Nein, die letzte Auswärtsfahrt des FC Augsburg nach Mönchengladbach hat Tobias Strobl nicht mitgemacht. Dabei hätte der 33-Jährige am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison im Borussia-Park viele alte Freunde treffen, in Erinnerungen schwelgen können. Er hätte auch bei der emotionalen Verabschiedung von Lars Stindl live dabei sein können, der Borussen-Ikone.
Vier Jahre hatte der defensive Mittelfeldspieler mit Stindl bei der Borussia zusammengespielt. Von 2016 bis zum Sommer 2020. Dann war Strobl zum FC Augsburg gewechselt. "Es war für mich kein Thema, da mitzufahren, auch wenn ich in Gladbach fußballerisch meine beste Zeit erlebt habe", sagt Strobl ein paar Tage später. Er spielte mit Stindl und der Borussia in der Champions League in Barcelona und Glasgow.
Tobias Strobl wird in der WWK-Arena ohne große Emotionen verabschiedet
Es kann gut sein, dass Strobl einfach vermeiden wollte, dass ihn die Gefühle an diesem 27. Mai übermannt hätten. Denn während Stindl im Borussia-Trikot seinen Abschied aus der Bundesliga inmitten der Borussen-Fans feierte und er zuvor maßgeblich am 2:0-Sieg gegen den FCA beteiligt war, war Strobl eine Woche vorher geradezu nüchtern in der WWK-Arena verabschiedet worden. In Zivil mit einem großen Porträt und einem großen Blumenstrauß, aber ohne große Emotionen.
Dabei wird er, im Gegensatz zu Stindl, der zu seinem Heimatverein Karlsruher SC zurückkehrt, nie mehr im Profibereich spielen. Strobl hat seine Profikarriere beendet. "Natürlich hätte ich gerne meine Laufbahn mit Fußballschuhen an den Füßen beendet, aber das war leider nicht möglich."
Nach einem Foul am Wolfsburger Renato Steffen erlitt Tobias Strobl den Kreuzbandriss
Weil er sich Anfang November 2021 wieder einmal schwer verletzt hatte. Es lief die 37. Minute im Auswärtsspiel des FCA beim VfL Wolfsburg, als Strobl, der defensive Mittelfeldspieler, einfach seinen Job erfüllte. Der Wolfsburger Renato Steffen war durchgebrochen und Strobl stoppte ihn mit einem Foul im Mittelfeld, wurde dafür von Schiedsrichter Marco Fritz auch noch verwarnt.
Das dies die letzte Gelbe Karte seiner Karriere sein würde, ahnte Strobl vielleicht schon damals. Denn während Steffen weiterspielen konnte, musste der FCA-Profi mit einem gerissenen Kreuzband, einem gerissenen Innenband und einem gerissenen Innenmeniskus im rechten Knie ausgewechselt werden. "Ich habe sofort gespürt, dass da etwas kaputt ist", erinnert sich Strobl. Er hatte da ja auch schon Erfahrung. "Es war das gleiche Knie, an dem ich mir 2017 schon einmal das Kreuzband gerissen hatte. Damals waren auch das Innenband und der Innenmeniskus gerissen. Es wurde alles operiert und war wieder gut verheilt. 2019 habe ich mir noch einmal den Innenmeniskus gerissen."
Immer wieder Neuanfang: Tobias Strobl bekam Routine in der Reha
Dennoch versuchte Strobl alles, um wieder auf dem Platz zu stehen. Ging schnell wieder in den "Jetzt-erst-recht"-Modus. Darin war er schon geübt. "Ich war sehr viel verletzt, seit 2016 immer rund drei Monate im Jahr. Am Anfang war es schwer für mich, das zu akzeptieren. Irgendwann bekam ich Routine darin, immer wieder neu anzufangen und mich wieder neu heranzukämpfen. Das hat mich nicht mehr so stark aus der Bahn geworfen", erzählt er. "Natürlich war ich die erste Woche immer traurig. Warum jetzt schon wieder ich, warum jetzt schon wieder eine Verletzung? Aber dann habe ich die Herausforderung angenommen."
