Das Beste am Profifußball in Corona-Zeiten? Wenn man denn als Journalist zum Spiel zugelassen ist: die staufreie Anreise. Auf dem breiten Mittelstreifen der Großen Straße, wo Club-Fans sonst 90 Minuten vor dem Anpfiff schon fleißig einparken, herrscht jetzt gähnende Leere. Eine Fahrschule nutzt die abgesperrte Fläche für das Training eines Motorrad-Schülers. Fans des 1. FC Nürnberg oder gar von Erzgebirge Aue sind im Umfeld des Max-Morlock-Stadions keine zu sehen. Man hält sich an die Vorgaben der Deutschen Fußball Liga (DFL). Zusammenballungen von Menschen würden Ansteckungsrisiko bedeuten - und die Gefahr von Spielverboten.
Die Umsetzung des Hygiene- und Verhaltenskonzepts der DFL, mit dem eine Fortführung des Spielbetriebs der beiden Bundesligen erreicht wurde, verläuft beim Club - so die Beobachtung - präzise und unaufgeregt. Wer Spiele mit bis zu 50 000 Zuschauern organisieren kann, der schafft das auch mit 300 Personen, die sich bei einem Erst- oder Zweitliga-Spiel derzeit maximal im Stadion aufhalten dürfen.
37,1 Grad am rechten Ohr, 36,6 am linken, alles in Ordnung
Auch Journalisten dürfen nun am Parkplatz S1 direkt hinter der Haupttribüne parken, der sonst gegen teures Geld den VIP-Gästen vorbehalten ist. An einigen aufgebauten Ständen wird am Ohr die Körpertemperatur überprüft. 37,1 Grad am rechten Ohr, 36,6 am linken, alles in Ordnung also. Man übergibt den zu Hause ausgefüllten Gesundheitsfragebogen, mit dem man versichert, kein Risiko für andere darzustellen. Dann gibt es die beantragte Akkreditierung und für alle Fälle kostenlos eine Mund-Nasen-Maske im FCN-Design, Verkaufspreis sonst 5,90 Euro. Im Stadion tragen alle Journalisten dann die selbst mitgebrachte Gesichtsbedeckung. Dieser Berufsstand hat es nun mal nicht so mit Uniformierung.
Der Arbeitsbereich auf der unteren Haupttribüne, ausgestattet mit Pulten und Steckdosen, ist der gleiche wie sonst. Nur nicht ganz so leicht zu finden, weil die Tribüne nur über eine Glastür an der Seite betreten werden kann. Die Haupteingänge sind nicht nur verschlossen, sondern auch mit gelbem Band abgesperrt.
Nur zehn Journalisten pro Partie sind im strengen DFL-Konzept vorgesehen
Auf der Pressetribüne ist viel Platz. Nur zehn Journalisten pro Partie sind im strengen DFL-Konzept vorgesehen. Das sorgt für Härten und teilweise für Ärger, in der Bundesliga natürlich mehr als in der zweiten Liga, bei großen Klubs mehr als bei Vereinen, die weniger Interesse in der Öffentlichkeit finden und das Kontingent vielleicht gar nicht ausreizen. Die DFL will frühestens nach dieser Saison über eine Anhebung der Journalisten-Kontingente diskutieren. Wenn die Basketball-Bundesliga demnächst ihr Corona-Turnier spielt, sind im Audi Dome nur ganze zwei Reporter vorgesehen.
Die DFL-Vereine entscheiden selbst, welche Journalisten sie akkreditieren, meist in Absprache mit den örtlichen Vertretern des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS). Wer regelmäßig über den Verein berichtet und für ein Medium mit höherer Reichweite arbeitet, hat bessere Chancen. Gesetzt sind Vertreter der Nachrichtenagenturen dpa und sid, des Axel-Springer-Verlages ("Bild") und des „Kicker“. Journalisten, die über den jeweiligen Gastverein berichten, sind im DFL-Konzept gar nicht vorgesehen. Aber manchmal klappt es doch, wie am Freitag für einen Kollegen aus Chemnitz.
