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München
Auf der Suche nach einem Sechser: Die Guidobuchwaldisierung im Mittelfeld
Die Münchner wollen einen Spieler, den der aktuelle Kader nicht hergibt - weil wieder Spezialisten statt Hybride gefragt sind. Das könnte teuer werden.
In der Neuauflage des Endspiels von 1986 musste sich Maradona 1990 in Rom dem DFB-Team mit Gegenspieler Guido Buchwald geschlagen geben. Foto: picture alliance / dpa       -  Guido Buchwald meldete Diego Maradona im Finale der WM 1990 ab. Auftrag ausgeführt.
Foto: Frank Leonhardt, dpa | Guido Buchwald meldete Diego Maradona im Finale der WM 1990 ab. Auftrag ausgeführt.
Tilmann Mehl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:41 Uhr

Es kommt eben doch alles wieder. Modisch ja eh. Musikalisch sowieso, beziehungsweise war ja da niemals so etwas ganz weg, schließlich spielen die Radiosender schon seit 40 Jahren das Beste der 80er, 90er und von heute. Neuerdings hat die Retro-Welle auch den Fußball ergriffen. 

Da waren lange Zeit Hybrid-Lösungen das heiße Ding. Stürmer waren nicht einfach mehr klobige Mannsbilder, die die Neun auf dem Rücken tragen, sich fieser Tritte der Vorstopper erwehren und bei Gelegenheit den Ball ins Tor stolpern. Stürmer entwickelten sich zu Hybriden. Ein bisschen hängende Spitze, ein wenig falsche Neun, dazu noch erste Linie des Verteidigungsbündnisses. Das ging so lange gut, bis in Deutschland auffiel, dass das primäre Ziel des Spiels darin besteht, den Ball ins gegnerische Tor zu schießen. Fachkräftemangel allenthalben, weshalb Spezialisten für teuer Geld aus dem Ausland angeworben werden müssen, wie beispielsweise der Engländer Harry Kane

Thomas Tuchel will einen Spieler ohne großen Offensivdrang

Nun hat aber der Münchner Trainer Thomas Tuchel erkannt, dass ihm nicht nur ein Experte in der vordersten Reihe fehlt, sondern auch noch im Mittelfeld. Diese Erkenntnis kam für die Transfer-Verantwortlichen der Bayern reichlich überraschend, dachten sie doch, mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und der Neuerwerbung Konrad Laimer ihrem Coach reichlich Personal für den zentralen Bereich zur Verfügung gestellt zu haben.

Tuchels Ansicht nach aber handelt es sich dabei um allerlei bauähnliche Spieler, denen es an einer wichtigen Fähigkeit fehle: Gleichmut. Zuletzt stellte er fest, "dass wir drei sehr ähnliche Spielertypen haben, die mobil sind, die gerne auf die Acht gehen, die gerne Box-to-Box spielen würden." Allesamt hätten sie also viel Bewegungsdrang und würden am liebsten an beiden Enden des Spielfelds eingreifen. So wurden sie auch ausgebildet. Aber auch hier sucht Tuchel nach einem echten Experten. Einen, der die Offensivspieler Offensivzeug machen lässt und sich auf seine Basisaufgabe konzentriert, die darin besteht, die gegnerischen Angriffe zu stoppen. Es ist die Guidobuchwaldisierung im Mittelfeld.

Früher waren derartige Typen als "Staubsauger" bekannt, Dieter Eilts darf als Parade-Modell gelten. Dem Gegner den Ball wegnehmen und dann rasch einem der eigenen offensiven Spieler zuführen. Später sagte man nicht mehr Staubsauger oder auch Mittelstürmer. Spieler wurden zu Nummern. Sechser, Achter, falsche und richtige Neuner. Das aber reicht nun auch nicht mehr. In Foren, auf Social Media und überall, wo sonst noch vermeintliche Experten über das einstmals so simple Spiel debattieren, ist zu lesen, dass Tuchel auf der Suche nach einer "Holding Six" ist. Einem Sechser also, der konsequent seine Position hält. Interessanterweise traut der Bayern-Coach dieses reduzierte Aufgabenfeld offenbar keinem seiner Spieler zu.

Vergangenes Jahr war Palhinha noch für 20 Millionen Euro zu haben

Den Gerüchten zufolge sollen die Münchner deswegen an einer Verpflichtung des Portugiesen Joao Palhinha interessiert sein. Der wechselte vor einer Saison für 20 Millionen Euro von Sporting Lissabon zum FC Fulham. Nun sollen die Briten etwa 70 Millionen Euro für den 28-Jährigen verlangen. Am Freitag müssen sich die Münchner entschieden haben, ob sie den Forderungen nachkommen, dann nämlich schließt das Transferfenster. 

Die bisherige Wechselperiode gestalteten die Bayern durchaus interessant. Dass für den abwanderungswilligen Lucas Hernández aus Neapel Min-jae Kim als Innenverteidiger verpflichtet wurde, wirkt vernünftig. Auch der Kauf von Harry Kane als echter Neuner (der aber auch noch mit der Kugel umgehen kann) ist bei allen irrationalen Zahlungen den Realitäten immerhin angepasster Wahnsinn. Sprich: Notwendigkeit. Dass es Benjamin Pavard in die Ferne zog, war bekannt.

Ist das perspektivische Kaderplanung?

Dass ihn die Münchner schließlich für 30 Millionen Euro zu Inter Mailand ziehen ließen, wirkt sich positiv auf Karma- und Festgeldkonto aus. Weshalb die Münchner zuvor aber Josip Stanisic gen Leverkusen entsandten, erschließt sich noch nicht in Gänze. Immerhin wollte der Kroate München gar nicht so recht verlassen und nun verfügt Tuchel in Noussair Mazraoui nur noch über einen Spieler, der als Spezialist auf der Position des Rechtsverteidigers gilt. 

Zwar hatten die Bayern sich schon früh um die Dienste Kyle Walkers bemüht, doch der entschloss sich schließlich doch dafür, noch weiter für den Champions-League-Sieger Manchester City aufzulaufen. Immerhin haben auch hier die Münchner noch ein paar Stunden Zeit, sich nach Alternativen umzutun.  Nach perspektivischer Kaderplanung schaut das aber nur bedingt aus. So wie früher, als die Münchner mit Vorliebe die Stars der Bundesliga-Konkurrenz wegkauften. Egal, ob Sechser, Neuner oder Vierer. Kommt eben alles wieder.

 
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