Doch diesmal war die Herausforderung zu groß. Das geschundene Knie wollte nicht mehr. "Ich habe immer daran geglaubt, dass ich wieder zurückkomme. Aber leider kamen in der Reha immer wieder Rückschläge. Mein Knie hat immer wieder reagiert, wurde dick. Schließlich reifte im April und Mai auch nach längeren Gesprächen mit meiner Frau die Entscheidung, keinen Leistungssport mehr auszuüben." 17 Monate hatte er gekämpft, umsonst. Nach 186 Bundesligaspielen für die TSG Hoffenheim (86), Borussia Mönchengladbach (66) und den FC Augsburg (34), einem Bundesliga-Tor und zwei Kreuzbandrissen war Schluss.
Der TSV 1860 München ist der Ausbildungsverein von Tobias Strobl
In München geboren, hatte Strobl als Kind nicht nur Fußball im Kopf. Er war auch ein Golf-Talent. Doch mit 13 musste er sich entscheiden. Golf oder Fußball im Nachwuchsbereich des TSV 1860 München. Strobl entschied sich für die Löwen. Doch 2009, mit 19, schien er in einer Sackgasse gelandet zu sein. Sein Vater war gestorben. "Das war eine schwierige Phase für mich. Damals war ich viel im Münchner Nachtleben unterwegs."
2011 erinnerte sich dann der frühere Löwen-Nachwuchsleiter Ernst Tanner, inzwischen bei der TSG 1899 Hoffenheim, an den schlaksigen Mittelfeldspieler und holte ihn aus der Münchner Schickimicki-Szene in die beschauliche Ruhe der Hügellandschaft des Kraichgaus. "Da hatte ich wieder Spaß am Fußball, bin zu meiner Berufung zurückgekehrt. Wenn ich den Schritt nicht gemacht hätte, dann wäre meine Karriere nicht so verlaufen, wie sie verlaufen ist. Ich wüsste nicht, was dann heute wäre."
Daran hatte auch Holger Stanislawski einen großen Anteil. Der war damals Trainer in Hoffenheim, holte Strobl aus der zweiten Mannschaft in den Bundesliga-Kader. Als Stanislawski im Sommer beim Zweitligisten Köln anheuerte, nahm er Strobl als Leihspieler mit in die Domstadt. "Er hat mich in Hoffenheim zum Profi gemacht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar."
Nach einem Jahr holte TSG-Manager Alexander RosenStrobl zurück. Drei Jahre agierte der in der Hoffenheimer Mittelfeldzentrale als defensiver Abräumer. Gladbach wurde auf ihn aufmerksam. Strobl ging an den Niederrhein. Es war ein Risiko, von einem Bundesliga-Hinterbänkler zu einem Verein, der um die Champions-League-Qualifikation gespielt hat. Strobl musste sich hintenanstellen. Doch er biss sich durch. "Ich war ein Spieler, der immer der Herausforderer war. Ich war nie einer, der gesetzt war. Ich musste mir stets meinen Platz erkämpfen. Aber das war auch meine Stärke, dass ich immer bis zum Letzten gekämpft habe, dass ich alles gegeben habe."
Allerdings bremsten ihn auch immer wieder Verletzungen aus. Auch als er, nachdem in Gladbach sein Vertrag ausgelaufen war, im Sommer 2020 ablösefrei vom FCA verpflichtet wurde. Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter und der damalige Trainer Heiko Herrlich wollten Routine in die Mannschaft holen. Neben Strobl kamen auch Rafal Gikiewicz und Daniel Caligiuri ablösefrei zum FCA.
Tobias Strobl kam beim FC Augsburg nur schwer in Tritt
Doch Strobl fasste nie so richtig Fuß beim FCA. "Ich habe mich unfassbar auf die Aufgabe gefreut. Aber ich hatte einen schweren Start, weil ich aus Gladbach noch eine Sehnen-Verletzung im Oberschenkel mitgebracht hatte. Dadurch bin ich richtig schwer in Tritt gekommen", erzählt er. "Ich hatte die ganze Vorbereitung gefehlt. Die ersten Punktspiele waren schon gelaufen und der Trainer hatte schon eine gewisse Formation gefunden. Es war also schwer für mich reinzukommen. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich meine eigentliche Leistung nie richtig abrufen konnte, wenn ich auf dem Platz gestanden bin. Das hatte ich mir bei der Vertragsunterschrift ganz anders vorgestellt."
