Gratulation zur Vertragsverlängerung als gesamtverantwortlicher Geschäftsführer (CEO) bis 2029. Einfache Frage: Warum?
Michael Ströll: Weil ich seit 18 Jahren diesen Weg im Profibereich mit dem FCA mitgestalten und verantworten darf, mir der Klub enorm ans Herz gewachsen ist und ich eine besondere Verbundenheit zum FCA habe. Außerdem ist unser Weg hier noch nicht zu Ende.
Seit Sie beim FC Augsburg in verantwortlicher Position arbeiten, ging es kontinuierlich bergauf. Der FCA ist finanziell kerngesund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da keine anderen Angebote für Sie gegeben hat, zu einem anderen Klub zu wechseln.
Ströll: Sicher gab es immer mal wieder Anfragen. Aber ich habe mich mit keiner einzigen wirklich auseinandergesetzt, weil der FCA mein Verein ist und die Rahmenbedingungen für mich hier optimal sind. Ich bin jetzt 39 Jahre alt. Wenn mein Vertrag endet, dann bin ich mehr als mein halbes Leben beim FCA. Das ist mehr als ein Job für mich.
Ist es auch nicht so, dass das Arbeitsumfeld hier für einen alleinigen Geschäftsführer ideal ist? Die Zusammenarbeit mit den Gremien ist sehr gut, die Sponsorenseite ist stabil, für den Investor ist der FCA mehr als ein Investment. Das Stadion ist abbezahlt, es gibt ein neues NLZ. Bei der Umsetzung Ihrer Ziele müssen Sie keine großen Kompromisse eingehen.
Ströll: Kompromisse musst du in dieser Position immer eingehen. Aber Sie haben recht, die Gestaltungsmöglichkeiten hier im Klub sind sehr gut.
Ein neuer Vertrag wird sicherlich besser dotiert. Liegt der Geschäftsführer jetzt in der gleichen Gehaltsklasse wie der Topstürmer oder der Trainer?
Ströll: Ich weiß, wie privilegiert wir in der Fußballbranche sind. Uns geht es, die wir im Profifußball Verantwortung haben, wirtschaftlich gut. Für mich waren jedoch andere Themen entscheidender.
Beim FCA sind Sie durch Walther Seinsch und Andreas Rettig geprägt worden.
Ströll: Unter anderem aber auch durch weitere Menschen wie zum Beispiel Peter Bircks. Er hat mir beigebracht, dass es immer ein Geben und Nehmen ist. Peter hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, dass beide Parteien mit einem guten Gefühl vom Tisch aufstehen sollten – egal, wem man gegenübersitzt. Aber ich konnte von allen lernen. Egal, ob es Walther Seinsch, Andreas Rettig, Peter Bircks, Klaus Hofmann, Stefan Reuter oder Max Krapf waren und sind.
Was haben Sie von Walther Seinsch mitgenommen?
Ströll: Er hat mich sicherlich am meisten geprägt. Unter anderem, dass wir in Augsburg, und das ist sein Vermächtnis, nie über unsere Verhältnisse leben und nicht mehr ausgeben, als wir haben.
Von Andreas Rettig?
Ströll: Dass man für seine Ziele sehr kämpfen und dabei auch mal über das Limit hinausgehen muss.
Von Klaus Hofmann?
Ströll: Sein Denken in Visionen und der Weitblick, wo es hingehen kann.
Von Stefan Reuter?
Ströll: Bei Stefan ist es unter anderem die unglaubliche Bodenständigkeit und seine Menschlichkeit im Umgang mit anderen. Er begegnet jedem auf Augenhöhe.
Von Markus Krapf?
Ströll: Er ist Augsburger durch und durch, hat großes Verständnis für und eine Nähe zu den Menschen hier. Diese Nähe haben wir auch durch ihn wieder verstärkt aufbauen können, und diese Bedeutung vermittelt er uns immer wieder.
Hat man Stefan Reuter mit der Beraterposition nicht einfach elegant an die Seitenlinie gestellt?
Ströll: Er ist nun einfach in einer etwas anderen Funktion tätig. Aber dieser Außenblick ist für uns wertvoll. Wir tauschen uns in einem regelmäßigen Turnus aus und reisen zu fast allen Auswärtsspielen. Er ist weiterhin nah dran am Klub. In unseren Gesprächen gibt es auch mal unterschiedliche Meinungen oder Blickwinkel, die uns aber am Ende nur helfen, uns stärker zu reflektieren und besser zu werden. Das ist ein Baustein von vielen, welche dazu führen, dass wir erfolgreich sein können.
Sie haben zuletzt die Strukturen im Verein mit Christoph Janker als technischem Leiter ausgebaut. Einen neuen Geschäftsführer Sport braucht der FCA anscheinend nicht. Warum?
