Die Pfiffe von Jess Thorup kommen laut und deutlich. Dazu braucht der neue Trainer des FC Augsburg bei seiner ersten Übungseinheit am Dienstagvormittag keine Pfeife und keine Finger. „Das habe ich mir schon lange selbst beigebracht, ich brauche meine Hände und Füße zum Erklären“, erzählt der Däne nach seinem Debüt auf dem Platz.
Um 8 Uhr in der Kabine, pünktlich um 10.30 Uhr im Mittelkreis
Punkt 10.30 Uhr hatte er die Spieler im Mittelkreis zu einer kurzen Besprechung versammelt und dann begann seine Arbeit vor rund 50 Zuschauern und bei gerade mal zwei Grad und Nebel. „Wie in Dänemark“, scherzt Thorup später. Sein Arbeitstag startete aber schon um 8 Uhr in der Kabine. Eine halbe Stunde später traf er sich mit Sportdirektor Marinko Jurendic. Dann stellte er sich bei den Spielern vor. „Ich hatte vor dem Training ein kurzes Gespräch vor der Mannschaft“, verrät er. Dabei bleibt es aber nicht: „Von heute ab werde ich versuchen, mit jedem Spieler einzeln zu sprechen. Ich will ihn nicht nur als Fußballer kennenlernen, sondern auch als Mensch.“
Kurz nach 10 Uhr radelte er dann gut gelaunt zum Trainingsplatz, um frühzeitig vor Ort zu sein. Nach dem Warmmachen mit kleinen Passformen, Fünf-gegen-zwei-Gruppen lag sein Hauptaugenmerk auf einem Spiel auf einem schmaleren Spielfeld mit allen Profis. „Ich wollte die Spieler erst einmal kennenlernen. Da ging es nicht so viel um Dreier-Vierer- oder Fünferkette, sondern mehr um unser Mindset in der Offensive und Defensive. Dass wir alle zusammenarbeiten müssen. Das war unser Thema heute.“
Jess Thorup gibt seine Kommandos auf dem Platz auf Englisch
Das Feld hatte er unterteilt, für den Spielaufbau nur zwei Kontakte vorgegeben, um möglichst schnell umzuschalten. Was auffiel: Beide Teams agierten mit einer Viererkette. An der Seitenlinie ging Thorup engagiert mit, begleitete die Konter sogar mit einem kurzen Sprint, feuerte an, zeigte an, wohin die Spieler passen und laufen sollten. Und unterbrach mit einem Pfiff, wenn er es für nötig hielt. „Think fast, play fast“, war dabei zu hören. Seine Interviews führt Thorup auf Deutsch, auf dem Platz gibt er seine Kommandos auf Englisch. Da fühlt er sich sicherer, will keinen Zweifel aufkommen lassen, was er meint und wie er es meint. Seine Ansagen sind laut, prägnant und kurz. Er vermittelt klar und deutlich: Alles hört auf mein Kommando. Thorup muss erst einmal wieder ein positives Klima schaffen. „Well done“, lobte er einen erfolgreichen Torschuss, „perfect“ einen kraftvollen und mutigen Vertikalpass. Die Intensität ist hoch. Nicht verwunderlich, alle Spieler wissen, die Karten werden jetzt wieder neu gemischt. „Ich muss sagen, für das erste Training war es gut“, zeigt sich Thorup dann auch zufrieden.
Kevin Mbabu wird in Heidenheim wohl fehlen
Nur individuell trainierte Ruben Vargas, der mit einer Leistenverletzung die Länderspiele mit der Schweiz absagen musste. Neben den noch abwesenden Nationalspielern Ermedin Demirovic (Bosnien-Herzegowina), Arne Engels (U21 Belgien) und Mert Kömür (U19 Deutschland) fehlte auch Kevin Mbabu. Der Rechtsverteidiger hatte sich beim Warmmachen vor dem Spiel gegen Darmstadt an der Leiste verletzt und absolviert eine individuelle Reha. Er wird in Heidenheim wohl fehlen.
Seinen Profis will Thorup das Gefühl vermitteln, sie sind wichtig und bekommen wieder oder erstmals eine Chance. So wie Japhet Tanganga. Der 24-jährige Innenverteidiger, der kurz vor Transferende von Tottenham Hotspurs ausgeliehen wurde, hat seine Knieverletzung, die er aus London mitgebracht hatte, auskuriert und kann wieder voll mittrainieren.
Aaron Zehnter wurde aus dem Kader der U23, die am Dienstag ein Punktspiel zu bestreiten hatte, gestrichen und nach oben gezogen. Thorup wollte ihn dabeihaben. „Das hat mich gefreut“, sagt der 18-jährige Linksverteidiger. Arne Maier, der seinen Stammplatz zuletzt auf der Bank hatte, ist zufrieden: „Das war echt gut heute.“
Aufbruchstimmung unter den Zuschauern
Es herrscht wieder eine gewisse Aufbruchstimmung. Auch unter den Zuschauern. „Da ist schon ein anderer Zug drin als zuletzt unter Enrico Maaßen“, erzählt ein junger FCA-Fan. Er ist Anfang 20. War auch unter Enrico Maaßen regelmäßig Gast beim Training. Die Trennung von Maaßen war für ihn „dringend“ nötig: „So konnte es nicht mehr weitergehen.“ Von Thorup erwartet er vorerst keine großen taktischen Finessen. „Das ist nicht so wichtig. Jetzt beginnen alle Spieler wieder bei null. Maaßen hatte schon seine drei, vier Lieblinge. Ich will nur wieder ansehnlichen Fußball sehen.“
Thorup konzentriert sich auf seine Mannschaft, nicht auf Heidenheim
Das wird aber nicht reichen. Thorup braucht auch schnell positive Ergebnisse. Am besten schon am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) im Auswärtsspiel beim Aufsteiger 1. FC Heidenheim. Mit dem Gegner will er sich gar nicht so viel beschäftigen. „Die Spezialisten aus meinem Staff werden sich um Heidenheim kümmern, ich mich um meine Spieler und unsere Taktik. Das alleine ist jetzt für mich wichtig.“ Auch das ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein und manchmal ein stärkers als ein lauter Pfiff.