
Wenn Fußballtrainer nach einem verlorenen Spiel davon sprechen, keine Erklärung für das eben Erlebte zu haben, dann spricht das für ihren Charakter, ist aber eventuell gefährlich für ihren Job. Mirko Slomka machte nach dem 0:4 (0:3)-Debakel von Hannover 96 gegen den 1. FC Nürnberg keinen Hehl aus seiner momentanen Ratlosigkeit. „Ich hätte eine Mannschaft mit großem Kämpferherz erwartet, die alles rein wirft. Für sich selbst, für die Fans, für den Klub“, sagte der 51-Jährige. Doch diese Grundtugenden blieben die 96-Profis mehrheitlich schuldig und begingen zudem viele Fehler.
Nun droht das Comeback von Slomka, der ehrlichen Haut, bei seinem Heimatverein früh zu scheitern: Trotz eines namhaft besetzten Kaders Absturz auf Platz 15 der Zweitliga-Tabelle, die nächste Partie in Dresden könnte zum Schicksalsspiel für den 52-Jährigen werden. „Wir müssen es schaffen, dass die Spieler die Leistung bringen, die sie imstande sind, zu bringen“, sagte Sportchef Jan Schlaudraff der „Bild“-Zeitung“, die bereits Markus Anfang (zuletzt Köln, Kiel) als Nachfolgekandidaten präsentierte.
Club rückt auf Rang sieben vor
“Wir hätten den Satz in der Tabelle machen können, den nun die Nürnberger gemacht haben“, sinnierte Slomka am Montagabend. Der Club rückte mit seinem zupackenden Auftritt in der HDI-Arena auf Rang sieben vor und kann sein Minimalsaisonziel, lange im Aufstiegsrennen dabei zu sein, wieder ins Auge fassen. Vor allem aber bleibt den Nürnberger Verantwortlichen eine Trainer-Diskussion erspart, wie sie Hannover nun führt. Damir Canadi hatte die Spieler vor dem Duell der Bundesliga-Absteiger öffentlich in die Verantwortung genommen. „Nach drei Monaten Zusammenarbeit kann keiner mehr sagen, er wisse nicht, wie es funktioniert“, wiederholte er am Montagabend noch einmal. Und war voll des Lobes für die Reaktion seiner Profis: „Es war eine schwierige Situation für beide Mannschaften. Wir haben dem Druck standgehalten.“
Von einer Trendwende wollte Canadi trotz des spektakulären Ergebnisses aber nicht sprechen. Sie wäre wohl auch erst perfekt, wenn nun am Sonntag ein Heimsieg gegen den FC St. Pauli folgen würde. „Wir werden das Spiel wieder richtig einordnen, so wie wir das in den letzten Wochen auch getan haben. Wir hatten eine sehr gute taktische Ordnung und waren sehr diszipliniert in der Teamarbeit. Da können wir weitermachen.“ Wenn es denn etwas zu mäkeln gab, dann hätte sich Canadi bei Ballbesitz mehr Spielkultur gewünscht. Das ging auch an die Adresse von Johannes Geis, der aus der Halbposition im Mittelfeld wenig machte. Die Statistik der letzten Wochen liest sich aber nun schon viel schöner. „Wir sind fünf Spiele ungeschlagen, das ist nicht schlecht“, sagte Canadi.
Hanno Behrens sieht das Matchglück zurück
Nicht einmal einen Anflug von Euphorie gestattete sich Hanno Behrens. „Wir hatten heute das Matchglück, das in den letzten Spielen fehlte, wo wir auch gar nicht so schlecht gespielt haben“, sagte der Kapitän betont sachlich. Tatsächlich erlebte der Club in Hannover bei nur 31 Prozent Ballbesitz eine seltene Sternstunde in Sachen Chancenverwertung. Drei Mal kam er in der ersten Halbzeit gefährlich vor das Tor, drei Mal klingelte es im Kasten von Ex-Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler. Behrens selbst steuerte das 2:0 (26.) per Kopfball bei und setzte Robin Hack vor dessen spielentscheidendem 3:0 (45.), dem schönsten Treffer des Abends, perfekt in Szene. „Das tut unserem Käpt‘n gut“, sagte Canadi.
Der Mann des Abends vermochte sich sogar auf die lange nächtliche Busfahrt zurück nach Nürnberg zu freuen. Georg Margreitter hat in seiner abwechslungsreichen Profi-Karriere noch nie zwei Treffer in einem Spiel erzielt. Schließlich ist er Innenverteidiger. Sein frühes Führungstor (3.) gab Sicherheit, ebenfalls per Kopf setzte Margreitter auch den Schlusspunkt (83.). „Es war das perfekte Auswärtsspiel. Vorne hat alles funktioniert und nach hinten haben wir geschlossen gearbeitet“, fasste der 30-Jährige zusammen, „Chris (Mathenia) hat fast nichts zu halten gehabt.“
Im Stile von Sergio Ramos
Wie sich Margreitter im Stile von Real Madrids Sergio Ramos notfalls mit dem Körper in die Schüsse des Gegners warf, hatte Vorbildcharakter. „Die kämpferische Leistung war unser Faustpfand. Wir haben Leute wie Robin Hack, die zwei ausspielen können. Aber erst einmal müssen die Grundtugenden stimmen“, fand Margreitter, der sich in einer Viererkette, wie sie in Hannover praktiziert wurde, am wohlsten fühlt. Zuvor verletzt und gegen Karlsruhe nicht berücksichtigt, war es für ihn erst der vierte Saisoneinsatz. Trainer Canadi adelte ihn nun aber zum „Führungsspieler": "Wir haben im Sommer einige verloren, über solche Leistungen wird man dazu.“