„Verdammt lang her“ – das ist der Titel unserer Serie, in der wir große Sportlerinnen und Sportler von einst zum Interview gebeten haben. Im 15. Teil sprechen wir mit Axel Schulz. Der Schwergewichtsboxer verlor am 22. April 1995 im Spielerparadies Las Vegas seinen Weltmeisterschaftskampf gegen Altmeister George Foreman. Äußerst umstritten nach Punkten, denn der Außenseiter aus Bad Saarow in Brandenburg hatte den bereits 45-Jährigen mehrfach ins Wanken gebracht. Mit seinem beherzten Auftreten hatte sich der heute 43-Jährige jedoch weltweit viele Sympathien gesichert. Von denen er heute noch profitiert.
Axel Schulz: Eine offizielle Begründung des Senders gibt es nicht und die brauche ich auch nicht. Wahrscheinlich war ich zu ehrlich. Beim vorletzten Kampf von Felix Sturm (gegen den Briten Matthew Macklin, Anm. d. Red.) habe ich ihn als Verlierer gesehen und das auch klar gesagt.
Schulz: Ich hatte eine Anfrage zu einer Charity-Veranstaltung in Magdeburg, hatte mir aber den Termin 2. November wegen des Sturm-Kampfes freigehalten. Auf einmal meldete sich mein Manager bei mir aus Florida und bat mich, ich solle doch mal bei Sat.1 anrufen und fragen, ob ich beim nächsten Auftritt von Sturm wieder dabei bin. Er hatte offensichtlich etwas geahnt. Ich habe mich gleich beim Sender gemeldet. Der verantwortliche Redakteur hat mir durch die Blume zu verstehen gegeben, dass ich raus bin. Auf Markus Beyer bin ich nicht sauer, ich würde es ja genauso machen.
Schulz: Die Quoten sinken. Muss ich noch mehr sagen?
Schulz: Es ist langsam an der Zeit, dass in den verschiedenen Gewichtsklassen auch die Besten aufeinandertreffen, sonst liegt das Profiboxen bald ganz am Boden. Die Leute finden es nicht mehr glaubhaft, dass Männern wie Felix Sturm angeblich die Gegner fehlen. Warum tritt er nicht endlich gegen Arthur Abraham, Gennadij Golowkin aus Kasachstan oder den Mexikaner Julio Cesar Chavez an?
Schulz: Es ist Langeweile eingekehrt, da die Klitschkos alles dominieren. Dadurch ist das Interesse zurückgegangen. Ein David Haye, der versucht, mit verbalen Attacken weit unterhalb des guten Geschmacks ins Geschäft zu kommen, ändert daran auch nichts. Es gibt momentan keine ganz großen Kämpfe, wie sie früher unter anderem mit Lennox Lewis, Evander Holyfield oder Mike Tyson ausgetragen wurden.
Schulz: Nein, leider nicht.
Schulz: Ja, gerade so viel, um einigermaßen fit zu bleiben und mein Gewicht zu halten. Dazu gehört auch, dass ich ganz bewusst auf meine Ernährung achte. Ab und zu jogge ich, mache ein bisschen Krafttraining, schwimme und spiele leidenschaftlich Golf.
Schulz: Wie meinen Sie das? Nicht alle Boxer sind blöd (lacht). Aber Spaß beiseite: Ich habe Handicap 23,5. Ich liebe es zu golfen. Es ist ein Hobby, mit dem ich bei Charity-Veranstaltungen Geld für die gute Sache einnehmen kann. Ich spiele rund 15 Turniere pro Jahr.
Schulz: Ich habe meinen Geburtstag in Frankfurt an der Oder gefeiert. Es war mein 21., und ich hatte schon eine eigene Wohnung. Die konnte ich mir deswegen leisten, weil ich damals als Amateursportler relativ erfolgreich war. Ich hatte Freunde zu Besuch, und wir haben im Fernseher gesehen, dass die Mauer geöffnet ist. Einige sind dann gleich nach Berlin gefahren. Ich wollte aber in Frankfurt bleiben, um mit den verbliebenen Freunden weiterzufeiern.
Schulz: Ja, denn gleich danach begann meine Profikarriere, die sehr erfolgreich verlaufen ist. Der Fall der Mauer war neben der Geburt meiner beiden Töchter das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Denn wäre sie nicht gefallen, hätte ich meine Frau nie kennengelernt. Patricia kommt aus dem „goldenen Westen“, ich habe sie rübergeholt in den „wilden Osten“.
Schulz: Gegen George Foreman habe ich mich gut verkauft. Alle Fachleute waren der Meinung, ich hätte den Kampf gewonnen. Die Niederlage hat mir mehr Sympathie eingebracht, als wenn ich ihn besiegt hätte. Dann hätten alle behauptet, ich hätte einen alten Mann geschlagen, und der Sieg wäre nicht viel wert gewesen.
