So weit ist Jesús Vallejo Lázaro schon gekommen: Die Leihgabe von Real Madrid darf gleich neben Alexander Meier jubeln. Zumindest auf dem „Weihnacht Frankfurt Adventskalender“, bei dem auf der Eintracht-Homepage jeden Tag bis Heiligabend ein neues Türchen aufgeht, das dem Anhänger beispielsweise einen Besuch im Vereinsmuseum inklusive Fanschal zu einem verbilligten Preis nahe legt. Das wahre Schnäppchen bei den hessischen Überfliegern, die an diesem Freitag im Verfolgerduell gegen die TSG Hoffenheim (20.30 Uhr) eine Art vorgezogene Bescherung planen, ist indes jener abgebildete Verteidiger mit dem schwarzen Kraushaar, der einen so sympathisch anlächelt.
Vallejo ist der Typ höflicher Abräumer mit allerbesten Referenzen. Hat die Liga aktuell ein besseres Preis-Leistungsverhältnis einer Leihgabe zu bieten, die sich heimlich, still und leise zu einer der verlässlichsten Defensivstrategen im deutschen Oberhaus entwickelt hat? Wohl kaum. Ausgerechnet der ob der regen internationalen Einkaufstätigkeit seines Arbeitgebers skeptische Alex Meier sagte kürzlich: „Vallejo, zum Beispiel, der wird bei Real Madrid enden, der Junge ist Weltklasse mit seinen 19 Jahren.“
Selbst die Altgedienten in Frankfurt staunen also über das Selbstverständnis des für sein Alter auf und abseits des Platzes so gereift wirkenden Mitspielers. Der 1,83-Meter-Mann mit dem gepflegten Flachpass, dem seriösen Stellungsspiel und dem wachen Auge ist das beste Beispiel, dass sich auf den Hinterbänken der Renommierklubs einige Talente tummeln, die einen weiterbringen. Vorausgesetzt ein Sportdirektor, Sportchef oder Sportvorstand kennt diese gut genug – und am besten gleich die richtigen Verbindungsmänner hinter dem Präsidenten.
Der Stammverteidiger der spanischen U21-Nationalmannschaft, von Real Madrid im Sommer 2015 unter Vertrag genommen (bis 2021) und dann gleich noch für eine weitere Saison bei seinem Heimatverein Real Saragossa geparkt, stand früh auf dem Einkaufszettel von Fredi Bobic. „Ein Talent, das Experten bekannt war, die gut im Thema drin sind“, sagt Frankfurts Sportvorstand, der Mitte Juli für läppische 300 000 Euro Leihgebühr den Deal abschloss.
Vallejo übertraf alle Erwartungen, was Lernwillen und Anpassungsfähigkeit betrifft. Aufgeschlossen, wissbegierig und wohlerzogen – das ist es, was alle über die Frankfurter Nummer fünf sagen. Vallejos Credo: „Ich versuche, jeden Tag ans Limit zu gehen. Die Bereitschaft, über sich hinauszuwachsen, ist nicht verhandelbar.“
In seiner Geburtsstadt Saragossa, wo er auch fußballerisch ausgebildet wurde, trug er bereits mit 18 Jahren die Kapitänsbinde, und weil das nicht reichte, begann er auch gleich noch ein Jurastudium. Dass der Musterschüler wohl nicht über die Saison hinaus bleiben wird, „so ist das Geschäft“, sagt Bobic, „aber aktuell hilft uns seine sportliche Qualität.“ Sportdirektor Bruno Hübner sieht den Fall ähnlich: „Wir dürfen uns nichts einbilden. Der Junge hat so ein Potenzial, dem steht Tür und Tor offen.“
Aktuell profitieren alle Beteiligten – die Eintracht, Real und der Spieler – von dem Dreiecksgeschäft. Die Ausbildungsstufe über den Bundesliga-Umweg erinnert ein bisschen an Daniel Carvajal, der vor vier Jahren bei Bayer Leverkusen genau diesen Zwischenschritt einlegte, um zum Stammspieler bei den Königlichen zu reifen. Vallejo spielt in Frankfurt den rechten Part in einer Dreierkette, die das tragfähige Fundament für die Erfolgsserie darstellt. Mag der erfahrene Japaner Makoto Hasebe in der Zentrale der spielintelligente Kopf dieser Hintermannschaft sein, so bilden Vallejo und David Abraham als zweikampf- wie sprintstarke Abwehrkräfte die wahren Säulen. Zwei, die sich gesucht und gefunden haben. Speziell der elf Jahre ältere Abraham sei für ihn „wie ein großer Bruder auf und neben dem Platz“, sagt Vallejo.
Der neue „Verwandte“ kann ihm auch genug vom heutigen Gegner erzählen: der Argentinier Abraham stand zweieinhalb Jahre in Hoffenheim unter Vertrag, ehe er 2015 nach Frankfurt ging und zur Führungsfigur aufstieg.