- Zum Nachlesen: Unser Liveticker zur Bekanntgabe des EM-Kaders
Mit Matthias Ginter, Christoph Kramer, Ron-Robert Zieler und Erik Durm verzichtete der Bundestrainer auf vier Akteure aus seinem Weltmeister-Kader. Kevin Großkreutz hatte er bereits Anfang des Jahres ausgemustert. „Da stößt man natürlich auf eine große Enttäuschung“, sagte der Bundestrainer über die Telefonate mit diesen Spielern, „aber die Tür zur Nationalmannschaft ist für sie nicht zu. Sie sollten das aber auch zum Anlass nehmen, um die eigene Leistung zu reflektieren.“
Bei der Vorstellung unweit des Brandenburger Tores gewährte Joachim Löw einen Einblick in seine Welt der Entscheidungsfindung. So ist für den 56-jährigen Schwarzwälder nicht nur die fußballerische Klasse maßgebend, „auch Persönlichkeit und das Auftreten auf und neben dem Platz sind wichtig“, so der Bundestrainer. Bei einem Turnier wie der Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) sei es entscheidend, „dass wir eine Einheit bilden und ein bedingungsloses Miteinander schaffen. Das hat uns immer stark gemacht“.
Der vierte Stern muss her
Löws Credo wiederholte er auch am Pariser Platz: „Das Kollektiv ist wichtiger, als jeder einzelne Spieler.“ Der Coach ist sich sicher, dass er mit diesen Spielern das erreichen kann, was Frankreich im Jahr 2000 und Spanien im Jahr 2012 vorgemacht haben: Als Weltmeister auch Europameister zu werden. „Wir sind selbstbewusst, aber nicht überheblich“, sagte der Bundestrainer, „wir sind stark, aber nicht unschlagbar.“ Das Ziel sei der Titel, ergänzte Teammanager Oliver Bierhoff, „der vierte Stern muss auch hier her“. Zuletzt war die Nationalelf 1996 in England Europameister geworden, davor 1972 und 1980.
Im Trainingslager im Tessin soll ab 24. Mai die Basis für den Erfolg gelegt werden. Mit dabei wird dann auch Kapitän Bastian Schweinsteiger von Manchester United sein. Der mit 31 Jahren älteste Spieler im Kader hatte zuletzt massive Verletzungsprobleme. Für seinen Klub hat er in der Premier League in diesem Jahr nur zwei Einsätze absolviert. Löw glaubt aber daran, dass es sein „emotional leader“ zum Turnier schafft. „Er ist voll belastbar, wir standen zuletzt ständig in Kontakt.“
Warten auf Podolski und Kroos
Mit dabei ist auch der ewige Lukas Podolski, mit 127 Länderspielen der Akteur mit der meisten Erfahrung, aber wahrscheinlich auch derjenige mit den meisten Vorbehalten bei den Fans. „Lukas ist eine Persönlichkeit, aber er hat auch einen sportlichen Wert für die Mannschaft, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen“, sagte Löw mit einem kleinen Seitenhieb auf die Kritiker. Podolski wird erst später zum Team stoßen, er steht mit Galatasaray Istanbul am 25. Mai im türkischen Pokalfinale. Auf Toni Kroos muss Löw noch länger warten, er bestreitet mit Real Madrid das Champions-League-Finale am 28. Mai.
Der Kader wird getragen vom Gerüst aus Spielern der erfolgreichen Weltmeister-Mannschaft. Torhüter Manuel Neuer, die Innenverteidiger Mats Hummels und Jérôme Boateng sowie die Mittelfeld- und Offensivspieler Toni Kroos, Thomas Müller, Mario Götze, Mesut Özil oder Sami Khedira bilden die Säulen des Teams, zudem sich eben jene Neulinge gesellen, „die sich natürlich wahnsinnig gefreut haben, als wir sie heute mit der Nachricht aus dem Bett geklingelt haben“, sagte Löw. Die Überraschung hat Methode in der Ära Löw, immer wieder zauberte er Akteure wie Marko Marin, Holger Badstuber, Julian Draxler oder zuletzt 2014 Shkodran Mustafi aus dem Hut, Spieler, mit denen kaum einer gerechnet hatte.
Niveau der Bundesligatorhüter sehr hoch
Die nun geadelten Talente müssen sich in der Vorbereitung beweisen. Bis zum 31. Mai muss Löw noch vier der 27 vorläufig Nominierten streichen. „Es gibt im Moment keine potentiellen Streichkandidaten“, sagte der Bundestrainer, „es wird einen echten Konkurrenzkampf geben“. Den gibt es auch im Tor – allerdings nur um den Stellvertreter-Posten. Die Nummer eins ist an Manuel Neuer vergeben. Dass diesmal die Wahl auf Bernd Leno und Marc-André ter Stegen fiel, sei ein Prozess gewesen. Das Niveau der Bundesligatorhüter sei sehr hoch, so Bundestorwarttrainer Andreas Köpke. „Die Entscheidung ist uns schwer gefallen, aber wir stehen zu ihr.“
Der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel gab für die Tour de France der deutschen Fußballer eine einfache Losung aus: „Hauptsache erfolgreich.“ Dass aber bei dieser EM nicht nur der Fußball im Blickpunkt stehen wird, zeigte sich an den Schülern der achten Klasse des Berliner John-Lennon-Gymnasiums. Sie hatten einen Mal-Wettbewerb zum Thema „Fußball verbindet“ gewonnen und durften der Kader-Nominierung beiwohnen. Vielleicht ist der Schulname kein Zufall. „Give peace a chance“ heißt einer der größten Hits von John Lennon. Angesichts der Terroranschläge im vergangenen November in Paris ist es auch für Bundestrainer Joachim Löw ein Wunsch, dass es nicht nur erfolgreiche Spiele in Frankreich werden, „sondern vor allem friedliche“.