Marinko Jurendic ist ehrgeizig, aber auch realistisch. Lieber einmal zu viel gewarnt als einmal zu viel gefreut. Lieber Taten als Worte sprechen lassen, auch wenn er in seinem Amt als Sportdirektor des FC Augsburg sehr viel redet. Dass er in dieser Phase der Saison dabei sehr wenig verrät, liegt in der Natur der Sache. Dazu später mehr.
FCA-Sportdirektor Marinko Jurendic erinnert an das 1:1 gegen den 1. FC Köln
Und so erinnerte er am späten Freitagabend, nach dem 0:1 (0:0) gegen den VfB Stuttgart, in der Mixedzone daran, was er nach dem 27. Spieltag an selber Stelle gesagt hatte. Da war der FCA nach einem 1:1 (1:1) gegen den 1. FC Köln Ende März auf Platz sieben gesprungen. Dem internationalen Geschäft war der FCA nach dem fünften Spiel in Folge ohne Niederlage (13 von 15 Punkten) so nah wie nie. „Wenn wir zurückschauen vor fünf Wochen nach dem Köln-Spiel haben die Leute uns immer wieder nach Europa gefragt. Ich habe schon damals gesagt, lass uns Spiel für Spiel machen, man weiß nie, was passiert.“
Das 0:1 gegen den VfB Stuttgart war für den FCA die fünfte Niederlage im sechsten Spiel
Es ist seitdem viel passiert. Der FCA ist nach fünf Niederlagen in den letzten sechs Spielen (nur gegen Union Berlin gab es ein 2:0) auf Platz zehn abgerutscht. Die Chance auf einen Startplatz in Europa ist nur noch gering. Und zudem hat man sich mit einer Niederlage für diese Spielzeit aus der heimischen WWK-Arena verabschiedet. „Natürlich ist es enttäuschend, wenn man sich mit einer Niederlage verabschiedet“, sagt der ehrgeizige Jurendic. Er hat im Fußball als Profi, Trainer und Sportdirektor schon viel erlebt. Er weiß, dass er Entscheidungen fällen muss, oft auch unangenehme. So hat er im Oktober Trainer Enrico Maaßen entlassen und den Dänen Jess Thorup verpflichtet.
Der in Bosnien geborene Schweizer hat aber auch außerhalb des Fußball-Kosmos ein breites Bildungsfeld. Er ist Lehrer, hat Wirtschaft und Jura studiert, leitete ein Bildungsinstitut und unterstützte nach seiner Spielerkarriere zunächst benachteiligte Jugendliche auf dem Weg in den Beruf. Er weiß, dass nicht nur die Peitsche hilft. So sagt er nach der vierten Niederlage in Folge auch: „Wenn du fünf verletzte Stammkräfte hast, dann macht das was mit der Mannschaft. Das hat nicht gerade dazu geholfen, dass wir in dieser Phase Stabilität bekommen haben.“ An den Nachrückern übt er, ganz Pädagoge, keine direkte Kritik. „Die Spieler aus der zweiten Reihe, die auf dem Platz standen, haben ihr Bestes gegeben, aber man hat die Stabilität verloren, das Selbstverständnis aus der erfolgreichen Phase.“ Und elf Gegentore in drei Spielen gingen gar nicht.
Marinko Jurendic zieht die nötigen Schlüsse
So hat der Analytiker Jurendic, der wenig aus dem Bauch heraus entscheidet, sich lieber an Fakten hält, schon lange damit begonnen, mit seinem Scouting-Team alle Bereiche zu durchleuchten. Der negative Trend der letzten Saisonphase hat ihn darin bestärkt, noch genauer hinzusehen: „Es ist ja nicht so, dass dieses Saisonende jetzt zum ersten Mal so ist. Man muss sich überlegen, warum das so ist, dass man die Spannung hinten raus verliert. Wir müssen die nötigen Schlüsse ziehen.“ Er sagt auch: „Wir wissen, dass wir bei vielen Spielern nicht unter dem absoluten Druck sind, auch wenn die Verträge nur noch ein Jahr gehen.“ Wie bei Sven Michel, Jeffrey Gouweleuw, Arne Maier, Felix Uduokhai, Fredrik Jensen oder Ruben Vargas.
Ist Max Finkgräfe vom 1. FC Köln ein Kandidat?
Akuter Handlungsbedarf besteht allerdings auf beiden Außenverteidigerpositionen. Iago wurde bereits verabschiedet, so ist links derzeit nur Mads Pedersen verfügbar. Max Finkgräfe (1. FC Köln) soll ein Name auf der akribisch erarbeiteten Liste von Jurendic sein.
Auf der rechten Seite sind Robert Gumny und Raphael Framberger langzeitverletzt und Kevin Mbabu, Stand heute, nach dem 30. Juni wieder Spieler des FC Fulham. Mitchell Weiser, dessen Vertrag bei Bremen ausläuft, soll aber kein Kandidat beim FCA sein. Die Spekulationen beginnen langsam. Es wird in allen Bereichen Umbauten geben und die haben schon behutsam begonnen. So wurde Torwarttrainer Marco Kostmann verabschiedet. Als möglicher Nachfolger hält sich hartnäckig der Name Patrick Foletti, der aktuelle Torwarttrainer der Schweizer Nationalmannschaft.
Der FCA soll sich nach Odysseas Vlachodimos von Nottingham Forest erkundigt haben
Es ist auch kein Geheimnis, dass der FCA sich auf der Torhüterposition personell verstärken will. Und zwar mit einem Spieler, der den Konkurrenzkampf mit Stammtorhüter Finn Dahmen richtig entfacht. So einer könnte Odysseas Vlachodimos sein. Der FCA soll sich nach ihm erkundigt haben. Der 30-jährige Grieche, der in Stuttgart geboren wurde, wurde beim VfB ausgebildet, entwickelte sich dann bei Panathinaikos Athen (2016 bis 2018) und dann vor allem bei Benfica Lissabon (2018 bis 2023) zu einem Torhüter von europäischem Format.
Doch nach seinem Wechsel in die englische Premier-League zu Nottingham Forest im September fand sich der 1,91 Meter große griechische Nationaltorhüter nun als Nummer drei, hinter dem Amerikaner Matt Turner und dem im Februar geholten Belgier Matz Sels, nur noch auf der Tribüne wieder. Und es gibt sogar eine Beziehung zum FCA. Sein älterer Bruder Panagiotis spielte von Januar 2013 bis Januar 2014 ein Jahr beim FCA in der Bundesliga und absolvierte ein Punktspiel.
So richtig Bewegung in den Transfermarkt wird aber wohl erst nach der Europameisterschaft kommen. Jurendic gibt sich entspannt, sieht sich gut vorbereitet: „Wir haben mit dem frühen Klassenerhalt Planungssicherheit gehabt. Wir sind im Austausch mit potenziellen Spielern, die Interesse haben, nach Augsburg zu kommen. Ich werde aber keine Wasserstandsmeldungen geben, wer zugesagt hat, wen wir verpflichten, wo was in Bewegung ist.“
Dabei setzt er lieber auf Qualität anstatt Quantität: „Ich bin kein Freund, Spieler zu verpflichten, nur dass sie verpflichtet sind. Ich verpflichte lieber drei als sieben, aber die drei sollen die richtigen sein.“