Die Zeit vor einem ereignisreichen Winter nutzte Andreas Wellinger für die schönen Dinge des Lebens. Wellinger reiste mit seiner Freundin nach Sri Lanka und an die Côte d’Azur. Er ging Surfen, genoss als Sportfan die Olympischen Spiele und zapfte im deutschen Haus in Paris fröhlich Bier. Mal nicht an Skispringen denken - so lautete das Motto.
Wellinger weiß: Die nächsten Monate werden intensiv und herausfordernd. Fast jedes Wochenende ein Weltcup, dazu die großen Höhepunkte Vierschanzentournee und Weltmeisterschaften in Trondheim. Der 29-Jährige hat große Ziele.
„Ich bin letztes Jahr Zweiter geworden. Wenn ich jetzt sage, ich will nur unter die Top Ten springen, dann glaubt mir keiner. Das ist auch nicht so. Logisch will ich das Ding gewinnen”, sagt Wellinger zur Vierschanzentournee, die seit Sven Hannawald 2002 kein Deutscher mehr gewonnen hat.
Wellinger sieht Steigerungspotenzial
Mit seinem zweiten Platz beim prestigeträchtigen Kampf um den goldenen Adler und Rang drei im Gesamtweltcup katapultierte sich Wellinger nach schwierigen Jahren in der vergangenen Saison zurück in die absolute Weltspitze. Der lebensfrohe Bayer ist auch in diesem Jahr der größte Hoffnungsträger bei den Adlern des Deutschen Skiverbandes. Er selbst sieht bei sich durchaus noch Steigerungspotenzial.
„Schön ist, wenn man möglichst oft zur Siegerehrung geht. Das ist mir durchaus oft gelungen letztes Jahr”, sagt Wellinger und ergänzt selbstbewusst: „Das Ziel wäre, dass wir es noch ein bisschen öfter schaffen - und dann ist bei Tournee, WM und im Gesamtweltcup sehr viel möglich.” Elfmal sprang Wellinger 2023/24 im Einzel unter die besten drei. Zwei Siege gelangen.
Der frühere Weltmeister Martin Schmitt (46) traut Wellinger wieder viel zu. „Er hat die nötige Coolness. Deswegen glaube ich, dass er bereit für alles ist”, sagte der viermalige Weltmeister und Mannschafts-Olympiasieger von 2002 im Interview mit sport.de. Wellinger sei insgesamt als Sportler gereift, habe auch athletisch noch einmal etwas draufgepackt. „Ich glaube schon, dass es jetzt die besten Jahre seiner Karriere sind.”
Rückenprobleme im Sommer
In der Vorbereitung auf die neue Saison, die an diesem Freitag im norwegischen Lillehammer mit einem Mixed-Team-Wettkampf beginnt (16.15 Uhr/ARD und Eurosport), lief nicht alles nach Plan. Rückenprobleme machten Wellinger zu schaffen. Dass der Olympiasieger von 2018 nichts verlernt hat, zeigte er trotzdem bereits. Beim Sommer-Grand-Prix in Hinzenbach siegte der deutsche Vorzeigespringer vor starker internationaler Konkurrenz. In Garmisch-Partenkirchen sicherte er sich den nationalen Titel.
Die Ergebnisse geben Vertrauen in die eigene Stärke, auch wenn Wellinger mit Blick auf den Weltcup-Start betonte: „Es ist immer eine Blackbox. Du weißt immer erst nach dem ersten Wettkampf, wo stehen wir wirklich.” Bundestrainer Stefan Horngacher ist optimistisch: „Andreas hat von den Sommer-Grand-Prix-Springen über die deutschen Meisterschaften und die letzten Lehrgänge konstant gute Leistungen gezeigt.”
Neue Regel sorgt für Diskussionen
Als zusätzlicher Unsicherheitsfaktor neben der eigenen Form und dem Leistungsstand der Konkurrenz kommt in diesem Jahr noch eine Regelanpassung hinzu. Die Landung wird noch wichtiger. Sprungrichter sollen mehr Punkte abziehen, wenn ein Athlet dabei keinen technisch anspruchsvollen Telemark zeigt.
Wellingers Teamkollege Markus Eisenbichler, der nach seiner schwachen Vorsaison ohne Weltcup-Einsatz sein Comeback im A-Team feiert, bezeichnete die Regel bereits als „total bescheuert”. Wellinger sieht sie „zwiegespalten”. Klar ist: Die Bewertung ist für alle neu. Wer davon profitiert und wer damit schlechter klarkommt, wird sich erst noch zeigen. Erste Hinweise darauf und auf Wellingers Winter-Verfassung gibt es am Freitag.