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München
Abschied von Franz Beckenbauer: "Wir hatten das Glück, eine Kaiser-Zeit zu erleben"
Zur Trauerfeier in der AllianzArena kommen 30.000 Menschen. Uli Hoeneß richtet emotionale Worte an seinen Freund. Selbst der Papst lässt Grüße ausrichten.
Gedenkfeier für Franz Beckenbauer.jpeg       -  Die ehemaligen Fußballprofis Karl-Heinz Rummenigge, Wolfgang Overath, Lothar Matthäus, Günter Netzer, Karl-Heinz 'Charly' Körbel und Bastian Schweinsteiger trauern im Mittelkreis der Rasens um Franz Beckenbauer.
Foto: Sven Hoppe, dpa | Die ehemaligen Fußballprofis Karl-Heinz Rummenigge, Wolfgang Overath, Lothar Matthäus, Günter Netzer, Karl-Heinz "Charly" Körbel und Bastian Schweinsteiger trauern im Mittelkreis der Rasens um Franz Beckenbauer.
Florian Eisele
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:23 Uhr

Und dann wird es bei Uli Hoeneß doch noch richtig emotional. "Lieber Franz, jetzt bist du zwölf Tage tot. Um ehrlich zu sein, du fehlst mir sehr. Ruhe in Frieden – den Frieden, den du leider in den letzten Jahren nicht genießen konntest." Bei den letzten Worten von Hoeneß in Richtung seines verstorbenen Freundes werden viele Taschentücher gezückt. Zuvor hat er vom Schalk des Kaisers berichtet, dem alles zu glücken schien. Der Meister, Weltmeister, Lichtgestalt war. Dem bei der WM 2006 sein Meisterstück gelang. Und der nun fehlt. Während Hoeneß bei der Gedenkfeier spricht, liegt ein riesiges Banner von Franz Beckenbauer auf dem Mittelkreis. Es ist ein Bild mit Symbolcharakter: Die Trauer um Beckenbauer überlagert alles beim FC Bayern. 

Das Bild zeigt den jungen Kaiser in der Blüte seiner Jahre, als er den FC Bayern und die Nationalmannschaft von Titel zu Titel führte. Insgesamt sind es 28 Kränze, die von Delegationen aus der ganzen Welt nach München gebracht worden sind. Der FC Barcelona ist an diesem Freitag mit einer Abordnung gekommen, Real Madrid ebenso und eigentlich sowieso alles, was Rang und Namen im deutschen Fußball hat. Außerdem: der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Bundestrainer, Boris Becker. Und Kardinal Reinhard Marx überbringt das Mitgefühl von Papst Franziskus aus Rom. Der Tölzer Knabenchor singt die Vereinshymne "Stern des Südens" und "Fußball ist unser Leben" und, klar: "Gute Freunde". Auf der Nordtribüne hat der FC Bayern ein riesiges Podest aufgebaut, auf dem "Spieler – Kaiser – Mensch FRANZ" zu lesen ist.

Uli Hoeneß sagt: "Ohne diese WM, die Franz uns gebracht hat, wäre dieses Stadion niemals gebaut worden"

Ohnehin, diese Arena: "Ohne diese WM, die Franz uns gebracht hat, wäre dieses Stadion niemals gebaut worden." Hoeneß wünscht sich das Gefühl von der WM 2006 zurück: "Wer weiß noch, wie viele Tausende mit der schwarz-rot-goldenen Fahne durch die Straßen gefahren sind, weil sie stolz waren. Da müssen wir wieder hinkommen. Aber ich möchte ganz klar betonen, dass ich bei diesem Prozess nicht die AfD dabeihaben will."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt Beckenbauer als den "sprichwörtlichen freien Mann", der weit mehr als nur ein Fußballer war: "Er hat sich um unser Land verdient gemacht, war der beliebteste Botschafter unseres Landes. Und er hat uns Deutschen ein freundliches Gesicht geschenkt – mit dem Sommermärchen." Ministerpräsident Markus Söder nennt ihn "eine zeitlose Ikone", dessen "Erfolg als Mensch besonders beeindruckend war". Auch die Misstöne zum Ende seines Lebens hin werden das nicht ändern: "Mag der ein oder andere von Schatten reden – das Licht von Franz Beckenbauer strahlt hell."

Der größte deutsche Fußballer bekommt den größten Abschied, den in Deutschland jemals ein Fußballer bekommen hat. Und natürlich herrscht Kaiser-Wetter. Statt grauem Matschwetter bricht die Sonne durch die Wolken. Kann schon sein, dass wegen der Schneemassen das Bundesligaspiel zwischen Mainz und Union Berlin abgesagt werden muss – wenn das Servus für den Kaiser ansteht, hat gutes Wetter zu sein.