Schulz: Gegen Botha habe ich nicht gerade meinen besten Kampf gemacht. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass er gedopt war, was die Zuschauer in Stuttgart jedoch nicht wissen konnten. Sie waren enttäuscht vom Urteil, es kam zu Tumulten. Stühle, Flaschen und Gläser flogen, sogar die Frau von Bernie Ecclestone hat was abgekriegt. Immerhin durfte ab diesem Tag an den Boxringen dieser Welt nur noch aus „Plaste“ getrunken werden. Michael Moorer, auf den ich in Dortmund traf, weil der IBF-Titel nach dem Skandal um Botha wieder vakant war, war zu stark, gegen ihn hatte ich keine Chance.
Schulz: Warum? Ich habe meine Verträge mal zusammengerechnet. So viel Geld hätte ich mit normaler Arbeit nie verdienen können.
Schulz: Ich war viel zu Hause, mir war teilweise langweilig, obwohl ich einiges an Charity-Veranstaltungen gemacht habe. Als ich dann von Promotor Don King 2005 eine Offerte zu einem Comeback bekam, habe ich zugegriffen. Brian Minto war aber der falsche Gegner, er war zu stark. Ich hätte es erstmal mit irgendeiner „Birne“ versuchen sollen, statt mir die Fresse polieren zu lassen. Da war ich echt zu blöd.
Schulz: Ich fühle mich richtig klasse und habe keine Beschwerden mehr. Im Nachhinein betrachtet hatte ich großes Glück, weil es ein leichter Schlaganfall war. Ein kleiner Teil meines Gehirns wurde nicht richtig durchblutet.
Schulz: Ich hatte ein RTL-Interview mit Sonja Zietlow bei mir zu Hause in Frankfurt, als ich plötzlich ein Kribbeln auf der Zunge spürte, mir schwindelig wurde, ich anfing, ein wenig zu lallen und weiße Punkte vor den Augen hatte. Ich habe sie dann freundlich gebeten, das Interview ein wenig zu beschleunigen und habe einen Freund angerufen, der mich zu meinem Hausarzt gefahren hat. Der hat Gott sei dank gleich die richtige Diagnose gestellt und mich ins Krankenhaus geschickt.
Schulz: Ich habe zu viele Thrombozyten im Blut, das macht mein Blut zu dick. Und weil ich im Kampf gegen Minto zu viele Schläge auf meinen Kopf bekommen habe, hat sich schnell ein Blutgerinnsel gebildet, das den Hirninfarkt auslöste. Schlimmer war aber, dass ich danach einen Arzttermin hatte. Ich bin in seine Praxis, habe ihm einen wunderschönen guten Morgen gewünscht, und er hat mir geantwortet: „So schön ist der Morgen nun auch nicht.“ Dann sagte er zu mir: „Sie haben Blutkrebs!“
Schulz: Es war kurz vor Weihnachten, ich habe, um das Fest nicht zu stören, erst einmal alles für mich behalten und meiner Frau erst am Neujahrsmorgen reinen Wein eingeschenkt. Bis dahin habe ich kaum geschlafen, schließlich ging mir der Tod meiner Mutter durch den Kopf, die im Alter von 54 an meinem Geburtstag an Krebs verstorben war. Meine Frau hat zwar gemerkt, dass ich mich nachts von einer auf die andere Seite geschmissen habe, aber dass ich solche Sorgen hatte, konnte sie nicht ahnen.
Schulz: Bin ich auch, denn drei Wochen nach der erschreckenden Diagnose stellte sich heraus, dass alles auch an den Thrombozyten im Blut lag. Statt normalerweise 300 000 waren es bei mir 1,5 Millionen, und die haben das Blut dick gemacht. Nix Leukämie!
Schulz: In erster Linie bin ich für meine Familie da. Außerdem bin ich bei uns in Frankfurt an der Oder an einem Online-Versand von Laptops, Handys, Kameras und anderem beteiligt. Dort gibt es 184 Mitarbeiter, und wir streben einen Umsatz von 300 Millionen Euro an. Klasse, oder?
Axel Schulz
Geburtsdatum: 9. November 1968 in Bad Saarow.
Wohnort: Frankfurt/Oder.
Familienstand: verheiratet mit Patricia.
Kinder: Paulina (5), Amelina (2).
Beruf: gelernter Fernsehmechaniker, Profiboxer.
Verein: ASK Vorwärts Frankfurt/Oder, danach Profi im Sauerland-Boxstall.
Größte Erfolge: Fünffacher DDR-Jugendmeister, Junioren-Europameister im Halbschwergewicht, DDR-Meister im Schwergewicht, Gewinner des Chemiepokals, EM-Silber- und WM-Bronzemedaillengewinner. Deutscher Profi-Meister im Schwergewicht, drei Welt- und drei Europameisterschaftskämpfe, insgesamt 32 Profi-Kämpfe mit 26 Siegen (elf durch K.o.), fünf Niederlagen (zwei durch K.o.) und ein Unentschieden.