ins Finale nach Mailand geebnet hätte. Anders als gewohnt guckte Müller sich den Torwart nicht aus, sondern entschied sich vorher für eine Ecke. Aber Vermutungen, ausgerechnet ihm sei die Coolness abhanden gekommen, bestätigte er nicht. „Gegen Bremen hab ich auch schon anders geschossen. Ich habe ein bisschen was umgestellt.“

Atleticos letztlich entscheidendem Auswärtstor ging ein Moment der Sorglosigkeit voraus. Beim  abgefangenen Pass von  Jerome  Boateng war die letzte Reihe komplett in der Vorwärtsbewegung. „Bei mir fängt’s an mit dem Pass nach vorne, aber deswegen muss man kein Tor kriegen. Einer von uns hätte bleiben müssen“, sagte der Innenverteidiger.

Dass Vorstandchef Karl-Heinz Rummenigge, sonst so beherrscht und überlegt, dem türkischen Schiedsrichter Cüneyt Cakir das Aus  in die Schuhe schieben wollte („Wir fühlen uns ein bisschen betrogen“), war ihm wohl schon am nächsten Tag peinlich. Beim 1:1 (54.) entwischte Antoine Griezmann im Moment des Passes von Sturmpartner Fernando Torres auf gleicher Höhe mit David Alaba - nicht aus Abseitsposition. Das der Referee das Foul von Javi Martinez an Fernando Torres in den Strafraum verlegte, war letztlich nicht mehr erheblich, weil Manuel Neuer den durch Torres selbst ausgeführten Elfmeter meisterte (84.) und seine Mannschaft für die letzten Minuten so noch in der Hoffnung hielt. Und das nach Rummenigges Geschmack zu wenig unterbundene Zeitspiel? Geschenkt.

"Fast verliebt" in den Gegner

Erstaunliches kam von Diego Simeone. Der während des Spiels so streitbare Trainer ging auf Schmusekurs mit den Bayern, aber es klang ehrlich. „Das war die beste Mannschaft, gegen die ich in meiner Karriere gespielt habe“, würdigte er die Münchner. Er habe sich „fast verliebt“ in den Gegner. Aber auch Simeone hat eine auf ihre besondere Weise große Mannschaft geschaffen,  die mit dem FC Barcelona und dem FC Bayern nun beide Topfavoriten  aus der Königsklasse verabschiedet hat.  Das sagt alles.

Atletico hat nun selbst die Chance, zu einem der Großen zu werden und steht zum zweiten Mal nach 2014 im Endspiel. Der Gegner wird am Mittwochabend zwischen Real Madrid und Manchester City ermittelt. Die „Colchoneros“ hoffen auf ein erneutes Duell gegen den Stadtrivalen, dem sie vor zwei Jahren unglücklich im Elfmeterschießen unterlegen waren. „Eine Revanche gibt es im Fußball nicht, aber immer eine neue Gelegenheit“, sagt Simeone.

Die Münchner werden sich zusammen reißen müssen, um die Saison zu einem guten Abschluss zu bringen. „Es ist schwierig, jetzt vom Samstag zu reden oder vom Pokalfinale. Das heute müssen wir erst einmal verdauen“, gestand Lahm ein. Ein Punkt am Samstag beim FC Ingolstadt sollte möglich sein, um nicht erst im letzten Bundesliga-Spiel daheim gegen Hannover die Meisterschaft unter Dach und Fach zu bringen. Das wäre peinlich. Das Cup-Endspiel  am 21. Mai gegen Borussia Dortmund bringt dann die Abschiedsvorstellung für Guardiola. Ob sie wenigstens das Double ermöglicht, ist gegen den Erzrivalen längst keine ausgemachte Sache.

 
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