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Ankara
Gikiewicz' Präsident schlägt Schiedsrichter nieder – nun sorgt sich die Türkei um die EM 2032
Ex-FCA-Keeper Rafal Gikiewicz spielt mittlerweile bei MKE Ankaragücü. Der Verein steht im Zentrum eines Skandals, wegen dem der Spielbetrieb in der Süper Lig gestoppt ist.
MKE Ankaragücü - Caykur Rizespor - Attacke auf Schiedsrichter.jpeg       -  Die Szene, wegen der der türkische Fußball still steht: Schiedsrichter Halil Umut Meler (unten)  hält sich das Gesicht, während er auf dem Boden liegt, nachdem ihn der Präsident von MKE Ankaragücü, Faruk Koca (M), am Ende des Fußballspiels geschlagen hat.
Foto: A. Antakyali, dpa | Die Szene, wegen der der türkische Fußball still steht: Schiedsrichter Halil Umut Meler (unten) hält sich das Gesicht, während er auf dem Boden liegt, nachdem ihn der Präsident von MKE Ankaragücü, Faruk Koca (M), am ...
Florian Eisele, Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:43 Uhr

Drei Jahre lang spielte Rafal Gikiewicz beim FC Augsburg. Der Torwart war lange Leistungsträger, galt aber auch als extrovertierter, zuweilen unbequemer Typ. Seit Sommer 2023 steht der Pole beim türkischen Erstligaaufsteiger MKE Ankaragücü unter Vertrag – was dort passiert, dürfte aber auch für den extrovertierten Gikiewicz eine Spur zu viel sein. Ankaragücü steht im Zentrum eines Skandals, wegen dem sogar die türkische Süper Lig gestoppt wurde.

Was war passiert? Beim Spiel zwischen Ankaragücü und Caykur Rizespor lief die siebte Minute der Nachspielzeit. Ankaragücü führte 1:0, als das passierte, was bei Präsident Faruk Koca die Sicherungen durchbrennen ließ: Die Gäste von Rizespor trafen zum 1:1-Ausgleich. Das war offenbar zu viel für Koca, der den Schiedsrichter als Hauptschuldigen für den späten Ausgleichstreffer ausgemacht hatte. Koca stürmte nach Abpfiff aufs Spielfeld und schlug dem Referee Halil Umut Meler mit einer solchen Wucht mit der Faust ins Gesicht, dass dieser ein blaues Auge davontrug.

In der türkischen Süper Lig wird vorerst nicht mehr gespielt

Der türkische Verband TFF kritisierte den Vorfall heftig: "Dieser abscheuliche Angriff richtete sich nicht nur gegen Halil Umut Meler. Diese unmenschliche und verabscheuungswürdige Attacke richtete sich gegen alle Akteure des türkischen Fußballs." Auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan meldete sich via X, ehemals Twitter, zu Wort: "Sport bedeutet Frieden und Brüderlichkeit. Sport ist unvereinbar mit Gewalt. Wir werden niemals zulassen, dass Gewalt im türkischen Sport stattfindet." Der türkische Fußballverband verschob als Reaktion Spiele in allen Ligen auf unbestimmte Zeit. 

Mittlerweile ist Haftbefehl gegen Ankaragücü-Präsident Faruk Koca sowie zwei weitere Verdächtige erlassen worden. Ihnen werde Verletzung eines Beamten vorgeworfen, schrieb Justizminister Yilmaz Tunc am Dienstag auf der Plattform X.

Angriffe auf Schiedsrichter hatte es in der Türkei schon in den vergangenen Jahren gegeben, doch Koca ist der erste Präsident eines Erstliga-Clubs, der auf einen Schiedsrichter losgegangen ist. Der Sportjournalist Ugur Meleke schrieb in der Zeitung "Hürriyet", Gewalttäter würden als Helden gefeiert. Als sich Koca nach seinem Angriff auf den Schiedsrichter wegen eines Herzleidens im Krankenhaus behandeln ließ, wurde er vor der Klinik von Ankaragücü-Fans mit den Sprechchören "Großer Vorsitzender" und "Gut gemacht" begrüßt.

Ankaragücü-Präsident zeigt keine Reue für Schlag gegen Schiedsrichter

Koca hatte schon im vergangenen Jahr nach einer Niederlage seines Vereins die Schiedsrichter gewarnt: "Beim nächsten Mal wird meine Reaktion noch ganz anders ausfallen", sagte er damals. Merkwürdigerweise erhielt Koca den Fair-Play-Preis des türkischen Fußballverbandes TFF.

Nach seinem Angriff auf Schiedsrichter Meler beschuldigt Koca das Opfer. Er habe Meler wegen seiner falschen Entscheidungen und seines "provozierenden Verhaltens" ins Gesicht spucken wollen, sagte Koca dem Haftrichter laut Medienberichten. Dann habe er dem Schiedsrichter eine Ohrfeige gegeben, doch Meler habe eine Schau abgezogen und sei mit zehn Sekunden Verzögerung zu Boden gegangen. 

Regierungskritische Kommentatoren äußerten Zweifel daran, dass der Schläger Koca viel zu befürchten hat: Der 59-jährige Bauunternehmer ist ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter von Erdogans Regierungspartei AKP; Erdogan hatte 2003 eine Privatwohnung von Koca gemietet.

Doch nach dem Angriff auf den Schiedsrichter kann Koca offenbar nicht mit Erdogans Wohlwollen rechnen. Der Präsident unterstrich seine Entschlossenheit, gegen Gewalt in den Stadien vorzugehen. Erdogan habe die zuständigen Minister angewiesen, sofort einzuschreiten, erklärte das türkische Presseamt. Die AKP leitete ein Parteiausschlussverfahren gegen Koca ein, der laut Rechtsexperten mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen muss; seinem Verein droht ein Platzverbot im eigenen Stadion. Justizminister Yilmaz Tunc sprach von Körperverletzung und einem Angriff auf einen Staatsbediensteten.

Ex-FCA-Keeper Rafal Gikiewicz hat seinen Stammplatz verloren

Einer der Gründe dafür, dass Politiker für eine harte Strafe plädieren, ist die Befürchtung, dass die Gewalt gegen Schiedsrichter Meler internationale Konsequenzen haben könnte. Der frühere Schiedsrichter Erman Toroglu sagte dem Sender AHaber, möglicherweise sei die Rolle der Türkei als Gastgeberin der Europameisterschaft 2032 in Gefahr; die Türkei soll das Turnier zusammen mit Italien ausrichten. TFF-Präsident Mehmet Büyükeksi versuchte, die Befürchtungen zu zerstreuen: Es könne keine Rede davon sein, dass die Uefa der Türkei das Turnier wieder wegnehme, sagte er. Doch viele Türken sind da nicht so sicher.

Ex-FCA-Keeper Gikiewicz verfolgte den Vorfall übrigens frisch ausgeruht: Nach seinem Wechsel in die Türkei war er nur zu Beginn gesetzt, verlor seinen Stammplatz aber nach dem vierten Spieltag Anfang September infolge einer Verletzung. Danach stand Bahadır Güngördü im Kasten des Klubs, Gikiewicz kam nur noch beim 0:4 seines Klubs gegen Antalyaspor zum Einsatz. Auch das 1:1 gegen Rizespor sah er von der Bank aus. (eisl)

 
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