Sicher auch der FCA. Denn Strobl zählte zu den Besserverdienern im Kader, hatte auch ein ansehnliches Handgeld für die Unterschrift unter seinen Drei-Jahres-Vertrag erhalten.
Doch am Ende verbrachte er fast mehr Zeit mit den Vertrauensärzten und den Sachbearbeitern der Berufsgenossenschaft als mit seinen Mitspielern beim FCA. Denn seine Verletzung gilt als Berufsunfall. Wie bei jedem anderen Arbeitnehmer zahlte der FCA sechs Wochen sein Gehalt, dann sprang die BG mit dem Verletztengeld ein. Das sind maximal 80 Prozent des Regelentgeltes. Der Höchstbetrag, der zur Berechnung herangezogen wird, liegt derzeit bei 120.000 Euro. Das sind also 96.000 Euro im Jahr. Ein Bruchteil dessen, was ein Bundesliga-Profi wie Strobl, dessen Gehalt beim FCA wohl im siebenstelligen Bereich lag, normalerweise verdient.
Als gebürtiger Münchner will Tobias Strobl in München leben
Über das Finanzielle will Strobl nicht groß sprechen. Er bestätigt nur, dass er, wie viele andere Profisportler, noch eine zusätzliche Krankentagegeldversicherung abgeschlossen habe. Das lindert die finanziellen Einbußen. Eine Umschulung hat die BG bereits bewilligt. "Die würde ich auf alle Fälle gerne in Anspruch nehmen. Da muss ich mit der Berufsgenossenschaft aber noch absprechen, in welche Richtung es geht", sagt Strobl. Der zweifache Familienvater muss nun seine weitere berufliche Zukunft planen. "Es kann sein, dass ich im Sportbereich bleiben werde. Es könnte in Richtung Management gehen, aber es könnte auch etwas ganz anderes sein. Da bin ich noch völlig offen." Sein Lebensmittelpunkt steht allerdings fest. Der gebürtige Münchner wird nach zehn Jahren Wanderschaft als Profi mit seiner Familie in die Landeshauptstadt zurückkehren.
Ob ihm ein Rentenanspruch zusteht, sei noch in der Abklärung mit den Ärzten der Berufsgenossenschaft. Es geht um viel Geld. "Klar, belastet es, dass ich jetzt solche Gespräche führen muss. Aber es ist viel trauriger und tiefgründiger. Es ist sehr schade, dass ich meine Karriere nicht aktiv auf dem Platz beenden durfte, sondern im Krankenstand", sagt Strobl nachdenklich.
Zur abgelaufenen Saison des FCA sagt er: "Da wäre schon mehr drin gewesen, denke ich. Aber im Endeffekt haben wir die Liga wieder gehalten. Ich glaube, das spricht auch für den Verein, die Kontinuität, dass sie seit zwölf Jahren ohne Unterbrechung immer in der ersten Bundesliga waren. Was beim FCA gewachsen ist, ist super, und den Weg wird man weitergehen." Die Frage, was besser werden müsse, umgeht er. "Da möchte ich mich gar nicht so äußern, das ist nicht meine Baustelle."
Mit dem aktiven Fußball hat er schon nach wenigen Wochen als Sportinvalide abgeschlossen. "Das würde bestimmt gehen, aber das möchte ich nicht mehr. Fußball war mein Beruf, und wenn ich meinen Beruf nicht mehr auf diesem Niveau ausüben kann, dann macht es für mich keinen Sinn mehr." Dass er sich in Zukunft wieder intensiver dem Golfen widmet, möchte er nicht ausschließen: "Ja, das geht, das funktioniert von der Drehbewegung her."