Mit diesem Gefühl gingen die Bayern-Spieler schon lange nicht mehr aus einem Spiel. Genau genommen, hatten sie sich so nicht mehr gefühlt, seit ThomasTuchel das Amt des Cheftrainers übernommen hat. Erstmals unter ihrem Coach verließen die Münchner das Feld mit dem Wissen, ihren Gegner über die komplette Spielzeit dominiert zu haben. Ein souveräner Auftritt wird das im Sport-Jargon genannt. Selbstverständlich hatten die Bayern auch das erste Spiel unter Tuchel recht souverän gestaltet. Die Älteren werden sich noch an das 4:2 gegen Dortmund am 1. April erinnern. Doch hätte Gregor Kobel nicht auf absurde Art und Weise über den Ball geschlagen ... Nach dem Spiel gegen den FC Schalke waren Fragen nach Hätte, Wenn und Aber unangebracht.
Die Münchner entledigten sich ihrer Aufgabe, die ja gegen den Tabellen-15. unter dem Begriff "Pflichtaufgabe" firmiert, auf äußert souveräne Art und Weise. Mit dem 6:0-Erfolg festigten die Münchner nicht nur die Tabellenführung, sondern setzten auch noch den Verfolger aus Dortmund für kurze Zeit unter zusätzlichen Druck. Schließlich spielte der BVB erst im Anschluss an die Münchner gegen Borussia Mönchengladbach, ließ sich aber eine mögliche Last des Gewinnenmüssens nicht anmerken.
Dem FC Bayern fehlte es an Selbstsicherheit
Tuchel kann für sich geltend machen, dass er die für Münchner Verhältnisse ärgerlich langen Trainingsphasen gewinnbringend genutzt hat. Viel lieber als taktische Abläufe einzuüben, regenerieren die Bayern im April und Mai zwischen den einzelnen Partien. Nach ihrem Selbstverständnis nämlich stehen dank Pokal- und Champions-League-Spielen alle drei Tage Partien an. Die Münchner aber scheiterten frühzeitig in beiden Wettbewerben, was den unangenehmen Effekt hatte, Selbstzweifeln nachzuhängen. So fehlte es dem Team in den vergangenen Wochen deutlich an Selbstsicherheit.
Gegen Schalke nun präsentierte sich der FC Bayern erstmalig wieder mit jener Dominanz, die im vergangenen Jahrzehnt für allerlei Langeweile an der Tabellenspitze gesorgt hatte. Nach einigen guten Torchancen schloss Thomas Müller nach 21 Minuten eine schöne Kombination über Leroy Sané und Jamal Musiala zur überfälligen Führung mit einem überlegten Linksschuss ab. Jener Müller, der in den vergangenen Spielen vornehmlich auf der Bank Platz nahm, weshalb der Boulevard schon glaubte, der Ur-Bayer könne sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, das schöne Bayernland zu verlassen.
Den Münchnern kam wohl auch zupass, dass Schalkes Trainer Thomas Reis eine leicht angestaubte Taktik wählte. So ließ er durch Danny Latza, Alex Kral und Tom Krauß das Münchner Mittelfeld-Trio Müller, Musiala, Kimmich in Manndeckung nehmen. Die Bayern zogen durch ihre weitflächigen Laufwege die Schalker über das ganze Feld und schufen so Räume, die immer wieder sehenswert bespielt wurden. Das zweite Tor allerdings fiel nach einem Foulelfmeter. Zwar musste Schiedsrichter Robert Hartmann erst die Videobilder bemühen, um das Foulspiel von Cedric Brunner an Musiala zu ahnden, das änderte freilich nichts an der Berechtigung des Strafstoßes, den Kimmich verwandelte.
Serge Gnabry trifft in der zweiten Halbzeit doppelt
Mögliche letzte Zweifel am Münchner Sieg beseitigte Serge Gnabry fünf Minuten nach der Halbzeitpause. Joao Cancelo servierte ihm den Ball nach feinem Dribbling, Gnabry vollendete. Und weil das Selbstverständnis ja nun mal zurückerlangt scheint, ließ sich der Münchner Stürmer auch die Chance in der 65. Minute nicht nehmen. Er strebte von der Mittellinie allein auf Keeper Alexander Schwolow zu, umkurvte ihn und schob ein. Eine Leichtigkeit, wenn es läuft. Das ist die schlechte Nachricht für Borussia Dortmund. Es scheint wieder zu laufen in München. Der eingewechselte Mathys Tel nach feinem Pass von Musiala (80.) und Noussair Mazraoui in der Nachspielzeit sorgten schließlich für den Endstand.
Gewinnen die Münchner auch die kommenden Spiele gegen Leipzig und in Köln, ist die nächste Meisterschaft sicher. Das Gefühl wiederum kennen die Münchner nur allzu gut.