Matheus Pereira war bisher keineswegs als Grobian in Erscheinung getreten. In zwölf Bundesliga-Einsätzen hatte sich der Brasilianer, eine Leihgabe von Sporting Lissabon, gerade mal zwei Gelbe Karten eingehandelt. Dumm nur, das in Spiel Nr. 13 für den 1. FC Nürnberg wie es Torwart Christian Mathenia beschrieb, „ein bisschen das südamerikanische Temperament aus ihm heraus kam“.
Spaßig fand es aber natürlich keiner im Nürnberger Lager, dass sich Pereira bereits in der vierten Spielminute eine Tätlichkeit gegen den Düsseldorfer Niko Gießelmann geleistet hatte und nach Intervention von Videoassistentin Bibiana Steinhaus mit Rot vom Platz flog. Perreira hatte Gießelmann einen Klaps mit der flachen Hand in die Genitalregion verabreicht. Das war die Revanche dafür, dass der Düsseldorfer ihn kurz zuvor mit einem – von Schiedsrichter Sascha Stegemann ungeahndeten – Ellenbogencheck ins Gesicht begrüßt hatte. „Im Profigeschäft darf dir das nicht passieren – egal, was der Gegner mit dir macht“, sagte Interimstrainer Boris Schommers, der ähnliches erlebte wie Vorgänger Michael Köllner beim letzten Nürnberger Auswärtsauftritt in Hannover (0:2). Dort flog Simon Rhein frühzeitig vom Platz.
Die 2500 Club-Fans fühlten sich wie im falschen Film, Schommers musste seinen Matchplan frühzeitig in die Tonne treten, in Unterzahl kam der durch das ermauerte 0:0 gegen Dortmund gestärkte Club so gut wie nie zu den beabsichtigten Nadelstichen in der Offensive. Dennoch war die 1:2 (1:0)-Niederlage des Tabellenletztem beim Mitaufsteiger zwar einerseits verdient, aber auch ärgerlich und unnötig. „Dieses Jahr prasselt wirklich viel auf uns ein“, sagte Kapitän Hanno Behrens nach dem nächsten verlorenen Endspiel enttäuscht.
Überraschende Führung durch tolles Tor von Löwen
Mit einem Mann weniger war der Club sogar in Führung gegangen. Eduard Löwen sorgte mit einem technisch feinen Schrägschuss für das unerwartete 1:0 zur Pause (41.). Der von Schommers auf Bewährung wieder aufgenommene Mittelfeldspieler, dem in der Vergangenheit Egoismen unterstellt worden waren, wagte sich in seinem Fazit am weitesten vor: „Wir haben mit zehn Mann ein Superspiel gemacht und müssen es eigentlich gewinnen.“
Ganz falsch lag Löwen nicht, denn die klar überlegenen, aber ideenlos angreifenden Düsseldorfer kamen erst durch ein Eigentor von Ewerton zum Ausgleich. Der ansonsten fehlerfreie Abwehrchef verschätzte sich bei einer Flanke von Dodi Lubebakio und verlängerte den Ball über Mathenia hinweg zum 1:1 in den Kasten (62.). „Trotzdem bin ich stolz auf die Mannschaft, weil wir gefühlte 5000 Flanken verteidigt und leidenschaftlich alles rausgehauen haben“, sagte Mathenia. Den Rest steuerte er in ähnlich überzeugender Manier wie gegen den BVB bei. Dabei wartet der vom Pech verfolgte Ex-HSVer nun schon seit Herbst 2017 und 22 Spiele lang auf einen Sieg mit einer Mannschaft, bei der er im Tor steht.
Selbst aus einem Nürnberger Punkt, der zumindest moralisch etwas gebrachte hätte, wurde es nichts. Eine Konzentrationsschwäche führte in der 83. Minute zum Düsseldorfer Siegtor. Alle Nürnberger sahen zu, als Kaya Ayhan einen Freistoß auf den ersten Pfosten zum 2:1 einköpfte. „Das hatte nichts mit der Unterzahl zu tun, da verteidigen wir einfach sehr schlecht“, sagte Schommers. Wieder sorgte Ayhan für lange schlechte Laune, denn der Fortunen-Abwehrchef hatte dem Club mit seinem Last-Minute-Tor zum 3:2-Sieg im letzten Mai schon die Zweitliga-Meisterschaft stibitzt.
Düsseldorf gewinnt sechs der letzten neun Spiele
Während Nürnberg weiter auf dem Weg zurück ins Unterhaus ist, dürfte Düsseldorf kaum noch in die Bredouille kommen. Anfang Dezember stand der Mitaufsteiger noch hinter Nürnberg auf dem letzten Tabellenplatz, seitdem gewann die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel sechs von neun Spielen. Den Glückwunsch von Schommers zu diesem mächtigen Zwischenspurt nahm der Trainer-Oldie gerne entgegen und bedankte sich seinerseits mit einem Kompliment: „Wer so gut verteidigt wie der Club, hätte es auch verdient, einen Punkt mitzunehmen.“
Als Sieger konnte Funkel zudem großzügig unter den Tisch fallen lassen, dass der Fortuna eigentlich noch ein Handelfmeter zugestanden hätte, als der Arm von Lukas Mühl im Strafraum zum Ball gegangen war. Stegemann überließ Steinhaus im Videokeller die Entscheidung, doch die sah dieses Mal kein strafwürdiges Vergehen.
Seit 17 Spielen – das entspricht einer ganzen Halbserie – ist der FCN nun ohne Sieg und hat seinen eigenen Negativrekord aus der letzten Abstiegssaison 2013/14 eingestellt. Von einem gefühlten Abstieg will Schommers trotzdem nichts wissen. „Trotz der Niederlage habe ich in unserem Spiel positive Aspekte gesehen. In der Tabelle war der der Spieltag durch den Punktgewinn von Stuttgart ein Rückschritt, aber das hat noch nichts zu sagen.“ Angesichts der Qualität der nächsten Gegner Leipzig (daheim), Hoffenheim und Frankfurt (beide auswärts) ist es aber schwer vorstellbar, dass die Wende noch eintritt.