Hallo Herr Reuter, Sie sind ja seit wenigen Tagen beim FC Augsburg nicht mehr als Sport-Geschäftsführer tätig, sondern als Berater. Was raten Sie denn nach dem Spiel in Leipzig Ihrem Sportdirektor Marinko Jurendic.
Stefan Reuter : Meine Aufgabe ist es jetzt, Dinge intern anzusprechen. Ich werde intern immer meine Meinung sagen, aber ich werde öffentlich nicht mehr zu sportlichen Dingen Stellung nehmen.
Trotzdem noch einen Versuch? Wie sehen Sie die sportliche Situation derzeit?
Reuter : Wir sind noch nicht so richtig in die Saison gekommen. Es gibt eben keinen Ersatz für Siege. Aber das sind Fragen, die in Zukunft nur noch die handelnden Personen beantworten. Wir sind mit unserer klaren Kommunikationsstruktur immer gut gefahren.
Wie läuft Ihr neuer Alltag ab?
Reuter : Ich bin für Jure (Marinko Jurendic), aber auch für Michael Ströll (kaufm. Geschäftsführer) jederzeit ansprechbar. Wir telefonieren, treffen uns regelmäßig. Es wird Gesprächsrunden über allgemeine Themen geben mit Michael, Jure und mir, aber auch sportlichen Austausch mit Jure, Heinz Moser, Christoph Janker und mir. Ich werde für jeden immer erreichbar sein. Da es ein neues Konstrukt ist, das sich noch mit Leben füllen wird.
Warum gerade jetzt Ihr Schritt zur Seite?
Reuter : Angedacht war dieser Schritt schon seit einigen Wochen. Ich war vom ersten Tag an in dieser Saison nicht mehr auf der Bank gesessen. Es war klar, dass Marinko die Rolle direkt an der Mannschaft mit dem Trainerstab und dem Staff übernimmt. Und er wird auch die Entscheidungen treffen. Das wird mit meinem Schritt noch einmal klar untermauert, weil es nicht mehr heißen kann, am Ende entscheidet es doch Stefan Reuter. Durch diesen Schritt gibt es die klare Struktur, die transparent kommuniziert ist. Marinko ist für uns ein absoluter Glücksfall. Er und Heinz Moser sind sehr kompetente und angenehme Menschen, die aber auch eine klare Sicht auf den Fußball haben.
Sind sie beim FCA noch angestellt?
Reuter : Ich bin weiter angestellt beim FC Augsburg, aber in beratender Funktion.
Zu gleichen Bezügen wie als Sport-Geschäftsführer? Die sollen sich um die 1,2 Millionen Euro jährlich bewegen.
Reuter : Ich habe noch nie etwas zu Inhalten des alten Vertrages gesagt und werde auch nichts zum neuen sagen. Nur so viel: Es ist klar geregelt, ich bin kein freier Berater, der mal hier oder dort tätig wird. Ich fokussiere mich ganz auf den FCA.
Wie lange läuft der Vertrag? Wie der alte, bis 2026?
Reuter : Genau.
Mit Dienstwagen und Büro?
Reuter : Ich habe weiterhin einen Dienstwagen, ein Büro brauche ich nicht mehr. Das kann anderweitig genutzt werden.
Von außen sieht es so aus, dass Sie von 100 Stundenkilometer auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst wurden.
Reuter : Das sehe ich gar nicht so. Ich vergleiche es gerne mit einer Mannschaftsstruktur: Man muss nicht zwingend Kapitän sein, um Verantwortung zu übernehmen. Ich bin mir sicher, dass auch weiterhin auf meine Meinung großen Wert gelegt wird, dass ich mich einbringen kann. Ich habe kein Problem damit, dass die finalen Entscheidungen jetzt andere treffen. Ganz und gar nicht.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass Ihr Wechsel auch mit dem neuen FCA-Präsidenten Max Krapf zu tun hat? Der soll Ihre Tätigkeit in den letzten Jahren durchaus kritisch sehen.
Reuter : Tut er das? Das empfinde ich gar nicht so. Wir haben schon länger beschlossen, dass wir uns breiter aufstellen. Der Prozess begann schon vor über einem Jahr. Da war Max Krapf noch gar nicht im Amt.
Ist es Ihr Plan, da zukünftig etwas runterzufahren?
Reuter : Es ist schon ein Ziel, dass ich ein bisschen mehr Zeit für die Familie habe. Ich war bei jeder Mannschaftsbesprechung dabei, bin immer mit der Mannschaft gereist. Stand aber auch immer für Repräsentanten-Aufgaben zur Verfügung. Das wird auch weiter der Fall sein, aber permanent alle Dinge entscheiden zu müssen, fällt jetzt weg und das ist schon eine Erleichterung.
Waren auch die letzten 1,5 Jahre mit dem Abgang von Trainer Markus Weinzierl und dem plötzlichen Rücktritt von Präsident Klaus Hofmann ein Grund für Ihre Entscheidung?