Ströll: Wir haben mit Sportdirektor Marinko Jurendic sowie Christoph Janker und Heinz Moser drei Personen mit großer Expertise im sportlichen Bereich. Sie haben entsprechende Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten. Am Ende erfolgt dann der finale Austausch zwischen Marinko und mir.
Sie haben vorhin gesagt, der Weg ist noch nicht zu Ende. Führt er vielleicht schon in dieser Saison nach Europa?
Ströll: Wir stehen gerade erst am Anfang unseres neu eingeschlagenen Weges. Unser primäres Ziel war und ist es immer noch, die Mannschaft weiter zu stabilisieren. Diese Trendwende wollten wir mit dem Trainerwechsel einleiten. Wir stehen durch großartige Leistungen unseres Teams im Moment auf dem siebten Tabellenplatz. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, wo wir vor knapp einem Jahr standen. Da herrschte fast schon eine tiefe Depression, weil wir nur durch den Punktgewinn der Hoffenheimer die Klasse direkt gehalten haben und nicht aus eigener Kraft. Das darf man nicht vergessen, weswegen uns eine gewisse Demut auch guttut. Wir sind ambitioniert und wollen diese Saison so positiv wie möglich abschließen. Wenn wir frühzeitig die Klasse halten, vielleicht so früh wie nie zuvor, wäre das schon eine Leistung vor dem Hintergrund der vergangenen Jahre.
Das könnte, wenn alles optimal läuft, schon nach dem Spiel in Hoffenheim der Fall sein.
Ströll: Ja, das ist möglich. Selbst in der Saison 14/15, als wir uns als Fünfter für die Europa League qualifiziert haben, gelang uns das erst am 30. Spieltag.
Trotzdem, viele im Umfeld träumen wieder von Reisen nach Alkmaar, Bilbao, Belgrad oder Liverpool. Nervt das?
Ströll: Es nervt uns nicht, weil es uns im Klub nicht beschäftigt. Wir wollen diese Entwicklung der vergangenen Monate fortschreiben. Wir wissen aber auch, dass wir noch sieben Spiele vor der Brust haben, die herausfordernd sind. Wir spielen gegen drei absolute Topteams und drei weitere Mannschaften, die in den Top Ten beheimatet sind. Wir müssen bei allen Ambitionen, die wir haben, auch realistisch bleiben.
Wäre das internationale Geschäft wirtschaftlich notwendig?
Ströll: Notwendig ist das internationale Geschäft nicht, weil wir sehr solide aufgestellt sind. Aber wie für jeden anderen Klub in der Bundesliga ist es grundsätzlich nicht unlukrativ.
Sollte sich der FCA für Europa qualifizieren, müsste man dann den Kader breiter aufstellen?
Ströll: Sich mit solchen Themen sieben Spieltage vor Saisonende zu beschäftigen, ist aktuell nicht zielführend. Wir konzentrieren uns auf Sonntag und das Spiel in Hoffenheim. Das ist eine Mannschaft, die aktuell tabellarisch mit uns auf Augenhöhe ist, von den Voraussetzungen aber deutlich vor uns liegt. Mit denen wollen wir uns sportlich messen, da wollen wir bestehen.
Auch rechnerisch kann der Klassenerhalt bereits am Sonntag in Hoffenheim feststehen. Sie können jetzt schon in die Planungen gehen, weil Sie wissen, dass Sie auch in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen werden. Diese Ausgangsposition ist doch eine riesige Chance. Wie wird der Etat für die neue Spielzeit aussehen?
Ströll: Wir haben im vergangenen Jahr erstmalig einen bewussten Verlust einkalkuliert. Wir werden auch dieses Jahr einen Verlust einfahren, weil wir in den Sport und in professionelle Strukturen investiert haben. Wir sind überzeugt, dass sich das auszahlt. Es sieht gerade sehr danach aus und, je nachdem, wie wir die Saison, Stichwort Fernsehgeld, beenden, werden wir uns damit beschäftigen, was wir investieren können.
Wie hoch wird der Personaletat in der kommenden Saison sein?
Ströll: Es hängt davon ab, wie die finale Einnahmesituation ist. Wir sind ein Verein, der sich auch über Transfererlöse weiterentwickeln muss. Das war schon in den vergangenen Jahren so, das wird auch so bleiben. Wir liegen, je nachdem, wie wir am Ende abschneiden, beim gesamten Personaletat grob zwischen 45 und 50 Millionen Euro. Da sind wir trotzdem noch unter den letzten vier bis fünf Vereinen in der Bundesliga.
Mit dieser Aussage gewinnen Sie keinen Fan-Preis.
Ströll: Aber es ist die Realität, und deswegen ist das einzuordnen. Nichtsdestotrotz wollen wir unsere Ambitionen leben. Unser Ziel ist es, immer mal wieder in die Top Ten reinzustoßen. Damit artikulieren wir klar, dass wir sportlich überperformen wollen im Vergleich zu unseren wirtschaftlichen Voraussetzungen.
