Um kurz nach 8.45 Uhr stieg Enrico Maaßen am Sonntagmorgen auf dem Parkplatz vor der WWK-Arena aus seinem silbergrauen Audi, begrüßte kurz seinen Co-Trainer Jonas Scheuermann und marschierte in die Kabine. Später leitete er das Training für die Ersatzspieler, die um kurz nach 12 Uhr frisch geduscht das Gelände wieder verließen. Am Sonntagmittag war ihr Wissensstand, dass Maaßen auch am Dienstag ihr Chef sein wird, wenn in der Länderspielpause die Vorbereitung auf das Auswärtsspiel am 22. Oktober beim 1. FC Heidenheim startet. Ob der 39-Jährige da wirklich noch Cheftrainer des Bundesligisten ist? Schwer vorstellbar, denn nach der 1:2-Heimniederlage gegen den SV Darmstadt 98 schrillten am Samstag beim Bundesligisten die Alarmglocken deutlicher lauter als die durchaus hörbaren „Maaßen raus“-Rufe.
Sportdirektor Marinko Jurendic vermied am Samstagabend über eine halbe Stunde lang in der Mixed-Zone der WWK-Arena eine klare Aussage zu Maaßens Zukunft. „Personalien von Angestellten, insbesondere die des Cheftrainers, werden wir nicht öffentlich diskutieren. Das gehört sich nicht“, sagte er klar. Fügte aber auch auf Nachfrage an, dass es Garantien aber grundsätzlich nicht im Leben gebe, für niemanden.
Marinko Jurendic: "Der Trend zeigt nach unten"
Am Sonntag nach dem Training standen dann einige heikle Gesprächstermine an. Mit der Mannschaft, mit dem alleinigen Geschäftsführer Michael Ströll, sicher auch mit FCA-Präsident Markus Krapf, aber vor allem mit dem Trainer. In der Analyse ging es nicht nur um die so irritierende Niederlage gegen Aufsteiger Darmstadt, sondern auch um einen Blick auf alle sieben Bundesligaspiele in dieser Saison. Nur für die trägt er als Sportdirektor die Mitverantwortung, hat der Schweizer seine Stelle doch erst am 1. August angetreten. Seine schmerzhafte Erkenntnis: „Der Trend zeigt nach unten.“
FC Augsburg: Tiefpunkt Darmstadt-Spiel
Das 1:2 gegen Darmstadt war der bisherige Tiefpunkt. „Einfach brutal enttäuschend“, sei das Spiel gewesen. Die Mannschaft wirkte total verunsichert, setzte über weite Strecken der Partie die Vorgaben des Trainers gar nicht um und ließ sich von den Darmstädtern teilweise sogar vorführen. Die führten mehr als verdient nach Toren von Tim Skarke (57.) und Tobias Kempe (70./FE) mit 2:0. Erst in der Schlussphase, als der FCA "Alles oder Nichts" spielte, kam der Gast in Bedrängnis, doch mehr als das 1:2 durch Ermedin Demirovic (86.) sprang nicht mehr heraus.
"Maaßen-raus"-Rufe, aber auch aufmunternden Beifall
Maaßen stellte sich dann mit den Spielern den Reaktionen der Fans vor der Ulrich-Biesinger-Tribüne. Es gab Pfiffe, „Maaßen-raus“-Rufe, aber auch aufmunternden Beifall, vor allem von den Ultras. Es wirkte fast schon wie eine Abschiedstour. Nach dem Spiel versprach Maaßen zwar, „alles dafür zu geben, dass ich weiterhin hier Trainer bin“. Doch musste auch er einräumen, dass er dafür verantwortlich sei, „die Spieler bestmöglich einzustellen und, dass wir erfolgreichen Fußball spielen“. Doch das tut der FCA unter ihm nur selten.
Zwei Siege aus den vergangenen 19 Pflichtspielen, den direkten Klassenerhalt in der vergangenen Saison am Ende fast noch verspielt, seit einem Jahr ohne Auswärtssieg. In dieser Saison das DFB-Pokal-Aus schon in der ersten Runde in Unterhaching und in der Liga stehen fünf Zähler zu Buche. „Rein punktemäßig ist es ungenügend, wir sind im Minus, das reicht nicht“, urteilte Jurendic.
Michael Ströll und Stefan Reuter leiteten Verjüngungskur ein
Zumal Michael Ströll vor dem Spiel in der Stadionzeitung von der „Pflicht“ geschrieben hatte, „einen Sieg zu landen“. Es wurde eine Niederlage. Im Juli 2022 hatten er und Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter dem FCA eine radikale Verjüngungskur verschrieben und dafür Maaßen von Dortmunds U23 aus der dritten Liga in die Bundesliga gehievt. Er sollte einen erfrischenden Spielstil etablieren und vor allem jüngere Spieler einbauen. Dafür bekam er in zwei Verpflichtungswellen im Winter und jetzt im Sommer durchaus vielversprechende Talente, aber nicht aus dem obersten Regal.
Jeffrey Gouweleeuw platzt der Kragen
Jung und unerfahren – darin sieht auch der dienstälteste FCA-Profi, Jeffrey Gouweleeuw, den Ursprung der Probleme. Der 32-jährige Ex-Kapitän, dessen Vertrag im Sommer nicht mehr verlängert wird, machte aus seinem Herz am Samstag keine Mördergrube. „Dass man es in der Bundesliga nicht schafft, nur mit jungen Spielern und mit einem Trainer, der auch nicht so viel Erfahrung hat, ich glaube, das ist einfach sehr schwierig und das haben wir jetzt auch gesehen.“ Er fügte an: „Die Frage ist: Reicht die Qualität?“
Maaßen nahm er sogar in Schutz: „Man darf sich fragen, wie viel ist der Trainer involviert bei dem neuen Weg? Da sind viel mehr Leute im Hintergrund, wo sind die jetzt?“ Damit meinte er vor allem Stefan Reuter, der inzwischen nur noch als Berater fungiert und wohl auch Michael Ströll.
Mit den ersten möglichen Maaßen-Nachfolger wird spekuliert
Beim FCA steht im 13. Bundesliga-Jahr plötzlich alles infrage. Es spricht viel für Maaßens Beurlaubung, für die erste Trainerentlassung in dieser Saison. Erste Namen machten am Samstag schon die Runde. Stefan Kuntz, Andre Breitenreiter, Ralf Hasenhüttl oder auch der unbekannte Schweizer Trainer Giuseppe Morello.
Marinko Jurendic ist fair genug, Maaßen nicht als Allein-Schuldigen zu brandmarken, aber er muss Antworten geben. Am Sonntag schwieg man beim FCA noch.