Pernille Harder hat schon an ihrem ersten Tag an der Grünwalder Straße das verinnerlicht, was beim FC Bayern München ins Wanken geraten ist. Kaum hatte sie ihre Unterschrift unter den neuen Profivertrag gesetzt, rief die dänische Rekordstürmerin den Fans auf Bairisch das Vereinsmotto in Erinnerung: "Mia san mia!" Interessanterweise ist "mia" auf Dänisch die Abkürzung für "Milliarde". Der Männer-Kader des FCB ist zwar fast eine Milliarde wert, das viel beschworene Münchner Zusammengehörigkeitsgefühl ließ er zuletzt bekanntlich oft vermissen.
Ähnlich knapp wie die Herren hatte auch das Frauenteam des Rekordmeisters dieses Jahr seinen fünften Titel geholt, allerdings mit deutlich weniger Störgeräuschen. In der Saison 2023/2024 ist die Meisterschaft wieder das erklärte Ziel der Frauen – und mit der 30-jährigen Pernille Harder haben sie eine der besten Offensivspielerinnen der Welt verpflichtet. Sie kommt nicht allein: Auch die schwedische Defensivexpertin Magdalena Eriksson, Harders Lebensgefährtin, hat beim FC Bayerneinen Profivertrag bis 2026 unterschrieben. Zuvor standen beide beim FC Chelsea auf dem Platz, holten mit den Blues die englische Meisterschaft und den FA Women's Cup.
Harder und Eriksson sind es gewohnt, zusammenzuspielen – privat seit 2014, auf dem Fußballplatz schon zweimal im selben Team: 2016 hatten sie mit Linköpings FC die schwedische Meisterschaft gewonnen, 2020 folgte Harder ihrer Freundin nach London.
Die Bundesliga kennt sie aus ihrer Zeit beim VfL Wolfsburg: Viermal schoss Harder die Wölfinnen zwischen 2017 und 2020 zur Meisterschaft und zum Pokalsieg. Bei ihrem Wechsel nach London war sie mit 330.000 Euro Ablöse die bis dahin teuerste Fußballspielerin der Welt. Zum FC Bayern kommen beide Spielerinnen ablösefrei.
Der Abschied vom FC Chelsea war tränenreich, besonders für Magdalena Eriksson. Vier Jahre lang war sie Kapitänin der Blues. Als sie Mitte Mai im Stadion Kingsmeadow mit seinen 4800 Plätzen das gerahmte Trikot mit der Nummer 16 überreicht bekam, versagte der 29-Jährigen die Stimme. "Ich liebe euch", sagte sie in Richtung der Fans, "und ich möchte euch für alles Danke sagen." Gut, dass ihre Freundin in diesem Moment neben ihr stand, sich das Mikrofon schnappen und die Abschiedsworte vollenden konnte. Seit der Zeit bei Chelsea gibt es die beiden nur im Doppelpack. "Es bedeutet mir viel, das wir gemeinsam hierherziehen und zusammenbleiben können", so Harder in München, "wir hatten schon eine Fernbeziehung, das wollen wir nicht noch einmal."
Neben dem Platz setzen sich Harder und Eriksson für LGBTIQ-Rechte ein
Die Sportliche Leiterin der FCB-Frauen, Bianca Rech, ist überzeugt, dass diese beiden im Spiel der Münchnerinnen "den Unterschied machen" können. Auch neben dem Platz seien Harder und Eriksson "unglaubliche Persönlichkeiten". Wer ihnen auf Instagram folgt, weiß um ihr Engagement für LGBTIQ-Rechte. Ganz nebenbei fließen ihre Überzeugungen in die Posts mit ein, Eriksson trägt sie als Tattoo auf der Schulter. "Wir sind alle Menschen, und wir sollten niemanden verurteilen", steht da auf Schwedisch. Unter ihren Followern ist das weltberühmte britische Topmodel Cara Delevingne, selbst queere Aktivistin. Neben dem Platz hat der Boulevard die beiden längst für sich entdeckt, doch das Paar lässt sich nur selten auf Werbedeals und Fotoshootings ein: 2022 waren sie auf dem Cover der Modezeitschrift Elle – in pinken Tüllröcken und Hoodies. Seit 2022 moderieren sie für Sky Sports die Talksendung "The Hangout". Fußballstars wie Megan Rapinoe sprechen darin von ihren Erfahrungen als queere Sportlerinnen.
In der Bundesliga wollen sich beide auch individuell weiterentwickeln. "Die deutsche Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft vergangenen Sommer spielen zu sehen, zeigt, wie die Bundesliga sich entwickelt", sagt Harder im Willkommensvideo auf dem Youtube-Kanal der Bayern. "Ich bin gespannt darauf, zurück in der Liga zu sein." Ihre Lebensgefährtin hat noch keine Erfahrung mit der Bundesliga. Im europäischen Fußball ist sie jedoch ein Star, war nominiert für den Ballon d'Or 2021 und wurde im selben Jahr in die Frauen-Weltelf gewählt. Sie selbst führt das auf ihren Hunger nach Siegen zurück: "Eins meiner größten Talente als Fußballspielerin ist, dass ich immer schon diesen Drang hatte, mich stetig zu verbessern", sagt Eriksson im Video. "Eine neue Herausforderung anzunehmen, macht mich nur noch hungriger auf den Erfolg und darauf, weiterzulernen." Bescheiden kann sie aber auch: "In eine neue Fußballkultur und ein neues Team zu kommen, das macht mich demütig."