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Doha
Das sind die Erkenntnisse der Fußball-WM in Katar
Die Fifa stellt die Trends der WM vor: Sichere Abwehr, treffsichere Stürmer – alles, was die Deutschen eben nicht haben. Dafür aber einen Mittelfeldmann, der das Spiel prägen wird.
Nationalspieler       -  Der FC Bayern plant lange mit dem bis zum Sommer 2026 vertraglich gebundenen Jamal Musiala.
Foto: Tom Weller, dpa | Der FC Bayern plant lange mit dem bis zum Sommer 2026 vertraglich gebundenen Jamal Musiala.
Frank Hellmann
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:33 Uhr

An der West Bay von Doha hängen sie noch, die überlebensgroßen Bilder von Fußballern, die diese WM im Wüstenstaat hätten prägen sollen. Nicht jede Abbildung war im Rückblick ein Volltreffer, aber es muss ja nicht überall Lionel Messi erscheinen. Weshalb am Ende auch noch Xherdan Shaqiri, der bereits im Achtelfinale verabschiedete Schweizer Dribbler, von einem glitzernden Hochhaus strahlte.

Was ansonsten diese WM an fußballerischen Glanzlichtern brachte, hat der Weltverband Fifa wissenschaftlich umfassend untersucht, wobei dieser Studiengruppe Jürgen Klinsmann als Kapitän vorstand, der an dieser Rolle sichtlich Gefallen fand. Mehr als an seinem grandios entglittenen Intermezzo bei Hertha BSC. Um den 58-Jährigen gruppierte sich eine fleißige Helferschar, die sich jeden Tag – aufgeteilt in zwei Gruppen – zwei Spiele vornahm.

WM 2022 in Katar: Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

Hinterher wurden Zahlen, Daten, Statistiken mit den Eindrücken abgeglichen. Vorweg: Neue Innovationen hat diese WM nicht gebracht, wohl aber einige Trends aufgezeigt – und noch mal die alten Helden ins rechte Licht gerückt. Dass Lionel Messi, Olivier Giroud oder Luka Modric noch mit 35, 36 und 37 Jahren so glänzen konnten, sagte Klinsmann, könnte darauf hindeuten, dass für einige gelte: "Man fängt früher an und hört später auf."

Die alterslosen Helden haben bei einer WM geholfen, die "qualitätsmäßig außergewöhnlich" gewesen sei, wie der mit 73 Jahren als Fußball-Entwicklungshelfer eingespannte Arsène Wenger urteilte. Gemeinsam mit Klinsmann, beide verbindet Anfang der 90er Jahre die Zusammenarbeit bei AS Monaco, entkräftete Wenger die vor der WM geäußerte Befürchtung: "Die kurze Vorbereitung hatte keinen Einfluss auf die Qualität des Turniers." So etwas wollte die Fifa sicher hören.

Was waren nun die wichtigsten Erkenntnisse? Bei einer fast gleich gebliebenen Torezahl (2,63 pro Spiel) hat die Bedeutung der Standards wieder abgenommen, die Treffer nach Flanken aber zugenommen. Obwohl die Anzahl der Flanken im Vergleich zu 2018 zurückgegangen ist, sind über diesen Weg 83 Prozent mehr Tore zustande gekommen, "was auf eine verbesserte Qualität der Flanken hindeutet", wie Wenger erklärte.

"Natürlich ist es eine Sache, Chancen zu kreieren, aber sie zu nutzen, ist eine ganz andere, und es ist kein Zufall, dass sich sowohl Frankreich als auch Argentinien auf einen klassischen Mittelstürmer verlassen konnten." Auch Harry Kane als Prototyp Torjäger wurde genannt. Man müsse noch mehr Angreifer entwickeln, "die sofort erfolgreich abschließen, es gibt diesen Bedarf einer Nummer neun", sagte der frühere Weltklassestürmer Klinsmann. 

Die Experten filterten auch den entscheidenden physischen Vorteil der Franzosen heraus: "Jeder Spieler ist schneller als sein Gegenspieler. Das kann für den Gegner tödlich sein", sagte Wenger. Als beste Mittelfeldspieler wurden Antoine Griezmann (Frankreich) und Enzo Fernandez (Argentinien) genannt.

Jamal Musiala: "Er wird den Fußball mit seinen Qualitäten prägen"

Allgemein fiel auf: Fast alle WM-Teams verteidigten sehr kompakt im Block. Die Fifa-Experten können die letzte Verteidigungslinie genau bestimmen: Sie steht im Mittel jetzt 37,6 Meter vor der Torlinie, 80 Zentimeter höher als bei der WM 2018. Auch der Torhüter hat sich höher postiert und angepasst. Auffällig ist, dass speziell das mittlere Spieldrittel überlagert wird, um nicht im Zentrum überspielt zu werden. Dass so manche Gruppenspiele genau in dieser Zone zum Erliegen und Strafraumszenen gerade in ersten Halbzeiten oft selten zustande kamen, war die Schattenseite. Darüber aber sprachen Klinsmann und Wenger im Auftrag der Fifa nicht vertiefend. 

Immerhin gab es tröstende Worte für gescheiterte Top-Nationen: England, sagte Wenger, sei mit seiner Mannschaft definitiv auf dem richtigen Weg. Die Spanier, führte Klinsmann aus, kämen zwar mit dem Tiki-Taka-Modell ("das ist Vergangenheit") nicht mehr durch, müssten aber um die Zukunft nicht fürchten: "Der spanische Fußball wird zurückkommen." Und Deutschland habe immerhin einen Jamal Musiala: "Er wird den Fußball mit seinen Qualitäten prägen."

Noch mehr aber schien dem Offensivliebhaber aus dem Ländle zu schmerzen, dass sich ein Team wie Brasilien vor dem Halbfinale verabschiedete. "Ich bedaure das sehr, dass eines der besten Teams so früh ausgeschieden ist", sagte Klinsmann. "Sie haben viel individuelle Qualität, waren auch im Kollektiv in der Defensive stark, aber dann haben sie es sich gegen Kroatien am Ende zu bequem gemacht und die Konzentration verloren." Mit der bekannt bitteren Folge für den Rekordweltmeister. Anhängern des schönen Fußballs dürfte der deutsche Chefanalytiker damit aus der Seele gesprochen haben.

Die Fußballweltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.

 
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