Plötzlich war sie da. Die Chance, auf die Tomas Koubek beinahe ein Jahr hatte warten müssen. Endlich durfte er wieder mit seinen Kollegen aufs Spielfeld marschieren, durfte sich als bedeutender Part fühlen. Nicht mehr nur als Ersatz. Gegen Borussia Dortmund sollte der Torhüter des FC Augsburg sein erstes Spiel in dieser Bundesliga-Saison bestreiten. Kurz vor Anpfiff das übliche Ritual: Koubek, der 1,96 Meter-Koloss, klatschte mit den Händen gegen Pfosten und Latte. Erwartungsfroh gestimmt, fokussiert, konzentriert. Knapp zwei Stunden und fünf Gegentreffer später verkörpert der Riese nur noch ein Häufchen Elend.
Sprechen möchte nach diesem 1:5 (1:4) kein FCA-Spieler mit der Presse. Auch nicht Koubek. Fragen aus dem Weg gehen – darin sind Profis geübt, wenn sie nicht dazu genötigt werden. Also reden andere über den Torhüter, der kurzfristig für den verletzten Finn Dahmen eingesprungen war. Der Stammtorhüter hatte sich am Freitag eine Bänderverletzung am Sprunggelenk zugezogen, in den nächsten Tagen muss er operiert werden. Sportdirektor Marinko Jurendic tat sich selbstredend schwer damit, einen Torhüter zu loben, der etliche Treffer gefangen hatte. Zwei, drei Safes hätte Koubek gehabt, meinte Jurendic. "Aber wenn du fünf Gegentore kriegst, kannst du nicht sagen, er hat das gut gemacht."
Tomas Koubek patzt beim FC Augsburg wie in seinen Anfängen
Obendrein hatte Koubek sich einen Fehler erlaubt, der an seine Anfänge in Augsburg erinnerte. Abwehrspieler Felix Uduokhai hatte eine Teilschuld, vor allem aber ging das 0:3 auf Koubeks Kappe. Unbeholfen patschte er daneben. Dortmunds Youssafa Moukoko konnte dem Ball gar nicht mehr ausweichen, von seinem Oberschenkel tropfte der Ball ins Netz. Von den anderen Gegentreffern sprach Trainer Jess Thorup seinen Torhüter frei. Koubek habe das in Summe "ganz gut gemacht", meinte der FCA-Coach. Thorup verwies auf die Chancen von Donyell Malen, Marco Reus oder Karim Adeyemi.
Für Dahmen ist die Saison beendet. Die restlichen Partien dieser Saison, am Freitag zu Hause gegen den VfB Stuttgart (20.30 Uhr/DAZN) und eine Woche später bei Bayer Leverkusen, wird Koubek zwischen den Pfosten stehen. "Zumindest ist das jetzt seine Chance, sich in den letzten beiden Spielen zu zeigen. Dann müssen wir mal sehen, was da läuft", sagte Thorup zur Situation seines Keepers.
Das Dasein eines Ersatztorhüters kann mitunter zermürbend sein. Leistet sich die Stammkraft zwischen den Pfosten keine eklatanten Fehler, ändert sich über Wochen und Monate, mitunter sogar Jahre hinweg, nichts am Ist-Zustand. Koubek kennt das. Im Sommer 2019 sah der FCA in ihm seine künftige Nummer eins und holte ihn für eine Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro von Stade Rennes. Koubek war gesetzt, leistete sich aber eklatante Fehler, teils in Slapstick-Manier. Die Klubverantwortlichen degradierten ihn nach etlichen Patzern zum Ersatzmann, erst hinter Andreas Luthe, dann hinter Rafal Gikiewicz und schließlich Dahmen.
FCA-Sportdirektor Marinko Jurendic: "Koubek darf sich einen anderen Verein suchen"
Koubek hätte den Verein in den vergangenen Jahren verlassen können, doch weder der Spieler noch der Verein fanden eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden waren. Ende Juni läuft nun sein Vertrag aus. Jurendic hat ein offenes Gespräch mit Koubek geführt, die Ausgangslage sei klar. "Alles ist offen. Es ist weder entschieden, dass er bleibt, noch dass er nicht bleibt", betont Augsburgs Sportchef und fügt hinzu: Koubek sei ein Kandidat für die nächste Saison, dürfe sich aber zugleich einen anderen Verein suchen. In den Partien gegen die offensivstarken Stuttgarter und Leverkusener dürfte der Torhüter ähnlich stark im Fokus stehen wie in Dortmund. Reichlich Gelegenheiten also, sich auszuzeichnen. So sieht es auch Jurendic: "Er kann zwei Spiele zu null spielen und sich empfehlen. Kann sich noch bewerben."
Wahrscheinlicher ist ein anderes Szenario: Selbst wenn Koubek keinen neuen Klub findet, wird der FCA sich auf der Torhüterposition neu aufstellen. Koubek soll zu den Bestverdienern im Kader zählen. Wie zu hören ist, soll das ein Grund gewesen sein, warum er sich so geräusch- und klaglos in seine Ersatzrolle gefügt hat. Weil auch der Vertrag mit Torwarttrainer Marco Kostmann nicht ausgeweitet wird, kann der FCA Hindernisse umbauen. Als der Bundesligist vor einem Jahr Finn Dahmen von Mainz 05 verpflichtete, war der Status geklärt. Der U21-Europameister würde die Nummer eins werden. Vollends erfüllt hat der 26-Jährige die Erwartungen allerdings nicht, vor allem fehlende Strafraumpräsenz und Körpergröße wurden thematisiert. Zweifelsohne wird Jurendic über die Verpflichtung einer neuen Nummer eins nachdenken.
Holt der FCA einen Stammtorhüter, müsste sich Dahmen mit einer Rolle anfreunden, die er aus Mainz kannte – und die Koubek lange in Augsburg hatte.
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