Als Schiedsrichter Felix Zwayer mit seinem Schlusspfiff nach 94 Minuten den 2:1 (1:1)-Heimsieg des FC Augsburg gegen Werder Bremen amtlich machte, da gab es für Stefan Reuter kein Halten mehr. Wie in seinen besten Tagen bei Bayern München als Außenbahnspieler stürmte er auf das Feld und herzte jeden seiner Spieler, wie wenn der FCA das DFB-Pokalfinale gewonnen hätte.
FCA hat nun acht Punkte Vorsprung vor dem Schlussquartett in der Bundesliga
Für den Trophäen-Schrank war der vierte Heimsieg in Folge im Jahr 2023 sicher nicht so wertvoll, aber für den Verbleib in der Bundesliga und damit für das Kerngeschäft war er enorm wichtig. Der FCA baut die WWK-Arena weiter zur Festung aus, sammelt seine Punkte für ein 13. Jahr in der Bundesliga derzeit nur daheim. Mit 27 Zählern ist der FCA zwar noch nicht über den Berg, doch ist das Gipfelkreuz schon zu erkennen, beträgt der Abstand auf das Schlussquartett um das neue Schlusslicht Bochum, Schalke, Hoffenheim und Stuttgart (jeweils 19 Punkte) jetzt doch durchaus beruhigende acht Punkte.
„Wenn du gegen so eine Mannschaft, die sehr reif auftritt, einen Dreier einfährst mit vier Minuten Nachspielzeit, dann ist das schon sehr wichtig“, erklärte Reuter dann später in der Mixedzone seinen emotionalen Ausbruch. „Wir haben heute einen glücklichen Dreier geholt. Es war phasenweise ein wildes Spiel, auch weil wir zu viele Fehler gemacht haben.“
FCA-Trainer Enrico Maaßen zeigt sich nach dem Spiel gegen Bremen selbstkritisch
Trainer Enrico Maaßen freute die eindrucksvolle Heimstärke 2023 („Das ist herausragend.“), thematisierte aber auch, dass sein Team an diesem Nachmittag weit von seinen Erwartungen entfernt war. „Das Positive war die kämpferische Leistung, wir sind über 120 Kilometer gelaufen und haben alles reingeworfen. Allerdings müssen wir auch selbstkritisch sein, wir haben zu viele einfache Fehler gemacht und hätten das ein oder andere Tor mehr kassieren können.“
Denn bis der insgesamt achte Saisonsieg unter Dach und Fach war, erlebten die 30.660 Zuschauer, egal ob FCA- oder Werder-Fans, in der ausverkauften WWK-Arena eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Beide Teams hätten vor allem in der ersten Hälfte auch als Slapstick-Komödianten durchgehen können.
Dabei hatte FCA-Trainer Enrico Maaßen sein Team im Vergleich zur 0:2-Heimniederlage gegen Hertha BSC auf drei Positionen verändert. Der defensiver ausgerichtete Mads Pedersen ersetzte Iago und vorne begannen Ruben Vargas und Dion Beljo anstelle von Kelvin Yeboah sowie den leicht angeschlagenen Mergim Berisha. Der konnte aufgrund von muskulären Problemen die Woche über nicht voll trainieren und saß gegen Werder erstmals in seiner Zeit beim FCA zunächst nur auf der Bank. Das Duell mit Werder-Stürmer Niclas Füllkrug fiel vorerst aus.
Dion Beljo erzielt sein erstes Tor in der Bundesliga für den FC Augsburg
In die Rolle des Torjägers beim FCA schlüpfte dafür Berisha‘s Ersatzmann Dion Beljo. Der 19-jährige Kroate deutete an, warum der FCA im Winter drei Millionen Euro an NK Osijek für ihn überwiesen hat. Einen Befreiungsschlag von Robert Gumny verarbeitete er so gut, dass er die Bremer Innenverteidigung hinter sich ließ und mit einem strammen Linksschuss ins lange Eck das 1:0 (5.) erzielte. Es war in seinem siebten Spiel sein erster Treffer in der Bundesliga. „Sensationell gemacht“, schwärmte Reuter.
