
Aber selbstverständlich ist die Wut nachvollziehbar. Da braucht man ja gar nicht darüber zu diskutieren. Genauso wie es absolut nachvollziehbar ist, in Zeiten größter psychischer Belastung Ohrfeigen an Kinder zu verteilen. Oder aber auch mal mit 50 km/h durch die Spielstraße zu fahren – natürlich vorsichtig –, wenn die Zeit aber nun mal wirklich knapp ist. Wer also will sich moralisch über Edin Terzic, Sebastian Kehl und Marco Reus erheben, die sich nun mal einfach des angestauten Zornes entledigen mussten? Alles andere wäre ungesund gewesen. Also: Überdruckventil öffnen.
Sascha Stegemann hatte sich den Unmut redlich verdient. Mehrere Fehlentscheidungen zuungunsten der Borussia ließen nichts anderes als den Sturm des BVB-Trios in die Schiedsrichterkabine zu. Laut ist es dort zugegangen, aber weil die Dortmunder bei allem berechtigten Ärger anständige Leute sind, entschuldigte sich Coach Terzic beim Schiri sofort – sowohl für die angeschlagene Tonart als auch seine Emotionen.
Ob Sébastien Haller auch so angegangen wird?
Fußballer sind von Haus aus Gerechtigkeitsfanatiker. Deswegen sieht man sie so selten grundlos im Strafraum niedersinken. Und wenn es schon nicht fair zugeht, dann doch bitte beidseitig unfair. Von wegen ausgleichende Ungerechtigkeit. Gleichheitsgrundsatz. Alle sollen gleich behandelt werden. Egal, ob gut oder schlecht. Das ist auch der Grund, warum Terzic, Kehl und Reus nach vergebenen Torchancen in der Kabine auf Sébastien Haller losgehen und hinterher breitbeinig im Fernsehen erzählen, dass man dem Stürmer aber mal so richtig die Meinung gegeigt habe.
Generell ist es eine formidable Idee, den Unparteiischen öffentlich anzuzählen. Dann wissen potenzielle Nachwuchsschiedsrichter gleich mal, worauf sie sich einlassen. Nicht dass sie der eigenwilligen Idee nachhängen, wichtiger Bestandteil des Spiels zu sein und als solcher respektvoll behandelt zu werden.
Natürlich auch wichtig, dass die Dortmunder Spieler bemerken: Da setzt sich jemand für sie ein. Am Schluss müssten sie sich sonst wieder unterirdischer Beleidigungen in den sozialen Medien erwehren. Die Klubs haben da – Gott sei Dank – wohlfeile Kampagnen gestartet, dass es so nun wirklich nicht geht. Dann lieber die Aufmerksamkeit auf den Schiedsrichter lenken. Nachvollziehbar ist das auf jeden Fall.