Egal, ob es Rudi Völler oder nun die Expertinnen bei der Frauen-WM behaupten: Es gibt im Fußball keine Kleinen mehr. Aber noch besorgniserregender: Auch die Winzlinge verschwinden. Wenn ein Land mehr Schafe als Menschen zählt und ein Stadion so nah an die Küste gebaut ist, dass bei einem Befreiungsschlag der Sturm den Ball ins Meer befördert, darf getrost von einem Fußball-Zwerg gesprochen werden.
Selbst die kleinen Vereine können ordentlich aufmischen
Der Winzling KI Klaksvik mischt derzeit den europäischen Fußball auf. Der Meister der Färöer-Inseln zog durch ein 4:3 im Elfmeterschießen gegen den schwedischen Meister BK Häcken in die 3. Qualifikationsrunde zur Champions League ein. Damit ist seit 30 Jahren wieder eine Männermannschaft der Schafsinseln in der Endrunde eines Europapokals vertreten. Nach einem 2:1 gegen den norwegischen Meister Molde FK im Hinspiel ist noch mehr möglich. Setzen sich die Insel-Kicker auch gegen Molde durch, stünde der Klub aus dem 5000 Einwohner zählenden Ort auf den Färöern in den Playoffs zur Champions League. Und hätte auf diese Weise sogar die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League sicher. Letztmals hatte es HB Tórshavn 1993 in die Endrunde des mittlerweile abgeschafften Europapokals der Pokalsieger geschafft.
Klaksvik ist ein Paradebeispiel dafür, dass es auch ohne Millionensummen im Profi-Fußball geht. Torwart Jonathan Johansson ist im Hauptberuf Elektriker, der mit dem Fußball auf Spitzenniveau eigentlich abgeschlossen und seine Karriere in der vergangenen Saison beendet hatte. Johansson spielte zuletzt in der fünften norwegischen Liga – als Innenverteidiger. Im Urlaub auf Rhodos ereilte ihn der Anruf seines Kumpels Magne Hoseth, der Klaksvik trainiert. Dem Coach waren die Torhüter ausgegangen. Einer der torgefährlichsten Klaksvik-Stürmer heißt Arni Frederiksberg und ist Chef einer Firma aus der Fischindustrie.
Klaksvik schreibt eine Geschichte fort, die am 12. September 1990 begann. Österreichische Fans können an dieser Stelle aussteigen, sie kennen die Schmach. An jenem denkwürdigen Datum bestritt die Nationalmannschaft der Färöer ihr allererstes Pflicht-Länderspiel. Der Außenseiter besiegte im schwedischen Landskrona in der Qualifikation für die EM 1992 Österreich mit 1:0. An diesem Tag begann das Verschwinden der Kleinen aus dem Weltfußball.