Der Mund-und-Nasenschutz muss durchgängig getragen werden
Auf der Pressetribüne lässt man sich versetzt nieder. Der Mindestabstand von 1,5 Meter muss eingehalten und sogar der Mund-und-Nasenschutz muss durchgängig getragen werden, obwohl man sich an der frischen Luft befindet. Unter die Nase ziehen geht nicht, worauf man schnell freundlich hingewiesen wird. Nur zum Trinken, Essen oder Rauchen darf er runter. Das darf man übertrieben finden - insbesondere, wenn man am Wochenende dann staunend hört, dass Thüringen bald alle Schutzvorschriften abzuschaffen gedenkt. Aber es gibt wahrlich Schlimmeres und das DFL-Konzept stammt nun einmal aus der Hochzeit des Lockdowns.
Der Radio-Reporter des Bayerischen Rundfunks ist ziemlich erleichtert, als ihm aus dem Studio versichert wird, seine Stimme klinge trotz des Mund- und Nasenschutzes so wie immer. Die Lizenznehmer der Fußball-Bundesligen, also Sky, der Streamingdienst Dazn und die ARD-Anstalten, bilden ein eigenes, großzügiger bemessenes Kontingent im Stadion. Verständlich, denn Profifußball wird in erster Linie weitergespielt, damit es Fernsehbilder gibt, das TV-Geld fließt und die Existenzgrundlage erhalten bleibt. Aber auch für die TV-Journalisten kommt es zu Einschränkungen. Es gibt weniger Interviews und sie werden nach dem Spiel nur noch mit dem Mikrofon an einer langen Stange geführt. So kann man Club-Kapitän Hanno Behrens nach dem mageren 1:1 auch im Gesicht die Enttäuschung ablesen und blickt nicht nur auf zwei Augen über einer Maske.
Wenn das Spiel läuft, dann konzentriert man sich darauf
Die Atmosphäre im Stadion: zunächst gespenstisch. Durch die Leere auf den Tribünen fühlt sich alles falsch an. Doch wenn das Spiel läuft, dann konzentriert man sich darauf. Journalisten haben einen aktuellen Text abzuliefern. Es geht um ein Ergebnis, das gewertet wird und um die Frage, ob der 1. FC Nürnberg eine verdorbene Saison noch mit dem nackten Klassenerhalt rettet. An Laufbereitschaft und Einsatz lassen es die Profis aus Nürnberg und Aue trotz des Geisterspiels nicht mangeln. Die These, den Spielern fehlten ohne die Unterstützung von den Rängen ein paar Prozent Motivation, lässt sich am Freitag nicht untermauern. Klar ist: Der Fußball wird unter Pandemie-Bedingungen auf sich selbst reduziert, die Erhöhung durch die Emotionen der Massen bleibt weg.
Für die Nicht-Fernsehschaffenden ist direkter Kontakt zu Spielern und Trainern nach der Partie wegen des Ansteckungsrisikos nicht möglich. Normalerweise treffen sich Medienvertreter und zwei, drei vom Verein ausgewählte Profis in der sogenannten Mixed Zone. Mit Club-Trainer Jens Keller ist nach der offiziellen Pressekonferenz noch ein Gespräch im kleineren Kreis ohne Kameras möglich. Alles gestrichen in Corona-Zeiten, die Räume sind geschlossen. Bei Behrens kann man mithören, da das Sky-Interview direkt vor der Pressetribüne stattfindet. Mit den beiden Trainern gibt es eine virtuelle Pressekonferenz. Die Journalisten bleiben dazu auf der Tribüne sitzen. Fragen können sie schriftlich in eine Konferenz-App eingeben, Pressesprecher Christian Bönig liest sie den beiden in einem Tribünenraum sitzenden Trainern dann vor. Eine über die App gesprochene Frage könnten die Lizenznehmer technisch nicht übernehmen. Nachfragen, ein kurzes Gespräch? Sind bei diesem Prozedere nicht möglich.
Trainer Keller gibt sich Mühe und antwortet ausführlich
Aber Keller gibt sich Mühe und antwortet ausführlich. Ich möchte von ihm wissen, wie er sich den blassen Auftritt von U-21-Nationalspieler Robin Hack erklärt, der in der Vorrunde noch häufig auffälligster Nürnberger gewesen und mit sieben Treffern auch bester Club-Torschütze ist. Sein achtes Tor verpasste er bei einer großen Kopfball-Chance, nach dem Abpfiff saß er noch mit hängendem Kopf auf der Bank. „‘Hacki‘ war sehr bemüht“, sagt Keller, „aber er hatte viele einfache Ballverluste. Trotzdem ist er ein Spieler, der immer etwas Besonderes machen kann. Er ist ein junger Spieler, er wird wieder kommen.“