Es gab aber auch genügend Hobbykicker-Szenen. Nur vier Minuten nach der FCA-Führung hatte Renato Veiga einen Total-Blackout. Der 19-jährige Portugiese spielte dem Werderaner Niklas Uwe Schmidt vollkommen unbedrängt im eigenen Strafraum den Ball in den Fuß, doch Gikiewicz verhinderte Schlimmeres. In der 16. Minute patzte dann aber auch der FCA-Torhüter. Bei einer eigentlich harmlosen Flanke von Leonardo Bittencourt waren sich Gikiewicz und sein Kapitän Jeffrey Gouweleeuw nicht einig und so sagte Jens Stage am zweiten Pfosten Danke und köpfte unbedrängt zum 1:1 (16.) ein. Es war das erste Gegentor für den FCA in der WWK-Arena im Jahr 2023.
Danach holten beide Teams etwas Luft. FCA-Trainer Maaßen nahm den diesmal völlig indisponierten und mit gelb vorbelasteten Veiga in der 33. Minute vom Platz und brachte Maximilian Bauer. Der Niederbayer wirkte dann vor allem in Halbzeit zwei als Stabilisator.
Die Slapstick-Einlagen gingen zuvor aber auf beiden Seiten munter weiter. So durfte Ermedin Demirovic nach einem groben Bremer Ballverlust frei auf Jiri Pavlenka zulaufen, doch der FCA-Stürmer scheiterte am Werder-Keeper (36.). Für Gelächter sorgte in der 37. Minute Linksverteidiger Mads Pedersen, der einen Bremer austrickste, beim Flanken aber ein Luftloch schlug und hinfiel.
Auf der anderen Seite stoppte Gikiewicz Füllkrug (42.). Es ging bei diesem Fehlerfestival hin und her, bis Felix Zwayer zur Halbzeit pfiff.
Julian Baumgartlinger stabilisiert das FCA-Spiel
In der Pause ersetzte Maaßen dann den diesmal etwas überfordert wirkenden Niklas Dorsch durch Julian Baumgartlinger. Der zweite Stabilisierungsfaktor, wie sich später herausstellen sollte. Der Österreicher feuerte seine Teamkollegen dann vor dem Anpfiff noch einmal an und fand sofort Gehör. Einen wunderbaren Konter über Demirovic, Beljo, Vargas und wieder Demirovic schloss Arne Maier nach nicht einmal einer Minute zur 2:1-Führung (46.) ab.
In der 68. Minute kam dann Berisha für Vargas und Iago für den gelb-rot gefährdeten Pedersen. Es blieb weiter spannend. Auch, weil Berisha blass blieb. Füllkrug war da der klare Punktsieger, obwohl er mehrmals im FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz seinen Meister fand. Der legte sich dann wieder mit den Werder-Fans an, sagte dann noch ein paar Werder-Spielern die Meinung, ehe sich alles wieder beruhigte und Werder die Heimreise mit leeren Händen antreten musste.
FCA muss sich beim Gastspiel beim FC Bayern München steigern
Zweimal hatte der FCA die Gäste kalt erwischt, das reichte diesmal, weil die FCA-Profis leidenschaftlich verteidigten, aber auch weil die Bremer bei 17:9 Torschüssen zu viele Chancen liegen ließen. FCA-Trainer Maaßen gab dann auch freiwillig zu: „Insgesamt war es ein richtig dreckiger Sieg, weil wir uns die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen, anders vorstellen.“ Diese Leistung, so Maaßen weiter, „wird in München nicht reichen. Da müssen wir uns in allen Bereichen steigern, um etwas mitzunehmen“. Beim FC Bayern, der seine Tabellenführung mit einem 2:1-Sieg in Stuttgart verteidigte, tritt der FCA am kommenden Samstag an.