Marko Grgic hatte in den vergangenen Tagen viele Namen. Senkrechtstarter, Grünschnabel, Juwel. Den passendsten Titel bekam der Überraschungsmann im Olympia-Aufgebot der deutschen Handballer aber von Nationalmannschaftskollege Andreas Wolff verpasst. „Ich habe ihn liebevoll Frechdachs getauft, weil er trotz seiner Jugend schon sehr viel Abgezocktheit und sehr viel Spielwitz besitzt”, sagte der DHB-Torhüter über den jüngsten und unerfahrensten Teilnehmer der Handball-Klassenfahrt nach Frankreich.
Selbst viele Experten staunten nicht schlecht, als Bundestrainer Alfred Gislason bei der Bekanntgabe des Olympia-Aufgebots plötzlich Grgic präsentierte. Hatte der Rückraumspieler vom ThSV Eisenach doch erst im Mai sein Debüt im Nationaltrikot gegeben. Und jetzt schon die große Olympia-Bühne? „Marko hat eine Leistung im Verein gebracht, die sehr überzeugend war. Kein anderer Rückraum-Linker hat sich vor ihm gezeigt”, begründete Gislason seine Nominierung.
„Etwas, was uns bisschen gefehlt hat”
Die Entscheidung ist inzwischen ein paar Wochen her und der Isländer dürfte sich mehr als bestätigt fühlen. Grgic liefert und empfiehlt sich für viele Einsatzminuten beim kniffligen Olympia-Auftakt am Samstag gegen den EM-Dritten Schweden.
Beim mühelosen Testspiel-Sieg gegen Vorrundengegner Japan steuerte der Jungstar am Sonntag drei Tore bei. Vielmehr ist es aber sein reifes Auftreten, das beeindruckt. Als der Shootingstar vor über 5.000 Zuschauern in Stuttgart erstmals das Parkett betrat, scannte er akribisch seine Umgebung. Dann folgten klare Anweisungen an seine deutlich älteren und routinierteren Teamkollegen. Niemand widersprach. Grgic wirkt, als wäre er schon perfekt integriert.
„Er ist sehr reif für sein Alter und beobachtet das Spiel gut, macht sich nicht allzu viel Kopf und keinen Stress. Er ist im Angriff ein Spieler, der sehr weit ist in seinem Alter. Er bringt etwas, was uns ein bisschen gefehlt hat”, sagte Gislason über seinen Schützling, der gerade erst seine Premierensaison in der Bundesliga hinter sich hat. Nebenbei absolviert Grgic übrigens noch eine Ausbildung zum Bankkaufmann.
Der Welpenschutz ist vorbei
Mit seiner Rolle als Hoffnungsträger hat er sich längst angefreundet. Wohl wissend, dass die Schlagzeilen nicht immer so positiv ausfallen wie aktuell. „Der Welpenschutz ist vorbei, jetzt bin ich gezwungen, 120 Prozent zu geben”, kündigte der DHB-Neuling verheißungsvoll an.
Sein Talent erklärt der 1,98 Meter große Handball-Hüne ganz trocken. „Ich hab's einfach im Blut”. Nervosität? Fehlanzeige. Beim Siebenmeter gegen Japan schnappte sich Grgic völlig selbstverständlich den Ball - und verwandelte. „Das habe ich alles aus meiner Handballer-Familie. Vielleicht bin ich nicht so wie andere 20-Jährige. Ich bin etwas ruhiger, nicht so emotional geladen”, beschrieb Grgic seinen Charakter. Sein Vater Danijel war selbst Handball-Profi, spielte für die kroatische Nationalmannschaft und ebenfalls für Eisenach.
Sein Sohn betritt bei Olympia nun die größte Sportbühne überhaupt. Die Ansprüche des 20-Jährigen sind nicht kleiner. „Am liebsten würde ich Olympiasieger werden”, sagte Grgic, als wäre es das Normalste der Welt. Der Weg dahin ist schwer. Nach dem Auftakt gegen Schweden trifft das DHB-Team im Kampf um das Viertelfinale auf Japan, Spanien, Kroatien und Slowenien.