Oliver Ruhnert ist eher kein Mann für die englische Premier League. Zumindest nicht für den FC Chelsea. Von Bedenkenträgern halten sie nicht viel beim Tabellenzehnten. Zumindest nicht in finanzieller Hinsicht. Bei Thomas Tuchel hatten sie ja schon Bedenken, ob der Mann, der die Mannschaft zum Sieg in der Champions League geführt hat, noch gut genug ist für das Team. Er war es nicht, weshalb der Klub während der Saison Graham Potter für 17 Millionen Euro aus Brighton holte. Im Nachhinein: ein Schnäppchen. Verglichen mit den Transfers, die Chelsea in der Winterpause stemmte.
Zuletzt schlugen die Londoner bei Enzo Fernández zu, den sie mit viel Überredungskunst und dem Versprechen, 121 Millionen Euro zu überweisen, von Benfica Lissabon loseisen konnten. Dort hatte er zuvor immerhin schon ein halbes Jahr gespielt. Womit der Bogen zu Ruhnert geschlagen ist, der bislang eben genau nicht den Eindruck gemacht hat, als Manager Union Berlins den Erfolg des Hauptstadtklubs auf nur schwer refinanzierbaren Transfers aufzubauen.
Winter-Transfers: Die Berliner Grenzen sind nicht Iscos Grenzen
Chelseas Eigentümer Todd Boehly hätte Ruhnert gewiss seiner Aufgaben entbunden, wenn er sich in Londonähnlicher lachhafter Bedenken hingegeben hätte, wie er es in Berlin tat. Da ließ der 51-Jährige den Wechsel von SpaniensEx-Nationalspieler Isco aus einem reichlich profanen Grund platzen : "Wir hätten Isco gerne bei uns gesehen, aber wir haben unsere Grenzen." Aus Sicht der Unioner hatte die Isco-Seite nach dem bereits bestandenen medizinischen Test neue Forderungen erhoben, denen man nicht folgen wollte. Die Berater des Mittelfeldspielers wiederum lancierten Meldungen, wonach Union nicht bereit gewesen wäre, sich an getroffene Absprachen zu halten. Alles freilich nichts, was nicht im Stile Chelseas auszuräumen gewesen wäre. So aber muss die Bundesliga auf diese Attraktion verzichten. An anderer Stelle ist sie möglicherweise zu finden.
Überraschenderweise hat sich erneut der FC Augsburg in Position gebracht für das Überraschungsteam in der Wintertransfer-Zeit. Im vergangenen Jahr versuchten sich die Schwaben durch die 15-Millionen-Euro-Verpflichtung von Ricardo Pepi, den amerikanischen Markt und die gegnerischen Strafräume zu erschließen. Beides misslang. In der diesjährigen Ausgabe versuchten sich die Augsburger als Heavy User auf dem Schnäppchenmarkt. Sieben Zugänge, fünf Abgänge. Top Shopper. Gerne wieder!
Gerne hätte sich die Berliner Hertha ein Beispiel an den Augsburgern genommen. An den letzten Tagen des geöffneten Transferfensters standen dem Vernehmen nach Rechtsaußen Gauthier Hein aus Auxerre und Wolfsburgs Offensivmann Maximilian Philipp kurz vor einem Wechsel. Hein hatte bereits den Medizin-Check absolviert - das darf fortan aber in Berlin nicht mehr als untrügliches Zeichen für einen Transfer gelten. Möglicherweise ist es auch gar nicht so geschickt, kurz vor Torschluss den Geschäftsführer zu entlassen. Fredi Bobic dürfte es zumindest interessiert verfolgt haben, dass auch die gehandelten Selim Amallah, Jannik Vestergaard und Josuha Guilavogui letztlich nicht zur Hertha wechselten.
Maximilian Philipp beispielsweise schloss sich stattdessen Werder Bremen an, was zumindest insofern bemerkenswert ist, als der Klub mit Niclas Füllkrug auf den besten Torschützen der Bundesliga zurückgreifen kann, mit 37 Gegentreffern aber die drittschlechteste Abwehr der Liga stellt. Der Bremer Weg ist seit jeher ein eher offensiver. Das haben die Hanseaten mit Philipp Max gemein, dem ja auch deswegen keine ausdauernde Nationalmannschafts-Karriere vergönnt war, weil er für einen Linksverteidiger offensiv vorzüglich agierte - sein Kernarbeitsfeld aber mitunter vernachlässigte. Weil die Frankfurter Eintracht aber zuletzt den rechtsfüßigen Angreifer Ansgar Knauff auf der linken Bahn zweckentfremdete, entschloss sie sich kurzfristig, Max aus Eindhoven als zusätzliche Alternative auszuleihen. Viel hilft viel.
Weiß man auch seit jeher beim FC Bayern, wo man zuletzt dadurch auffiel, mit Joao Cancelo einen Rechtsverteidiger von Weltformat auszuleihen. Auf der gleichen Position kann Julian Nagelsmann zudem noch auf den französischen 2018er Weltmeister Benjamin Pavard, Marokkos WM-Überraschung Noussair Mazraoui (fehlt derzeit wegen einer Herzbeutel-Entzündung) und den kroatischen Nationalspieler Josip Stanisic zurückgreifen. Marcel Sabitzer hingegen hat sich dem Münchner Konkurrenzkampf entzogen. Der Mittelfeldspieler ließ sich für ein halbes Jahr an Manchester United ausleihen. Zu jenem Verein also, der sich kurz vor Weihnachten freiwillig von Cristiano Ronaldo getrennt hat. Rund 200 Millionen Euro soll er in Saudi-Arabien pro Jahr verdienen. Nicht nur Oliver Ruhnert dürfte dabei schwindlig werden.