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Glosse
Alles Humbug – warum der Gefoulte im Fußball Strafstöße schießen darf
Jeder kennt sie: die Weisheiten des Fußballs. Doch eine Studie zeigt: Stimmt alles nicht. Herberger´sche Gesetzmäßigkeiten werden ausgehebelt und weitergetragene Leitsätze über den Haufen geworfen.
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Foto: Rolf Vennenbernd, dpa | Ob zuvor gefoult oder nicht - vollkommen egal. Eine Studie zeigt: Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Schütze trifft, steht nicht im Zusammenhang damit.
Johannes Graf
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:30 Uhr

Amateurtrainer, die Familienväter mit Bauchansatz zu Titeln und Triumphen in der A-Klasse treiben, wird diese Nachricht erschüttern. Nichts weniger als die Grundlage ihres Schaffens wird ihnen entzogen. Leitsätze, an die sie sich über Jahrzehnte klammerten, sind fortan nichtig. Alles Humbug. In einer Studie hat Sportwissenschaftler Daniel Memmert Beachtliches zutage getragen. Weisheit gebende Werke, die die Komplexität des Fußballs in Einfachheit hüllten und als Trainer-Bibeln dienten, müssen umgeschrieben werden. Memmert und zwei Mitstreiter unterzogen in ihrem Buch „Mind Match Fußball“ das Kicken einem Faktencheck – und räumten mit weitergetragenen Mythen auf. 

Ob auswärts oder zuhause - spielt im Europapokal keine Rolle

So ist es keineswegs von Vorteil, im Europapokal das Rückspiel im eigenen Stadion auszutragen. In der Fremde stehen die Chancen aufs Weiterkommen ebenso gut – oder schlecht. Weiteres Beispiel: der Strafstoß. Ob ein Spieler den Ball in den Knick oder über die Latte tritt, steht nicht im direkten Zusammenhang mit einem zuvor an ihm begangenen Foulspiel. Auch oft von Trainern bemüht: der berühmte „Lauf“, neuerdings gerne als „Momentum“ oder „Flow“ gekennzeichnet. Hat man jenen, so die These, verlässt ein Team den Rasen wie selbstverständlich siegreich. Wer Erfolg an Erfolg reiht, ist jedoch nicht davor gefeit, im nächsten Spiel unterzugehen. Besagt die Statistik. Oft vermutet, nun erneut mit Zahlenwerk belegt: Ein neuer Trainer bringt nicht zwingend verloren gegangenen Erfolg zurück. Verantwortliche in München, Stuttgart oder Bochum rechtfertigten den Rauswurf des Cheftrainers mit dem Wunsch nach Besserung. Verwunderlich wäre es aber nicht, sollten der VfB und der VfL den Gang in Liga zwei antreten und die Bayern Titel um Titel verspielen. 

Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten

Manchen mag das Aushebeln Herberger’scher Gesetzmäßigkeiten verstören, manch anderen mag es von Zwängen befreien. Natürlich ist nicht das nächste Spiel das schwerste, wenn man erst auf den TuS Buxtehude und dann auf Real Madrid trifft. Dass ein Spiel nicht nach 90 Minuten zu Ende ist, überrascht auch keinen mehr. Elf Freunde in einer Mannschaft gibt es sowieso nicht, und längst gewinnt im Fußball am Ende nicht mehr nur Deutschland. Wer flach spielt, gewinnt nicht hoch; Meisterschaften werden nicht nur in der Abwehr gewonnen; und nach dem Spiel ist nicht immer vor dem Spiel. 

Manche Fußballer-Weisheit wird indes jedwede Studie und Statistik überdauern. Das Runde muss weiterhin ins Eckige, und die Wahrheit liegt auf dem Platz. Amateurtrainer können aufatmen.

 
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