Kelvin Yeboah war vor knapp einer Woche kurz davor, sich in die Herzen der Fans des FC Augsburg zu schießen. Erst in der 78. Minute eingewechselt, erzielte der 23-jährige Leihspieler vom CFC Genua sieben Minuten später das 2:3 beim VfL Bochum. Nach seinem ersten Bundesliga-Tor war es plötzlich wieder möglich, vielleicht doch noch einen wichtigen Punkt im Kampf gegen den Abstieg zu retten. Und in den letzten Sekunden der Nachspielzeit schien Yeboah diese Hoffnungen zu erfüllen.
Nach einer Flanke von Felix Uduokhai nahm er den Ball kurz vor dem Bochumer Strafraum gekonnt mit der Brust an. Und hätte er nun den völlig frei neben ihm stehenden Irvin Cardona angespielt, der Franzose hätte wohl den 3:3-Ausgleich erzielt. Doch Yeboah versuchte sich selbst mit einem schwierigen Volleyschuss - und verzog. Aus, vorbei. Wieder ein Matchball in Sachen Klassenerhalt vergeben. Der FCA muss am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) gegen Borussia Dortmund einen neuen Anlauf nehmen.
Kelvin Yeboah erzielt das 2:3 gegen den VfL Bochum, übersieht dann aber Irvin Cardona
"Im Fußball geht es so schnell. Du triffst eine Entscheidung, von der du glaubst, es ist die beste in diesem Moment. Ich habe mich für einen Schuss entschieden, aber ich habe den Ball nicht so getroffen, wie ich es wollte. Irvin hatte ich in dem Moment gar nicht gesehen", sagt Yeboah ein paar Tage später im Presseraum des FC Augsburg in der WWK-Arena. Der 23-Jährige, der in der ghanaischen Hauptstadt Accra geboren ist, aber auch einen italienischen Pass besitzt, kartet nicht groß nach. Es ist diese afrikanische Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu leben, sich nicht groß Gedanken zu machen über die nähere oder fernere Zukunft, die er nicht verloren hat, auch wenn er schon mit fünf Jahren mit seinen Eltern nach Italien zog.
Dies hilft ihm sicher dabei, auch wenige Tage vor dem Saisonende nicht zu wissen, wo er in der kommenden Saison spielen wird. „Für mich als Fußballprofi ist das nicht ungewöhnlich. Im Fußball kann es so schnell gehen. In einer Woche spielst du, plötzlich bist du verletzt. So ist das im Leben." Der FC Augsburg hat sich zwar eine Kaufoption in Höhe von 6,5 Millionen Euro gesichert, als er Yeboah im Januar vom italienischen Zweitligisten vorerst für die Rückrunde auslieh, doch ob der FCA so viel Geld ausgeben will, ist nicht sehr wahrscheinlich. "Ich kann dazu nicht viel sagen. Die Entscheidung liegt beim FCA. Es ist richtig, dass es eine Kaufoption gibt, aber das besprechen wir nach der Saison", gibt sich Yeboah entspannt. Grundsätzlich ist man beim FCA mit dem Neffen des Ex-Bundesliga-Stars Anthony Yeboah zufrieden. Darum ist die Türe noch nicht zu. Die FCA-Funktionäre gelten als geschickte Verhandler. Eventuell drücken sie den Kaufpreis oder versuchen Yeboah noch einmal auszuleihen.
Kelvin Yeboah reißt sich im Test gegen den FC St. Gallen zwei Außenbänder im Sprunggelenk
Denn der Stürmer hat durchaus angedeutet, warum ihn der damalige Erstligist Genua CFC im Januar 2022 für 6,5 Millionen Euro von Sturm Graz an die ligurische Küste in die Serie A geholt hatte. Gleich in den ersten beiden Spielen nach der durch die WM verlängerten Winterpause bereitete er gegen Dortmund und gegen Gladbach einen Treffer vor. Mitte Februar, beim 1:0-Heimsieg gegen die TSG 1899 Hoffenheim, stand er dann erstmals in der Startelf. Der dribbelstarke, aber manchmal etwas überhastet wirkende Offensivspieler schien auf einem guten Weg. Doch dann riss er sich Ende März beim Testspiel gegen den FC St. Gallen zwei Außenbänder im Sprunggelenk.
Es folgte eine konservative Behandlung und fünf Wochen Pause. Erst gegen Eintracht Frankfurt kehrte er ins Team zurück. "Ich hätte natürlich gerne mehr gespielt, aber dann kam die Verletzung. Das kann man nicht planen, das ist der Fußball." Doch er hat noch eine Mission mit dem FCA: "Wir sind aber noch nicht fertig." Jetzt will er noch mithelfen, den Klassenerhalt endgültig zu sichern. Am liebsten mit einem Sieg gegen Dortmund. Dass die Borussia um die Meisterschaft kämpft, interessiert Yeboah nicht. "Wir wollen zu Hause gewinnen. Man muss mit der Erwartung ins Spiel gehen, dass man gewinnt, dann gewinnt man meist auch.“
In Genua musste er mit seinen Kollegen den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten. “In Genua war die Mannschaft ganz anders. Wir hatten viele Wechsel und viele Tiefs. Wir waren Letzter oder Vorletzter. Hier haben wir ein gutes Klima und fünf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz", sieht er keine Parallelen. Im Januar 2022 gekommen, musste er am Ende der Saison mit dem CFC den Gang in die Serie B antreten. Dort, im Unterbau der Serie A, waren seine Schnelligkeit im Umschaltspiel, seine Dribbelstärke in der Geschwindigkeit nicht so gefragt, dort musste Genua selbst das Spiel gegen dicht gestaffelte Gegner machen. Am 6. Mai sicherte sich der CFC mit einem 2:1-Sieg gegen Ascoli den vorzeitigen Wiederaufstieg. Genau am 23. Geburtstag von Yeboah, den er mit dem FCA beim 1:0-Sieg gegen Union Berlin feierte.
Stadtrivale Sampdoria Genua steigt ab
In Genua waren die CFC-Fans außer Rand und Band. Zogen ausgelassen in den engen Gassen zum zentralen Punkt der Stadt, der Piazza de Ferrari. Was die Stimmung noch anfeuerte: Der verhasste Stadtrivale Sampdoria Genua, mit dem man sich das städtische Stadion teilen muss, steht schon länger als Absteiger aus der Serie A fest. "Ich wusste, dass sie es schaffen werden. Es ist wichtig, dass CFC wieder zurück in der Serie A ist. Das wird der Liga guttun", freut sich Yeboah über den Erfolg seines Stammvereins, dem ältesten italienischen Klub, der 1893 gegründet wurde.
Was der Aufstieg für seine Zukunft bedeutet, damit will er sich noch nicht beschäftigen: "Es ist nicht der richtige Moment, um über meine persönliche Situation nachzudenken. Wir sind hier in einer Situation, in der ich auf die nächsten Spiele fokussiert bleibe." Um es vielleicht noch ein wenig besser zu machen als in Bochum.