
Jess Thorup hatte seine Tasche schon gepackt. Er trug sie unter dem Arm, als er aus der Kabine der Wolfsburger Arena kam. Eine kleine braune aus Leder, in der die wichtigsten Unterlagen steckten. Und jetzt, wie der Trainer des FC Augsburg lachend sagte, endlich auch der erste Auswärtspunkt. „Den nehme ich gerne mit“, meinte er, packte seine Aktentasche und verschwand in die Nacht. Von Braunschweig aus stand der zügige Rückflug nach Augsburg an.
1:1 hatte die Partie beim VfL Wolfsburg geendet, was in der Summe als verdientes Ergebnis betrachtet werden kann. Die Gastgeber hatten zwar erst spät durch Mohammed Amoura ausgeglichen (82.), ein Blick auf die Statistik aber lässt nur den Schluss zu, dass der Volkswagen-Klub das aktivere Team war. 18:3 Schüsse, 70 Prozent Ballbesitz, es gab keinen Zweifel daran, wer diesen Nachmittag dominant gestaltet hatte.
FCA-Taktik orientiert sich am Dortmund-Spiel
Unruhe umgibt die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl, die nicht ausschließlich der schwachen Heimbilanz zuzuschreiben ist. In der Bundesliga haben die Wolfsburger noch kein Heimspiel in dieser Saison gewonnen. Die wirtschaftliche Krise bei Volkswagen könnte sich irgendwann auch auf das Bundesliga-Team ausweiten. Noch aber ist die Unterstützung des Autobauers da. Das führt dazu, dass Wolfsburg nach wie vor einen prominent besetzten Kader vorweisen kann, dessen Marktwert in der Summe deutlich über dem des FCA liegt, wie Augsburgs Innenverteidiger Keven Schlotterbeck nach Spielschluss ausführlich erklärte. So müsse man auch mal Verständnis für einen Spielverlauf wie den am Samstag haben.
Die Gäste hatten sich für eine Taktik entschieden, die stark an das Heimspiel gegen Dortmund vor einer Woche erinnerte. Die Defensive sollte stabil stehen, dafür nahm Thorup in Kauf, dass der Ballbesitz erneut eine weit unterdurchschnittliche Quote erreichte. Nichts also für Liebhaber des gepflegten Kurz-Pass-Spiels.
Augsburgs Trainer hatte Wolfsburgs Stärken beim Umschaltspiel ausgemacht, daher wollte er solche Momente vermeiden. Also eigene Ballverluste, die den VfL zu schnellen Kontern einladen. Demnach überließ er dem VfL lieber gleich den Ball, wissend, dass die Spielgestaltung den Niedersachsen auch nicht eben leicht von der Hand geht.
Eine Herangehensweise, die fast zu drei Punkten geführt hätte. Augsburgs einzige Chance nutzte Phillip Tietz in Hälfte eins zur Führung (34.), nachdem ihn Schlotterbeck wunderbar freigespielt hatte. Allerdings hatte auch ein Missverständnis zwischen VfL-Torwart Kamil Grabara und Verteidiger Denis Vavro überhaupt dazu geführt, dass Tietz an den Ball kam. So wunderte sich Augsburgs Stürmer auch: „Ich verstehe nicht, warum der Torwart da rauskommt.“ Kam er aber, was Tietz zu einer Kuriosität verhalf. Tor in Minute 34, das passte. Die 34 war seine erste Rückennummer bei Wolfsburgs Derbyrivalen Eintracht Braunschweig.
Es hätte also durchaus ein runder Nachmittag für den Stürmer werden können. Dass es nicht dazu kam, lag auch an Augsburgs Defiziten im Offensivspiel. Zu viele Fehlpässe, zu wenig Ruhe am Ball, oftmals die falschen Entscheidungen getroffen - der eigene Ballbesitz offenbarte Verbesserungspotenzial. „Heute waren wir nicht gut am Ball“, sagte Thorup, der dennoch die Entwicklung in dieser wichtigen Woche mit zwei Siegen und einem Unentschieden lobte: „Wir haben viel Selbstvertrauen gewonnen und glauben immer mehr an unsere Art und Weise.“
FCA-Sportdirektor Jurendic lobt die defensive Struktur
Dennoch sei der Frust in der Kabine groß gewesen. „Dass noch einer reinrutscht, ist ärgerlich. Auch wenn es sich schlecht anfühlt, müssen wir mit dem Punkt zufrieden sein“, sagte Tietz. Kapitän Jeffrey Gouweleeuw meinte: „Es hat nicht viel gefehlt. Am Ende hätten wir ein bisschen mehr für Entlastung sorgen können.“ Die aber gelang überhaupt nicht mehr, was auch dem Wolfsburger Druck geschuldet war. Immerhin aber funktionierte das Abwehrverhalten. „So stellt man sich eine kompakte Ordnung vor. Wir haben letzte Wochen gute Arbeit geleistet und bewegen uns in die richtige Richtung“, sagte Sportdirektor Marinko Jurendic.
Die Entwicklung der vergangenen drei Spiele hat jedenfalls das Vertrauen in die eigenen Stärken befördert. So ist sich Schlotterbeck bereits nach dem neunten Spieltag sicher: „Wir werden nicht absteigen“, versprach der Augsburger Innenverteidiger.
FC Augsburg Labrovic - Marius Wolf (77. Koudossou), Matsima, Gouweleeuw, K. Schlotterbeck, Giannoulis - Onyeka, Jakic, Rexhbecaj (77. A. Maier) - Claude-Maurice (66. Kabadayi), Tietz (66. Essende)