Niklas Dorsch versuchte, noch zu retten, was letztlich nicht mehr zu retten war. Er orientierte sich kurz, nur um festzustellen, dass auf der linken Augsburger Seite niemand mehr war. Ruben Vargas und Mads Pedersen standen an der Seitenlinie, sie hatten mit einer Spielunterbrechung gerechnet und waren von Trainer Jess Thorup zu sich gerufen worden. Dumm nur, dass es keine Unterbrechung gab, folglich auch keinen Spielertausch. Stattdessen schoss Werder Bremen den zweiten Treffer, den auch Dorsch nicht mehr verhindern konnte. Trotz aller Bemühungen.
"Ich habe noch versucht, das Spiel zu verzögern", sagt Dorsch einige Tage später. Gelungen ist es ihm nicht. "Das war eine falsche Wahrnehmung. Aber als Spieler sollte man die Situation immer im Blick behalten", meint der Mittelfeldspieler zu der kuriosen Szene. Andererseits sei es verständlich, dass bei einem Ruf des Trainers der Weg in Richtung Seitenlinie folge. Letztlich sei es eine Verkettung von Missverständnissen gewesen, so Dorsch. Allerdings mit Folgen. 0:2 verlor der FCA die Partie in Bremen, es war die erste Niederlage unter der Regie von Jess Thorup.
Der Trainer übernahm sofort die Verantwortung für das Chaos beim Wechsel. Das werde nicht mehr passieren, künftig werde er abwarten und erst handeln, wenn der Wechsel zu 100 Prozent vom vierten Offiziellen und dem Schiedsrichter auf dem Platz genehmigt sei, sagte der Däne am Dienstag. Thorup hätte auch die Verantwortung abschieben können. Das tat er aber nicht. Das zeige den Charakter des Trainers, sagt Dorsch. "Wir machen die Fehler gemeinsam. Genauso wie wir zusammen gewinnen. Das ist die Art, wie es der Trainer aufgearbeitet hat", sagt der 25-Jährige.
Unter Jess Thorup wurde Niklas Dorsch wieder zur Stammkraft
Dorsch und Thorup kannten sich bereits. Für kurze Zeit hatten die beiden schon in Belgien zusammengearbeitet. Für wenige Wochen im Sommer 2020 bei KAA Gent. Thorup holte Dorsch, wurde aber kurze Zeit später entlassen. Vor wenigen Wochen kam es zum Wiedersehen in Augsburg. Thorup folgte auf Enrico Maaßen, der in den letzten Wochen seiner Amtszeit Dorsch aussortiert hatte. Unter Thorup ist der 25-Jährige wieder zur Stammkraft geworden. Trotz schwächerer Leistungen zu Beginn.
"Da hatte ich Spiele dabei, nach denen ich nicht unbedingt den Anspruch haben konnte, wieder in der Startelf zu stehen", sagt Dorsch selbstkritisch. Thorup sah das anders, er glaubt an die Fähigkeiten von Dorsch. Sie haben viel miteinander gesprochen und intensiv an den Schwachstellen gearbeitet. "Er hat mir das Vertrauen geschenkt. Das gibt einem Spieler ein gutes Gefühl", erklärt Dorsch. In ihm entfache das ein Feuer, für den Trainer alles zu geben. "Ich will das Vertrauen zurückgeben", sagt Dorsch, dem das immer häufiger durch starke Leistungen gelingt.
Bei einem solchen Konkurrenzkampf wie in Augsburg sei es nicht selbstverständlich, eine solche Wertschätzung des Trainers zu erhalten. Mit Arne Engels und Tim Breithaupt gibt es durchaus Spieler, die Dorsch den Platz streitig machen könnten. Thorup aber glaubt an ihn. Und nicht nur an ihn. Er baut gerade an einem stabilen Fundament, nur selten verändert er seine Startformation. "Wir haben eine Achse gebildet, die vorangehen kann", sagt Dorsch. Dazu gehören die Abwehrspieler Felix Uduokhai, Jeffrey Gouweleeuw und Mads Pedersen, im Mittelfeld neben Dorsch auch Elvis Rexhbecaj sowie im Angriff Kapitän Ermedin Demirovic. Dieser harte Kern sei vor allem jetzt nach der ersten Niederlage gefordert, damit sich das Gefühl der Enttäuschung nicht zu lange hält. "Wir müssen vorangehen. Das sehe ich auch als meine Aufgabe", erklärt Dorsch.
FC Augsburg-Trainer Thorup kann nicht allen gerecht werden
Der Augsburger Kader ist groß. Da ist es unvermeidlich, dass es auch unzufriedene Spieler gibt. Zumal die Augsburger keine Doppelbelastung haben, da sie nur noch die Ligaspiele bestreiten. Aus dem Pokal sind sie bereits in der ersten Runde ausgeschieden. Dorsch nickt. Natürlich könne es Unruhe geben, wenn Mitspieler das Gefühl hätten, kaum berücksichtigt zu werden – egal, was sie tun. Da sei es auch an ihm und den anderen Führungsspielern, helfend einzugreifen. Ihnen Mut zuzusprechen und mit der eigenen Leistung voranzugehen. "Natürlich ist es für den Trainer schwer, allen gerecht zu werden. Seine Kommunikation ist aber allen gegenüber sehr wertschätzend", sagt Dorsch.
Nach dem Bremen-Spiel sei die Stimmung natürlich schlecht gewesen. Im Flieger nach München herrschte am Samstagabend Stille. Weil allen bewusst war, dass die Niederlage zu vermeiden gewesen wäre. "Bremen war nicht die bessere Mannschaft, fußballerisch war es ein Spiel auf Augenhöhe", sagt Dorsch. In den entscheidenden Szenen aber war Werder effektiver. "Wenn man schon kein Tor schießt, müssen wir wenigstens die Null halten", sagt Dorsch. Also kein Gegentor kassieren. Das aber ist den Augsburgern in dieser Saison noch nie gelungen.
Thorup arbeitet intensiv daran, das zu ändern. "Für alle, vor allem aber die, die eine eher defensivere Rolle haben, wäre es schön, mal zu null zu spielen", sagt Niklas Dorsch. Vielleicht ja schon am Samstag (15.30 Uhr) gegen Borussia Dortmund? "Wir müssen den Fokus noch mehr auf die Zusammenarbeit in der Defensive und das gemeinsame Pressing legen", sagt Dorsch. Ähnlich wie im vergangenen Heimspiel gegen Frankfurt, als ein 2:1-Sieg gelang. "Zu Hause brauchen wir uns vor keinem zu verstecken", sagt Dorsch. Offensiv habe die Mannschaft mittlerweile mehrfach bewiesen, dass Qualität vorhanden sei, um spielerische Lösungen zu finden. "Wir wollen Dortmund das Leben schwer machen. Dann ist alles möglich", verspricht Dorsch.
