zurück
München
Warum Brych als Schiedsrichter kein "Fingerspitzengefühl" walten lassen kann
Bei einer Schulung machen Schiedsrichter klar, warum der Video Assistent Referee Fehlentscheidungen nicht verhindert, aber trotzdem sinnvoll ist.
Diskussionsbedarf       -  Schiedsrichter Felix Brych im Zwiegespräch mit den beiden Italienern Marco Verratti (li.) und Federico Chiesa. Der Münchner ist einer der besten deutschen Schiedsrichter.
Foto: Laurence Griffiths/Pool Getty/AP, dpa | Schiedsrichter Felix Brych im Zwiegespräch mit den beiden Italienern Marco Verratti (li.) und Federico Chiesa. Der Münchner ist einer der besten deutschen Schiedsrichter.
Andrea Bogenreuther
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:21 Uhr

In keiner anderen Sportart in Deutschland wird so viel und gern über Schiedsrichterleistungen diskutiert wie im Fußball. Den oft hoch emotionalen wie manchmal auch respektlosen Äußerungen über vermeintliche Fehlentscheidungen halten die Referees dann nüchtern das Regelwerk entgegen. Der VAR (Video Assistant Referee) hat diese Situation nicht wirklich verbessert, sondern neue Themenfelder eröffnet. 

Um bei Medienschaffenden das Verständnis für die Fußball-Regeln zu schärfen sowie Schiedsrichter-Entscheidungen transparenter zu machen, lud der Verein Deutscher Sportjournalisten (VDS) gemeinsam mit der Sportlichen Leitung der Elite-Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erstmals nach der Corona-Pandemie wieder zur Veranstaltung "Schiedsrichter schulen Sportjournalisten". Zum 17. Mal organisiert vom ehemaligen VDS-Vorstandsmitglied Hans-Joachim Zwingmann. Diesmal in der Allianz-Arena in München.

Schiri-Boss räumt ein, dass Hinrunde nicht optimal gelaufen ist

Mit Lutz-Michael Fröhlich, dem Leiter der Elite-Schiedsrichter, sowie dem VAR-Projektleiter Dr. Jochen Dreesund Fifa-Schiedsrichter Dr. Felix Brych war ein hochklassiges Schiedsrichter-Trio zu Gast, das den rund 50 anwesenden Sportjournalisten und -journalistinnen nicht nur das Regelwerk anhand von ausgewählten Video-Spielszenen nahebrachte, sondern auch für jegliche Fragen Rede und Antwort stand. "Der Fußball ist es wert zu diskutieren und sich auszutauschen", sagte Lutz-Michael Fröhlich.

Er räumte auch gleich ein, dass die Bundesliga-Hinrunde aus Sicht der Schiedsrichter nicht optimal gelaufen war, "aber auch nicht so grottenschlecht, wie sie dargestellt wurde". Bei der WM in Katar sei beispielsweise bei 64 Partien prozentual in etwa die gleiche Menge an Fehlentscheidungen getroffen worden wie in den ersten drei deutschen Ligen mit ihren mehr als 1000 Partien. "Auch da lief nichts schlechter oder besser als bei uns", so Fröhlich. Der VAR schließe "den menschlichen Fehler" eben nicht gänzlich aus, trotzdem habe er dazu beigetragen, Fehlentscheidungen zu verringern.

Beim heutigen Hochgeschwindigkeits-Fußball sei der Kontakt mit dem VAR unverzichtbar, versicherten alle drei Referenten. "Und letztendlich behält immer der Schiedsrichter auf dem Feld die Oberhoheit über das Spiel. Er entscheidet. Nie der VAR", betonte Felix Brych. Der Münchner nutzte aber auch die Gelegenheit, anzumerken, wie "despektierlich" er es findet, dass bei unliebsamen Entscheidungen gerne behauptet werde, die VAR-Schiris seien wohl gerade beim Pizzaessen. "Als VAR-Schiri bin ich 90 Minuten damit beschäftigt, auf fünf Bildschirmen gleichzeitig Spielszenen zu checken. Wir überprüfen auch die vermeintlich klaren Sachverhalte. Das ist Dauerfeuer und erfordert eine maximale Konzentrationsleistung", machte der Weltschiedsrichter von 2017 und 2021 klar, dass der Video-Keller nicht nur bei strittigen Szenen angefunkt wird. Jede Bundesligapartie werde dort in Echtzeit über die komplette Spielzeit begleitet und analysiert – und später auch nachbereitet. 

Hat sich der Schiedsrichter bei Rudelbildung oder Zeitverzögerung zu lange Zeit gelassen mit der Gelben Karte? Hat er die richtige Entscheidung getroffen bei Handspiel, Abseits oder Foul? Bei den gezeigten Szenen waren die Meinungen der Medienschaffenden vielfältig. Nicht immer richtig, dafür heiß diskutiert. Ein Schmunzeln bei den Referenten, als das Wort „Fingerspitzengefühl“ fiel. Für einen guten Schiri sei das keine Option, waren sich Drees, Fröhlich und Brych einig, die Entscheidungen müssten auf Fakten beruhen. Gerade Unsportlichkeiten wie Rudelbildung gelte es schnell und diskussionslos zu unterbinden. "Wir müssen uns schützen und schauen, dass der Spielfluss erhalten bleibt“, sagte Brych. Das Anlaufen einer halben Mannschaft auf den Schiri müsse ohne Zögern unterbunden werden – selbst ein Kapitän habe da keine Sonderrechte, stellte Brych klar. "Da hat auch Sergio Ramos von mir schon eine Gelbe Karte bekommen.“ 

Brych: Am besten, keiner will etwas von mir

Nach zweieinhalb Stunden waren die Regelauslegungen bei so manch strittiger Szene verständlicher und nachvollziehbarer geworden. Bedauert wurde deshalb, dass solche Begründungen den Stadionzuschauern vorenthalten werden, weil Einblendungen solcher Szenen samt Erklärungen in Deutschland derzeit nicht machbar sind. 

Die Schiedsrichter würden aber ohnehin jene Spiele am meisten schätzen, bei denen sie im Hintergrund bleiben können, wie Brych zum Abschluss anmerkte: "Am besten ist es, wenn ich ein Spiel beendet habe und keiner will mehr etwas von mir.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Assistenten
Deutscher Fußball-Bund
FIFA
Schiedsrichter
Schulungen
Sergio Ramos
Videos
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen