Natürlich war auch Ermedin Demirovic geschockt von dem Böllerwurf aus der Gästekurve. Hatte der Kapitän des FC Augsburg doch 200 Schüler des Frère-Roger-Kinderzentrums in Oberhausen zum Spiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim eingeladen. Er hatte die Karten im Südblock der WWK-Arena selbst bezahlt. Die Sitzplätze waren weit genug entfernt von der Detonation. Glücklicherweise.
Trotzdem sprach Demirovic nach der Partie in der Mixedzone von einer Katastrophe, sagte: „So etwas gehört nicht zum Fußball.“ Es dauerte ein bisschen, bis er sich wieder auf die Analyse des 1:1 (0:1)-Unentschieden konzentrieren konnte.
FCA gerät gegen Hoffenheim einmal mehr in Rückstand
Wieder einmal war der FCA in der ersten Hälfte in Rückstand geraten, waren die Gastgeber mit dem 0:1 (23.) durch Wout Weghorst noch gut bedient. „Ich habe zwei verschiedene Halbzeiten meiner Mannschaft gesehen“, sagte FCA-Trainer Jess Thorup dann später. „In der ersten Hälfte waren wir immer einen Schritt zu spät, hatten Probleme, die TSG unter Druck zu setzen.“ Thorup reagierte in der Halbzeit, stellte von einem 4-2-3-1 auf ein 5-3-2-System und plötzlich bekam sein Team das Spiel in den Griff. „Wir haben dann Mann gegen Mann gespielt, sind höher angelaufen.“
Davon profitierte auch Ermedin Demirovic. Hatte er in der ersten Hälfte ganze fünf Ballkontakte, stand er plötzlich im Blickpunkt. „(Ermedin) Demirovic und (Phillip) Tietz waren in der ersten Halbzeit gefühlt abgeschnitten“, hatte Sportdirektor Marinko Jurendic festgestellt.
FC Augsburg gegen TSG Hoffenheim: zwei recht unterschiedliche Bundesliga-Halbzeiten
Doch nun war er mittendrin. Sein Fallrückzieher (46.), den TSG-Torhüter Oliver Baumann noch mühelos entschärfte, war der Startschuss für eine sehenswerte zweite FCA-Hälfte. Plötzlich waren die Augsburger präsent, brachten die Hoffenheimer, die bis dato alle ihre fünf Auswärtsspiele gewonnen hatten, immer wieder in Verlegenheit. Demirovic fasste den neu gewonnenen Glauben an die eigene Stärke so zusammen. „Einfach weiter Gas geben. Über Arbeit, Willen und Kampf kommst du ins Spiel rein, wenn es nicht so läuft. Ich bin dann schon so selbstbewusst, dass ich weiß, irgendwann kommt der Schalter, den du umlegen musst, das war in dem Moment der Fall.“
Der Moment kam in der 53. Minute. Demirovic bat am TSG-Strafraum zum Tanz. Ozan Kabak, Ihlas Bebou und Finn Ole Becker düpierte er auf engstem Raum und schlenzte dann den Ball auch mithilfe der Haarspitzen von Kevin Vogt, dem Ex-Augsburger im Dienste der TSG, ins lange Eck. „Jeder, der Fußball gespielt hat, weiß, dass man ab und zu das Gefühl hat, wenn der Ball den Fuß verlässt, dass der gut kommt. Das war so ein Schuss“, wusste auch Demirovic gleich, dass da was passieren könnte. „Dass ich den so perfekt treffe, dass er genauso reingeht, auch weil er ein bisschen verlängert wird, freut mich.“
Lob für FCA-Kapitän Ermedin Demirovic
Und auch seinen Trainer. „Überragend, wie er das gemacht hat“, lobte Thorup. Demirovic sei „ein Typ, der nur eine halbe Chance braucht“, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
Demirovic kann man durchaus auch als Stellvertreter für das ganze Team in der Thorup-Ära sehen. Unter Enrico Maaßen wäre wohl die Mannschaft in sich zusammengefallen. Jetzt zeigt sie Widerstandskraft im Herbst, als wenn sie eine erhöhte Dosis Vitamin C verabreicht bekommen hätte. „Solche Spiele habe ich oft genug erlebt, dass ich gegen eine gute Mannschaft einfach nur hinterherlaufe“, sagt Demirovic. Große Sorgen hätte er sich aber nicht gemacht. „Hoffenheim hatte keine großen Chancen, auch wenn wir nicht gut im Spiel waren. Das war ein Zeichen, dass wir gut gestanden sind. Wenn man als Stürmer keine Ballkontakte hat, ist es nicht schön, das macht keinen richtigen Spaß, wenn man nur hinterherlaufen muss, aber ich wusste, dass das besser werden würde.“
FCA-Trainer Jess Thorup blickt mit gemischten Gefühlen auf das 1:1
Wurde es auch. Und wenn er und seine Kollegen vor allem in der Schlussphase, als sich alle wieder vom Schock des Zwischenfalls erholt hatten, etwas konsequenter und präziser agiert hätten, wäre die Laune von Jess Thorup noch deutlich besser gewesen. Der wusste das 1:1 kurz nach der Partie nicht so richtig einzuordnen. „Es ist nur ein Punkt. Ich weiß nicht, ob ich damit zufrieden bin.“
Auch sein TSG-Kollege Pellegrino Matarazzo trauerte dem durchaus möglichen Sieg nach. „In der Kabine sind alle unzufrieden“, räumte der TSG-Coach ein, „der Sieg war drin.“
Es waren eben zwei verschiedene Halbzeiten mit einem furchtbaren Schreckmoment.
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