Im Foyer der Bobinger Singoldhalle fachsimpeln Männer, Frauen und Jugendliche in bunten, schrillen Shirts mit Aufschriften wie Punisher, Golden Arrow oder Ghostbusters über Checkouts und Averages. Sie schauen gebannt jenen Spielern zu, die gerade um den Einzug in die nächste Runde kämpfen. Ein Besuch bei der Bayerischen Dart-Meisterschaft wirkt ein wenig wie ein Ausflug in eine andere Welt.
In der kleinen Event-Halle mit schummrigem Licht sind die Dart-Scheiben dicht an dicht in Holzboxen aufgereiht. An insgesamt 28 Anlagen werfen über 350 Teilnehmer die Pfeile zielgenau auf die 2,37 Meter entfernten Boards. Darunter sind Anfänger, ambitionierte Amateure, aber auch vereinzelt Profis, die sich allesamt auf der regionalen Bühne beweisen wollen.
Die Bayerische Darts-Meisterschaft im Vergleich mit der WM im "Ally Pally"
Während die Spieler hochkonzentriert versuchen, die Triple-Felder zu treffen, sagt Veranstalter Adi Seidl von den Clochard Dartern Augsburg am Mikrofon die nächsten Duelle an. Mehrere hundert Partien werden innerhalb von zwölf Stunden gespielt. "Das ist absoluter Rekord bei einem bayerischen Ranglistenturnier", sagt der 62-jährige Dart-Funktionär. Er freut sich, dass das Traditionsturnier nach vierjähriger, coronabedingter Pause wieder stattfindet. "Obwohl es mir heuer fast zu viele Spieler sind." In der Tat platzt die Halle aus allen Nähten. Das Rekord-Teilnehmerfeld bei der 31. Auflage der Augsburger Dart-Open verlangt den Organisatoren alles ab – nicht leicht bei dem Gewusel den Überblick zu behalten. Gespielt wird im Einzel von zehn Uhr Morgen bis 22 Uhr abends. Zeit zum Durchschnaufen gibt es da kaum. "Das ist mehr als anstrengend für uns Organisatoren, aber es hat sich gelohnt. Alle sind rundum zufrieden", sagt Seidl, dem rund 30 Helfer aus verschiedenen Augsburger Dart-Vereinen als Helfer zur Seite stehen.
Die sind bitter nötig, denn auch in Bobingen macht sich der Darts-Boom der vergangenen Jahre bemerkbar. Durch die medial gehypte Weltmeisterschaft im "Ally Pally" und Stars wie Michael van Gerwen, Gerwyn Price oder den deutschen Spitzenspieler Gabriel Clemens ist die einst belächelte Nischen-Sportart längst zum massentauglichen Publikumsmagneten gereift. Das Event im legendären Londoner Alexandra Palace zieht jährlich die Massen an und lockt Millionen Zuschauer vor die TV-Bildschirme. Die ausufernde Party-Stimmung mit als wankende Dartscheibe oder Super Mario kostümierten Fans, die massenhaft Bier in sich hineinschütten, herrscht in Bobingen nicht. Statt lauten "Onehundred-and-eighty-Rufen" wird dezent geklatscht und angefeuert. Bier gibt es aber auch hier – allerdings in Maßen und für 2,80 Euro pro halbem Liter. Zum Vergleich: Im Alexandra Palace kostete das Pint (etwa 0,6 Liter) zuletzt 7,50 Euro.
Darts: Vom belächelten Nischensport zum Zuschauermagneten
Gespielt wird in Bobingen im Best-of-five-Modus, sprich wer zuerst drei sogenannte Legs für sich entschieden hat, gewinnt das K.o.-Duell. Am Start sind Spielerinnen und Spieler aus ganz Deutschland, zum Großteil kommen sie aber von den 218 bayerischen Dart-Vereinen in denen es mittlerweile über 4500 Aktive gibt. Einer der Teilnehmer erzählt, er habe noch nie ein offizielles Turnier gespielt, habe sich das Darten während der Corona-Pandemie selbst beigebracht und sei nun extra aus der Oberpfalz angereist, um sich mit den Besten aus Bayern zu messen. "Ich bin begeistert von der Community. Alle sind freundlich, helfen einander. Das ist wie eine große Familie", sagt der Neuling. Das bestätigt auch Darts-Urgestein Seidl: "Bei uns gibt es einen starken Zusammenhalt. Das macht einfach Spaß." Der Zuwachs sei extrem, nur bei den Frauen gebe es wenig Zulauf. "Ich hoffe, auch das ändert sich irgendwann", sagt Seidl.
Viele Teilnehmer kommen auch aus der unmittelbaren Umgebung. Etwa Top-Spieler Aleksandar Spoljarevic, Augsburger Dart-Open Sieger von 2017. Dieses Jahr reicht es für den Routinier der Clochard Darter Augsburg lediglich zu Rang 17. Den Sieg machen zwei Jungspunde unter sich aus. Am Ende bezwingt der 21-jährige Dominik Grüllich aus Vilsbiburg in einem hochkarätigen Endspiel gegen den erst 18-jährigen Liam Maendl-Lawrence aus München. "Was die beiden geboten haben, war aller erste Sahne", schwärmt Seidl im Anschluss.
Bei den Frauen gewinnt Titelverteidigerin Monique Leßmeister (Vilsbiburg). Im Frauen-Doppel setzt sich das Duo Lorenz/Michalczyk durch, bei den Männern das Duo Maendl-Lawrence/Würzinger. Den Bayerischen Meistertitel im Mixed holen sich Michalczyk/Preuss. Und ein bisschen Party-Stimmung kommt am Ende doch noch auf. "Aber alles im Rahmen, wir sind hier ja nicht bei der WM", sagt Seidl.