Der FCA hat immer wieder betont, dass man jetzt auch vermehrt auf den eigenen Nachwuchs setzt. Es wurde immer wieder der Name Mert Kömür genannt. Er wartet aber immer noch auf seinen ersten Bundesliga-Einsatz.
Ströll: Das ist auch das klare Ziel. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Mert erst 18 Jahre alt ist. Er hatte bereits seine ersten Kader-Nominierungen. Das ist ein weiterer Schritt in seiner Entwicklung und zeigt, dass er eng am Bundesligadebüt dran ist. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen. Wenn er sich so weiterentwickelt, dann wird er auch in der Bundesliga bei uns auflaufen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass unser Nachwuchsleistungszentrum jahrelang infrastrukturell brach gelegen hat. Wir hatten im Vergleich zu anderen Bundesligisten so gut wie nichts. Jetzt haben wir seit gut einem Jahr die Rahmenbedingungen, die es effektiv zu nutzen gilt. Aber auch da muss man auf dem Boden bleiben, das wird nicht von heute auf morgen gehen. Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren immer wieder Talente in die WWK ARENA zu bringen. Dazu muss aber auch die nötige Qualität vorhanden sein.
Sie haben gerade gesagt, der FCA lebt von Transfererlösen. Provokativ gefragt: Droht am Ende der Saison ein Ausverkauf? Ich denke vor allem an Ermedin Demirovic, Ruben Vargas, Felix Uduokhai und Kevin Mbabu. Iago wird sicher gehen, bei einigen Spielern laufen die Verträge 2025 aus.
Ströll: Nein, ein Ausverkauf droht nicht, weil wir mit Ausnahme von Kevin Mbabu das Heft des Handelns in der Hand haben. Iago hat die Entscheidung, im Sommer in seine Heimat Brasilien zurückzukehren, bereits getroffen.
Auch bei Kristijan Jakic? Hat der FCA die Kaufoption schon gezogen?
Ströll: Auch bei Kristijan. Wir haben die Option noch nicht gezogen, sie läuft aber über die Saison hinaus.
Ich habe Sie unterbrochen.
Ströll: Wir müssen aber auch hier Realismus an den Tag legen. Wenn ein Spieler einen deutlichen Schritt nach oben machen kann, ob wirtschaftlich oder sportlich, dann werden wir uns an einen Tisch setzen und darüber sprechen. Ich habe aber bislang noch von keinem Spieler gehört, dass er den FCA unbedingt verlassen will.
Aber für Ermedin Demirovic ist es jetzt die Chance seines Lebens.
Ströll: Er hat immer wieder betont, wie wohl er sich beim FCA fühlt. Sollte so eine Situation aufkommen und akut werden, werden wir uns mit ihm und seinem Berater in Ruhe hinsetzen und schauen, was das Beste für alle Seiten ist.
Sein aktueller Marktwert liegt bei 28 Millionen Euro. Gibt es eine Schmerzgrenze, sagen wir 20 Millionen, wo der FCA sagt, darunter machen wir es nicht?
Ströll: Nein. Stand heute gibt es keine Schmerzgrenze, weil es für uns aktuell kein Thema ist. Aber sollte es so weit kommen, ist es für einen Klub wie den FCA nicht opportun, einfach auf den bestehenden Vertrag zu verweisen. Dann würden wir in den Austausch gehen und schauen, ob wir Lösungen finden. Und wenn das gelingen sollte, dann dürfen wir auch stolz sein, so einen Spieler entwickelt zu haben. Das ist aber kein Abgesang! Wir werden um jeden Einzelnen kämpfen, aber wir müssen einfach wissen, dass es für den FCA auch Grenzen gibt.
Die Erfolge machen auch Trainer Jess Thorup für andere Vereine attraktiv.
Ströll: Jess weiß, was er am FCA hat. Er schätzt dieses Umfeld, auch die kurzen Entscheidungswege, die wir hier haben. Dass die gute Arbeit gesehen und anerkannt wird, das spricht ja für ihn und für uns. Aktuell hat er bis 2025 Vertrag und ich habe keinerlei Anzeichen, dass er den nicht erfüllen wird.
Gibt es denn schon Gespräche über eine Verlängerung?
Ströll: Da halten wir es wie bei anderen Vertragsangelegenheiten. Wenn irgendwas kommunizierbar ist, dann kommunizieren wir es.
Feiert der FCA am letzten Spieltag in Leverkusen den Einzug ins internationale Geschäft und Bayer die Meisterschaft?
Ströll: Wenn Bayer so erfolgreich weiterspielt, hoffe ich, dass wir ihnen am letzten Spieltag die erste Saison-Niederlage beibringen werden. Ansonsten wollen wir frühzeitig die Klasse auch rechnerisch sichern und versuchen, Woche für Woche zu punkten. Dann werden wir am Ende sehen, wofür es reicht.