Auch die Mannschaft des FC Bayern ist aus dem Kurz-Trainingslager aus Portugal gekommen. An der Algarve bereitete sich das Team auf die Rückrunde vor. Das Gedenken an den Kaiser begleitete die Mannschaft aber auch an der Atlantikküste. Schon das Bundesliga-Spiel gegen Hoffenheim vor einer Woche war geprägt von der tiefen Trauer um Beckenbauer. Thomas Müller sagte danach: "Man hat großen Respekt vor dem Drumherum, das gerade herrscht. Jeder auf diesem Planeten hat Beckenbauer gewürdigt. Und ich weiß nicht, wie der FC Bayern aussehen würde ohne ihn und seine Generation." Es sei nicht einfach, die richtigen Worte zu finden, sagte Müller und fand sie dann doch: "Der Franz hat es auch für uns gemacht."

Franz Beckenbauer scheint viele Menschen berührt zu haben

Bemerkenswert war, wie vielen vermeintlich abgezockten Protagonisten des Fußball-Geschäfts die Stimme versagte, als es um Beckenbauer ging. Der ehemalige Bayern-Kapitän Stefan Effenberg, der sonst nicht im Verdacht steht, nah am Wasser gebaut zu sein, verließ unter Tränen den Fußball-Talk "Doppelpass", als es um Beckenbauer ging. Uli Köhler, Reporter-Urgestein des TV-Senders Sky, blieb bei anderer Gelegenheit zwar sitzen, musste aber auch zum Taschentuch greifen. Freiburgs Trainer Christian Streich verlor bei der Trauerminute vor dem Bundesligaspiel die Fassung.

Beckenbauer, der sich so elegant durch die Welt franzelte wie vorher und nachher keiner mehr, scheint viele Leute tief berührt zu haben. Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der auch da ist, sagte dem Spiegel, dass er Beckenbauer "immer bewundert" habe. "Er hat mich menschlich beeindruckt und wusste um seinen Wert, aber ich hatte auch immer den Eindruck, dass er sich irgendwie eine Bescheidenheit bewahrt hatte". Während Schröder, auf dem Platz "Acker" genannt, seine Gegner auf dem Rasen und der Politik "niedergemacht" habe, spielte Beckenbauer mit ihnen. Nur zum Ende verließ ihn diese Leichtigkeit, der Tod seines Sohnes Stefan mit 46 Jahren und die Vorwürfe rund um das Sommermärchen belasteten ihn. "Seinen Sohn zu verlieren, war der größte Genickschlag von allen", sagte sein langjähriger Manager und Freund Marcus Höfl.

Auch in der Arena trocknen sich einige die feuchten Augen ab, als die ersten Filme mit Beckenbauer abgespielt werden. Rund 30.000 Fans sind an diesem Tag ins Stadion gekommen. Einer von ihnen ist Rudi Tausend, der langjährige Präsident des FC-Bayern-Fanklubs "Red White Glammhogga" aus Gablingen im Kreis Augsburg. Mit insgesamt 14 Leuten sind die Glammhogga angereist. Für Tausend eine Selbstverständlichkeit: "Ich bin 76, also in etwa dasselbe Alter wie Beckenbauer. Ich bin mit ihm aufgewachsen, meine fußballerische Geschichte ist eng mit ihm verbunden. Und so einen wie ihn wird es nicht mehr geben. Er ist bei allem Erfolg immer Mensch geblieben."

Bayern-Präsident Hainer sagt: "Du bleibst auf alle Zeiten bei uns im Spiel und in unseren Herzen."

Sein Sohn Manuel Tausend, der mittlerweile den Fanklub führt, kann das bezeugen."Als Mitte der 90er-Jahre der FC Bayern zu Gast in Augsburg war, habe ich mit ein paar Freunden am Bayern-Bus gewartet." Autogramme sammeln und so. Was man als Zehnjähriger eben so macht, wenn der Lieblingsklub kommt. Als Beckenbauer kam und die Buben sah, wurde daraus mehr. "Er hat gesagt, dass wir doch in den Mannschaftsbus mitkommen sollen. Da haben wir dann Fotos mit ihm und Uli Hoeneß gemacht, das war für uns das Größte."

Für Herbert Hainer, den Präsidenten des FC Bayern, wurde die "Welt mit seinem Abschied dunkel. Er wird uns fehlen, als Persönlichkeit und Mensch". Das Gedenken an ihn soll fortbestehen: "Wir hatten das Glück, eine Kaiser-Zeit erleben zu dürfen. Nun ist es an uns, seine Geschichte fortzuschreiben. Der FC Bayern wird immer ein Kaiser-Reich bleiben. Die Welt hat zu ihm heraufgeschaut, doch er hat nie herabgeschaut." Nun habe er in München seine letzte Ruhestätte gefunden: "Hier wird Franz Beckenbauer für immer zu Hause sein. Ruhe in Frieden. Du bleibst auf alle Zeiten bei uns im Spiel und in unseren Herzen."

 
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