Wenn der 1. FC Nürnberg denn doch absteigen muss aus der Fußball-Bundesliga, dann wird er das mit hoch erhobenem Haupt tun können. Durch das 1:1 (0:0)-Unentschieden gegen Bayern München in einem dramatischen 191. bayerischen Derby verhinderte der Club die vorzeitige Titelentscheidung zugunsten der Münchner. Gleichzeitig ließ der FCN aber die Chance zum Sieg liegen, der ihn wieder auf drei Punkte an den Relegationsplatz herangebracht hätte. Denn Tim Leibold scheiterte in der 91. Minute mit einem Foulelfmeter am Innenpfosten des Münchner Tores.
So hat Nürnberg vor den letzten drei Spielen fünf Punkte Rückstand auf den VfB Stuttgart, den er noch von Rang 16 verdrängen muss. Aufgeben will Innenverteidiger Lukas Mühl nicht: „Ich bin unfassbar stolz auf die Mannschaft. Jeder hat mit einem 3:0, 4:0 für die Bayern gerechnet – wir nicht. Schade, dass wir den Elfmeter nicht machen konnten.“ Bayern-Trainer Nico Kovac war nicht nur von der Leistung seiner Mannschaft enttäuscht: „Das war nicht Normalform.“ Trotz der Niederlage von Titelrivale Dortmund gegen Schalke ist der Vorsprung nur auf zwei statt der erwarteten vier Punkte angewachsen: „Wir hätten heute den Matchball erspielen können“, sagte Kovac.
Nur eine kurze Anlaufphase
Nach einer kurzen Anlaufphase bestimmten die Münchner vor 50 000 Zuschauern im ausverkauften Max-Morlock-Stadion in der ersten Spielhälfte klar das Geschehen. Doch erdrückend wurde die Überlegenheit der Mannschaft von Trainer Nico Kovac nicht. Das lag an einem konzentriert und engagiert auftretenden Club. Die Nürnberger – zum vierten Mal hintereinander in der gleichen Startformation – zeigten auch gegen den hohen Favoriten, welche Fortschritte sie seit der Amtsübernahme von Trainer Boris Schommers im Februar gemacht haben. Während der FCN zu Schommers Amtsantritt das 0:0 gegen Borussia Dortmund noch förmlich ermauert hatte, war er gegen die Bayern in der Lage, sich immer mal mit überlegtem Passspiel zu befreien.
Obwohl die Münchner bei ihren Umschaltmomenten sofort das Tempo suchten, ließ sich der Club nicht ausspielen. So blieb ein Freistoß von David Alaba, den Torwart Christian Mathenia mit den Fingerspitzen noch an die Latte lenkte, die beste Münchner Chance vor der Pause (23.). Der taktische Schachzug von Schommers, Eduard Löwen als zweite, hängende Spitze aufzubieten, zahlte sich aus. Löwen sicherte viele Bälle und verteilte sie klug. Immer wieder gesucht wurde Matheus Pereira, der seine hohe technische Qualität in den Duellen mit Alaba zur Geltung brachte, auch wenn er einen schweren Stand hatte.
Die beste Führungschance ermöglichte dem Club ein schlampiger Querpass von Münchens Mats Hummels, nach dem Torwart Sven Ulreich mit gestrecktem Bein gegen Mikael Ishak Kopf und Kragen riskieren musste, aber regelgerecht klärte (35.).
Die zweite Hälfte begann mit Verspätung. In der Münchner Fankurve wurde so massiv Pyrotechnik abgebrannt, dass Schiedsrichter Tobias Stieler mit seinem Gespann erst einmal zurück in die Kabine ging. Für den Knalleffekt auf dem Rasen sorgte dann die Nürnberger Führung, ein glänzend herausgespielter Konter. Sebastian Kerk setzte sich im Sprint gegen Joshua Kimmich durch, der einlaufende Löwen schob den Ball auf den Körper von Ulreich. Der Abpraller erreichte Pereira, der den Ball von der 16-Meter-Linie mit einem feinen Schlenzer über die Hand des Bayern-Keepers ins Netz setzte (48.).
Der Versuch eines Powerplays
Danach folgte, was folgen musste: verstärkte Münchner Bemühungen und der Versuch eines Powerplays. Trainer Kovac, der mit Wiederbeginn bereits den glücklosen Thomas Müller durch Serge Gnabry ersetzt hatte, wollte mit James für Javi Martinez die Qualität des Offensivspiels weiter erhöhen. Doch der Club hatte die Chance zum 2:0, als sich Ishak gegen Hummels durchsetzte, Löwens Abschluss aus spitzem Winkel aber noch von Niklas Süle geklärt wurde (52.).
Mathenia zeigte seine Klasse
Mit Leon Goretzka kam nach genau einer Stunde zum ersten Mal ein Münchner freistehend zum Schuss, aber Mathenia klärte per Fußabwehr. Der Nürnberger Schlussmann durfte seine Klasse auch bei einem Freistoß von James nachweisen. Wieder war er mit den Fingerkuppen dran, zum zweiten Mal rettete die Querlatte für den Club (68.). Kurz darauf nahm Kovac den angeschlagenen James wieder vom Platz und brachte Alphonso Davies.
Erst nach 75 Spielminuten gelang Gnabry der erlösende Ausgleich für den Tabellenführer. Einen Lupfer von Coman in den Strafraum verlängerte Nürnbergs Robert Bauer auf das Schienbein von Gnabry, der Ball senkte sich als Bogenlampe über den machtlosen Mathenia. Die Bayern machten weiter Druck, wollten den Sieg, der die Meisterschaft vorentschieden hätte, gegen kräftemäßig langsam am Limit angekommene Nürnberger. Doch die versteckten sich nicht. Nach einem Ellbogencheck von Davies gegen den eingewechselten Georg Margreitter entschied Stieler auf Foulelfmeter. Da Kapitän Hanno Behrens zuletzt zweimal gescheitert war, übernahm Tim Leibold die Verantwortung – und hatte Pech: Vom Innenpfosten sprang der Ball auf der anderen Seite des Tores wieder heraus (91.).
Mit dem vierten Elfmeterfehlschuss der Saison (von sechs Versuchen) war die Chance auf den ersten Club-Sieg gegen die Bayern seit zwölf Jahren dahin. Fast wäre es für den Tabellenvorletzten noch komplett schiefgegangen. Doch Mathenia behielt gegen den nach 70-Meter-Sprint ganz alleine auf ihn zulaufenden Coman die Oberhand (90.+4).