Kelvin Yeboah möchte seine Mütze auflassen. Es ist kalt in diesen Tagen in Augsburg, die Gefahr einer Erkältung ist groß. Der 22-Jährige kommt gerade vom Platz, entsprechend schwitzt er noch. Also lieber die Mütze auf dem Kopf lassen, auch wenn die Fotografen ein Bild ohne Kopfbedeckung bevorzugen würden und er mittlerweile in den Katakomben der Arena steht.
Yeboah ist seit gut zwei Wochen beim FC Augsburg. Er ist einer von sieben Neuzugängen in der Wintertransferperiode. Er kam vom italienischen Zweitligisten Genua CFC. Zunächst ist er bis zum Saisonende ausgeliehen, die Augsburger aber haben eine Kaufoption auf den Stürmer. Je häufiger er zum Einsatz kommt, desto geringer ist die Gebühr, die der FCA nach Italienüberweisen muss. In den ersten drei Spielen des neuen Jahres hatte Yeboah Kurzeinsätze, aber immerhin schon zwei Vorlagen zu Toren geliefert. Damit ist er erst einmal zufrieden. „Es ist okay bislang, aber ich will mehr. Als Stürmer will man immer Tore schießen. Ich habe aber keine feste Zahl als Ziel im Kopf", sagt er.
Anthony Yeboah ist ein wichtiger Ratgeber für seinen Neffen Kelvin Yeboah
Yeboah ist ehrgeizig. Er will es seinem bekannten Onkel gleichtun. Anthony Yeboah hat in der Bundesliga mit Frankfurt große Erfolge gefeiert. Für seinen Neffen ist der ehemalige Stürmer ein wichtiger Ratgeber. „Mit ihm habe ich lange vor dem Wechsel geredet, damit er mir bei der Entscheidung hilft. Er hat gesagt: Gehe nach Deutschland, das ist eine gute Liga“, erzählt der 22-Jährige. So oft es geht, schaut sich Anthony Yeboah die Spiele seines Neffen an. Danach reden sie häufig. "Er gibt mir viele Tipps", sagt Kelvin Yeboah.
Als er 2019 nach Graz in Österreich gewechselt war, kam es zu einem Missverständnis. Weil er seinen Onkel immer als Papa bezeichnet hat - wie es in Ghanaüblich ist - dachten viele Beobachter, dass Anthony tatsächlich sein Vater ist. Stimmt nicht, wie Kelvin Yeboah später aufklärte. Auch heute kann er noch über diese Verwechslung lachen. Kelvin Yeboah ist ein fröhlicher Mensch. Als er zum Interview erscheint, singt er. Er spricht gut deutsch, gelernt hat er es in Österreich. Manchmal fehlen ihm Worte, dann wechselt er ins Englische. "Ich muss mich wieder an deutsch gewöhnen. Aber der Fußball bleibt gleich“, sagt er. Neben Deutsch spricht er italienisch und englisch.
Bald steht die Entscheidung an: Italien oder Ghana?
Geboren wurde Yeboah in Ghana, seit er fünf Jahre alt ist, lebte er mit seinen Eltern in Italien. Sie wohnen noch immer dort, während sein Onkel Anthony zurück nach Ghana gezogen ist. Auch seine Großeltern leben in dem afrikanischen Land. Yeboah hat die italienische und ghanaische Staatsbürgerschaft und bereits für beide Länder Jugend-Länderspiele bestritten. Nun geht es darum, sich bald für eine Nation für mögliche künftige Länderspiele zu entscheiden. „Ich trage beide Kulturen in mir. Das ist eine sehr schwere Entscheidung", sagt der 22-Jährige.
Nach Augsburg zu wechseln fiel ihm dagegen leichter. Weil ihn die Verantwortlichen recht schnell überzeugt hatten. „Mir hat nach den Gesprächen der Plan vom Trainer gefallen. Ich habe ein gutes Gefühl mit dem FCA", sagt er über Enrico Maaßen, der bekannt dafür ist, gut mit jungen Spielern arbeiten zu können. Und davon hat er seit der Wintertransferperiode eine ganze Menge. „Wir haben viele gute Spieler, und viele sehr junge. Das ist ein Unterschied zu Genua, wo mehr ältere Spieler sind", sagt Yeboah. Hier spüre er dagegen mehr Energie auf dem Platz. Es sei immer sein Traum gewesen, in Deutschland zu spielen. "Ich habe die Bundesliga schon immer geschaut, auch wegen meines Onkels", sagt er. Nun ist er mittendrin und steht womöglich am Freitagabend (20.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen in der Startelf. Er könnte den gesperrten Ermedin Demirovic ersetzen. Maaßen jedenfalls ist von den Qualitäten des 22-Jährigen überzeugt. "Kelvin ist eine Frohnatur, viel am Lächeln und sehr viel im Kraftraum. Er hat eine sehr gute Qualität im Anlaufen und Pressing. In Ballbesitz sorgt er für viel Tiefe und schafft überraschende Situationen durch sein Tempo", sagt der FCA-Traine. Elemente, die so im FCA-Spiel noch gefehlt hatten.
Die Spielweise des FCA gefällt Yeboah
Yeboah fühlt sich schon sehr wohl in Augsburg. Die Stadt gefällt ihm. „Ich fühle mich sehr gut. Und ich habe der Mannschaft auch schon mit zwei Vorlagen helfen können", sagt er. Darum geht es ihm: Sich sportlich entwickeln und mit dem FCA die Liga zu halten. Das hat er in seinen wenigen Tagen in Augsburg bereits verinnerlicht, dass der Klassenerhalt das große Ziel ist. Dass es Jahr für Jahr vornehmlich darum geht. Die Spielweise in Augsburg gefällt ihm. Sie ist anders als in Italien. "Dort ist die Spielweise nicht so offensiv. Hier in der Bundesliga habe ich als Stürmer mehr offensive Freiheiten", sagt er. Er könne mehr in die Tiefe gehen, was seinem Spielstil eher entspreche, während in Italien erst einmal die Gedanken in Richtung Defensive wandern. Auch bei den Angreifern.
Gegen Bayer Leverkusen soll der am Freitag zweite Heimsieg in diesem Kalenderjahr gelingen. "Leverkusen ist eine starke Mannschaft. Wir müssen die Energie und den Willen auf den Platz bringen wie gegen Gladbach, um das Spiel zu gewinnen“, sagt der 22-Jährige. Im Idealfall mit einem Treffer von ihm.