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Eine mit Durchblick: Sarina Wiegman ist die letzte Trainerin der WM
Noch immer geben Männer auf den Trainerbänken den Ton an, doch mit Sarina Wiegman bildet die letzte verbliebene Frau beim Coaching dieser WM die Benchmark.
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Foto: Adam Davy, PA Wire/dpa | Löste im September 2021 Phil Neville als Cheftrainer der Lionesses ab: Sarina Wiegman.
Frank Hellmann
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:54 Uhr

Als Chloe Kelly zum finalen Elfmeter anlief, kratzte sich Sarina Wiegman an der Seitenlinie kurz an der Nase. Sekunden später reckte auch Englands Nationaltrainerin beide Arme in den Himmel. Vor einem Jahr hatte sie nach dem EM-Viertelfinale gegen Spanien (2:1 n.V.) ihre kernige Abwehrchefin Millie Bright in die Luft gehoben, nach dem Elfmeterschießen im WM-Achtelfinale gegen Nigeria (4:2) hing die Niederländerin bloß entkräftet am Hals ihrer Nummer sechs. Erleichtert und erlöst. "Ich bin heute um zehn Jahre gealtert", gab die 53-Jährige hernach zu.

Wenigstens der Europameister schrieb in Brisbane nicht den Exodus der Favoriten fort. Sondern eine Fußballlehrerin fügte ihrer Erfolgsstory das nächste Kapitel hinzu, in dem sie selbst fürs auf der Insel verfluchte Elfmeterschießen einen Plan hatte. Sie ist bereits Europameisterin 2017 und Vizeweltmeisterin 2019 mit den Niederlanden, Europameisterin 2022 mit England geworden. Wiegman scheint instinktiv zu wissen, was sie tun muss. Die Trainerin mit der Brille hat den Durchblick.

Englands Nationalspielerinnen haben ein Social-Media-Verbot erhalten

Anders als Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spürt sie, was es für diese WM braucht: ungefähr das Kontrastprogramm zu den heimgereisten Deutschen.

Beim Quartier entschied sich auch Englands Fußball-Verband (FA) für die Central Coast. Doch anstatt in ein Kaff wie Wyong, wo vielleicht trinkfeste Autoliebhaber sich wohlfühlen, aber bestimmt nicht junge Sportlerinnen, ging es nach Terrigal. Ein auch im Winter angenehmer Badeort mit ein bisschen Abwechslung. In der Nähe ist der Fußballverein Central Coast Mariners beheimatet, der australische Überraschungsmeister. Aus dessen Heimstadion gibt Wiegman beim Training ihre Anweisungen. Eine Ansage lautete vor Wochen, dass ihre Spielerinnen alle Social-Media-Aktivitäten einstellen. Während deutsche Spielerinnen stets um Klicks und Likes wetteifern, zählen bei englischen Akteuren nur Pass- und Zweikampfquoten.

Wiegman hat bei Amtsantritt 2021 den Leistungsanspruch der "Lionesses" ganz nach oben geschraubt, aber sie bringt das inzwischen ohne Verbissenheit rüber. Die in Den Haag aufgewachsene, von ihrer Zeit an der Universität North Carolina in den USA geprägte Persönlichkeit gibt gerade die Benchmark auf der Bank. Nur: Sie ist jetzt bei dieser WM die einzige Frau. Ein Umstand, der die zweifache Mutter ziemlich stört.

"Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Trainerinnen geben wird", sagte sie, als sich mit dem Ausscheiden der südafrikanischen Nationaltrainerin Desiree Ellis ihre Sonderrolle ankündigte. In die WM starteten 20 männliche und zwölf weibliche Trainer. "Wir hoffen, dass das Gleichgewicht in Zukunft besser wird, und wir arbeiten daran, zumindest in England", versprach Wiegman. Bei der EM in ihrer Wahlheimat vor einem Jahr standen den zehn Männern sechs Frauen gegenüber; sie und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg duellierten sich im Finale von Wembley.

Nur sechs Prozent aller Uefa-Coaches sind Frauen

Laut der Europäischen Fußball-Union (Uefa) sind bislang nur sechs Prozent aller qualifizierten Trainer Frauen. Da fällt schon die Auswahl geringer aus.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bis auf Pionier Gero Bisanz und Übergangslösung Horst Hrubesch stets auf Frauen gesetzt. Heraus kamen unter Thina Theune-Meyer (2003) und Silvia Neid (2007) zwei Weltmeistertitel. Voss-Tecklenburg hat die Mission zum dritten Stern vermasselt, aber ihre Vita als Fußballlehrerin ist beispielhaft. Nur ist ihr Werdegang aus dieser Generation von ganz unten nach ganz oben die Ausnahme.

Der weibliche Mangel in diesem Job wirkt immer noch eklatant. Nicht so sehr im Breitenfußball, wo in einigen Landesverbänden schon zehn Prozent Frauen trainieren. Aber bereits bei der B-Lizenz sieht es dünn aus, sind nur drei von 100 Trainer-Absolventen Frauen. Wenn am 15. September der FC Bayern die neue Saison der Frauen-Bundesliga eröffnen, bringt der Gegner SC Freiburg mit Theresa Merk die einzige Cheftrainerin unter den zwölf Klubs mit.

Der DFB will seit längerem mehr Trainerinnen fördern. 

Die wohl bald aus dem DFB-Team zurücktretende Marina Hegering hat nicht nur die B+-Lizenz, sondern die 33-Jährige besitzt ab 2024 bereits einen Anschlussvertrag beim VfL Wolfsburg. "Sie bringt alle fachlichen und persönlichen Voraussetzungen mit, um auch als Trainerin erfolgreich zu arbeiten", sagt VfL-Direktor Ralf Kellermann. Es lohnt sich, gleich zu beginnen: Bevor Sarina Wiegmann beim niederländischen Verband nach ihrer Karriere mit 104 Länderspielen die U19-Juniorinnen übernahm, hatte sie schon als Sportlehrerin gearbeitet. Den richtigen Umgang mit einer Gruppe, sagte sie einmal, könne man nicht früh genug lernen.

 

 
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