Reuter : Insgesamt waren die letzten Jahrzehnte im Profifußball intensiv und kräfteraubend, wenn du am Ende immer für die Entscheidungen geradestehen musst. Daher tut es mir nichts, wenn ich Verantwortung abgeben kann und dafür Lebensqualität hinzugewinne.
Was bedeutet Lebensqualität für Sie?
Reuter : Ich bin seit 1984 im Profifußball tätig. Da tut es mal ganz gut, wenn man aus der ersten Reihe ein Stück zurücktritt. Bei vielen Familienfeiern wurde man nicht eingeplant, weil der Job immer an erster Stelle steht. Darauf freue ich mich jetzt. Ich werde aber auch weiterhin bei fast jedem Spiel dabei sein, aber wenn es einen wichtigen Termin gibt, dann bin ich auch halt mal nicht im Stadion vor Ort.
Und was sagt ihre Frau Annette dazu?
Reuter : Die freut sich, wenn ich jetzt am Freitagabend oder am Wochenende mal bei Einladungen Zeit habe.
Sie geben jetzt nach über zehn Jahre das sportliche Zepter ab. Was überwiegt: die Erinnerung an die großartigen Zeiten mit Platz fünf und Euro League oder eher die Kritik an Ihnen aufgrund der Stagnation der letzten Jahre?
Reuter : Jeder beim FCA darf stolz sein, wie sich der Verein in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Vor zehn Jahren gab es noch keine Rasenheizung und Flutlicht auf dem Trainingsplatz. Im Winter mussten wir um 13.30 Uhr trainieren, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit fertig wurden. Wir haben das Stadion ausgebaut und das Verwaltungsgebäude errichtet. Natürlich haben uns die Ausreißer nach oben gefreut und mittelfristig sollte das auch wieder ein Ziel sein. Aber man muss realistisch bleiben. Es mag sein, dass viele das nicht mehr hören können, aber wenn man die finanziellen Voraussetzungen sieht, haben wir unterm Strich extrem überperformt.
Ein Kritikpunkt war und ist die mangelnde Durchlässigkeit des eigenen Nachwuchses in den Profikader.
Reuter : Das ist für mich vollkommen nachvollziehbar. Ich liebe es, wenn wir eigene Spieler hochbringen. Wir mussten aber auch Prioritäten setzen. Wir haben mit der neuen Paul-Renz-Akademie die Voraussetzungen geschaffen, um das Thema zu forcieren. Das ist ein klares Ziel. Mit Marinko Jurendic und Heinz Moser im Besonderen sind wir nun breiter und besser aufgestellt, um den Nachwuchs weiter zu fördern.
Gibt es bei den Transfers für Sie Tops und Flops?
Reuter : Ich werde kein Rating vornehmen. Du kannst nur versuchen, Transfers so akribisch wie möglich vorzubereiten, möglichst viele Infos einzuholen. Das war bei uns immer eine Team-Arbeit. Sowohl die Top-Transfers als auch die weniger guten. Wir haben gemeinsam entschieden. Aber klar, ich war am Ende der Verantwortliche. Unterm Strich haben wir eine positive Bilanz. Nicht umsonst spielen wir die 13. Saison in Folge in der Bundesliga.
Sind Sie weiter in die zukünftigen Transfers eingebunden?
Reuter : Ich stehe wie gesagt zur Verfügung, wenn mein Rat gefragt ist.
Hätten Sie vielleicht die eine oder andere Trainerentscheidung anders getroffen?
Reuter : Trainerentlassungen sind immer schwierig. Es kann nicht alles optimal gelaufen sein, wenn du einen solchen Schritt vornimmst. So eine Kontinuität wie der 1. FC Heidenheim mit Frank Schmidt schaffen nur die wenigsten. Mit sechs Trainern in zehn Jahren stehen wir nicht so schlecht da. Ich habe versucht, möglichst lange an Trainern festzuhalten. Ich habe immer überlegt, wie kann man zuarbeiten, unterstützen, als Team funktionieren. Bis zu dem Zeitpunkt, wenn das Gefühl aufkommt: Wir brauchen einen Impuls. Dann haben wir gehandelt
Braucht der FCA jetzt einen Impuls?
Reuter : Grundsätzlich sind solche Druck-Situationen beim FCA nicht so ungewöhnlich. Wir müssen sehen, dass wir uns da möglichst schnell rausarbeiten. Aber da bin ich optimistisch. Es fehlen nur Kleinigkeiten.
Sie sind 56, da könnte der eine oder andere Verein schon auf den Gedanken kommen, lass uns mal bei Stefan Reuter nachfragen.
Reuter : Das gab es schon früher, aber das war und ist kein Thema. Ich habe hier Vertrag bis 2026 und ich bin mit dieser Position sehr fein. Ich beschäftige mich nur mit der Frage: Wie können wir mit dem FCA in die Erfolgsspur zurückkehren?