Die teils besorgniserregenden Olympia-Bilder von Deutschlands Weitsprung-Ass Malaika Mihambo und US-Sprintstar Noah Lyles lösen auch bei den Verantwortlichen des deutschen Teams vor dem Start der Paralympics in Paris eine gewisse Unruhe aus. „Die Fälle waren Zeichen, dass das mit Corona noch nicht vorbei ist. Für uns als Verband ist das eine besondere Herausforderung”, sagte Präsident Friedhelm Julius Beucher vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) vor dem Start des zweiten Paris-Highlights an diesem Mittwoch.
Mihambo, die sich im Juni mit dem Virus infiziert hatte, musste vor wenigen Wochen nach ihrem Silbergewinn nach Atemnot im Rollstuhl aus dem Stade de France gefahren werden und nun ihre Saison vorzeitig beenden. 100-Meter-Olympiasieger Noah Lyles infizierte sich vor Ort. Geschwächt von der Infektion holte er noch Bronze über 200 Meter, musste danach aber völlig erschöpft auch den Rollstuhl in Anspruch nehmen und dann auf seine Staffelstarts verzichten.
Mehr als 40 Athletinnen und Athleten hatten sich offiziell bei den Sommerspielen in Paris mit dem Virus infiziert, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher gewesen sein. Da aufgrund der Pandemie bereits die Spiele und Paralympics in Tokio 2021 und zuletzt in Peking größtenteils ohne Zuschauer stattfanden, soll nun aber wie vor wenigen Wochen bei den Para-Sportlern auch wieder eine richtige Wettkampfstimmung aufkommen - mit allem Drum und Dran.
Rollstuhlbasketball-Bundestrainer Michael Engel ist dennoch gewarnt. Die Vorbereitung der Männer-Nationalmannschaft auf den Höhepunkt in Frankreichs Hauptstadt wurde von positiven Covid-19-Testergebnissen überschattet. „Wir waren drei Wochen in Italien und hatten dort mehrere Fälle - zum Glück mit ganz, ganz milden Verläufen. Das heißt, wir konnten die vorübergehend ausgefallenen Spieler relativ schnell wieder integrieren”, sagte Engel. „Aber das ist ein Thema, mit dem wir behutsam umgehen müssen.”
Der Coach setzt in erster Linie auf die Eigenverantwortung seiner Schützlinge. „Jeder Athlet weiß, sich selbst einzuschätzen. Das heißt: Wenn ich irgendwelche Anzeichen habe, dann kann ich mich testen”, sagte Engel und ergänzte: „Wir gehen da nicht blind rein, sondern müssen gucken, dass wir unsere Sachen vorsichtig machen. Aber gewisse Dinge kann man auch nicht kontrollieren. Und am Ende braucht man auch ein bisschen Glück, dass man gesund bleibt.”
Nicht jede Vorbereitung läuft nach Plan
Hunter Woodhall aus den USA erwischte es knapp zwei Wochen vor den Paralympics. Beim Olympia-Triumph seiner Frau Tara Davis-Woodhall im Weitsprung zog das Ehepaar die Blicke vieler Zuschauer auf sich, als sich die beiden nach der Entscheidung liebevoll umarmt und gemeinsam gejubelt hatten. „Ich wusste, dass es ein Risiko ist, wenn so viele feiern und reisen”, schrieb Woodhall nach seiner Infektion auf Social Media. „Das ist keine Entschuldigung, ich werde die Sache auskurieren und für die Paralympics bereit sein.” Inzwischen ist der Sprinter nach Paris zurückgekehrt. Zeitweise standen hinter den Starts des beidseitig beinamputierten Woodhall laut eigener Aussage aber dicke Fragezeichen.
Etwas gelassener beurteilt der kleinwüchsige Kugelstoß-Weltmeister Niko Kappel vom VfB Stuttgart die Situation. „Im Moment habe ich, wenn es darum geht, keine Sorgen”, sagte der 29-Jährige. „Natürlich passe ich auf und mache keine Sperenzchen mehr, aber darüber mache ich mir keine Gedanken.”
Ohne Maske bei der Eröffnungsfeier
Vom DBS gibt es zwar keine Vorgabe, wie sich die Athletinnen und Athleten der deutschen Delegation verhalten sollen. „Wir nehmen aber natürlich Schutzmasken mit, wir nehmen natürlich entsprechende Desinfektionsmittel mit. Aber wir treten jetzt nicht geschlossen mit Masken bei der Eröffnungsfeier auf dem Champs Élysées auf”, sagte Beucher. „Unsere Ärzte sagen auch, die Grundvoraussetzung sind die normalen Hygienemaßnahmen.”
Dennoch: Besonders bei Sportlern mit Querschnittslähmungen auf und über Brusthöhe oder mit Muskelerkrankungen sei aufgrund einer häufig auftretenden abgeschwächten Atemmuskulatur Vorsicht geboten, erklärt die leitende Ärztin Anja Hirschmüller. „Wenn Bakterien oder Viren in der Atemluft sind, können diese sich leichter in der Lunge einnisten und Lungenentzündungen hervorrufen”, so Hirschmüller. Zudem könnten Athleten mit bestimmten Behinderungen auch aufgrund ihrer Behinderung oder einzunehmender Medikamente ein reduziertes Immunsystem haben.