An diesem Mittwoch kommt es zum Lokalderby im Halbfinale der Champions League, AC Mailand gegen Inter Mailand. Kaum jemand hätte das vor ein paar Monaten für möglich gehalten. Als leichter Favorit gilt das derzeit leichtfüßiger auftretende Internazionale, während Experten zufolge die glorreichere Geschichte Milan beflügeln könnte. Vor Jahren wäre ein Halbfinale zwischen den beiden großen Mailänder Fußballklubs noch als durchaus mögliches Aufeinandertreffen wahrgenommen worden. Heute mutet das Duell mindestens ungewöhnlich an. Schließlich treffen im Halbfinale nur der Tabellenfünfte und der Tabellenvierte der in diesem Jahr vom SSC Neapel geprägten Serie A aufeinander. Beide Teams waren bis vor Monaten noch in der Krise.
Inters Trainer Simone Inzaghi stand mehrfach kurz vor dem Rauswurf, ähnlich schwer hatte es Stefano Pioli vom AC Mailand. Er hatte immerhin den Bonus, sein Team im Vorjahr zum italienischen Meister gemacht zu haben. Aber mit früherer europäischer Dominanz hat das alles eher wenig zu tun. Sieben Landesmeister-Titel kann der AC Mailand vorweisen, den letzten 2007. Inter holte dreimal den Cup, zuletzt 2010.
AC Mailand und Inter Mailand: Eine bunte Mischung aus Gründen für die Erfolge
Schwache Gegner? Losglück? Beides trug zum Einzug der Mailänder ins Halbfinale bei. Aber dann sind da natürlich auch noch ein paar Verdienste der beiden Vereine und Teams, die vor der Partie der Mailänder Corriere della Serarealistisch einzuschätzen wusste. „Unperfekt, aber lebendig“, nannte er die beiden Mannschaften. La Repubblicastufte das Mailänder Derby als „Ereignis von Weltbedeutung“ ein.
Gewiss ist, dass beide Klubs den Geldsegen sehr gut gebrauchen können. Insbesondere Inter Mailand wird von einem enormen Schuldenberg gedrückt. Mehr als 850 Millionen Euro soll dieser betragen, im vergangenen Jahr beantragte der chinesische Präsident Steven Zhang sogar noch einen bis kommenden Mai zurückzuzahlenden Kredit in Höhe von 275 Millionen Euro. Gerüchten zufolge steht der Verkauf des Vereins bevor.
US-Fonds kaufte den AC Mailand
Der AC Mailand gelangte vergangenen Sommer für 1,2 Milliarden Euro vom US-Fonds Elliott in die Hände der US-Investment-Gesellschaft Red Bird von Gerry Cardinale. Beide Vereine treibt insbesondere die Stadion-Frage um. So drohten die Klubs bereits, dass jeder seine eigene Arena errichten würde, wenn die Stadt sich beim Komplett-Neubau des alten Giuseppe-Meazza-Stadions nicht rasch bewegt.
Pro Verein trug das Erreichen des Halbfinales bisher 90 Millionen Euro ein, das Spiel in San Siro soll dem AC Mailand nun dank entsprechender Ticketpreise eine Rekordeinnahme von rund zehn Millionen Euro bescheren. Und doch wird man in den mutmaßlichen Aufstellungen vom Mittwochabend vergebens nach den großen Namen des Weltfußballs suchen. Außenstürmer Rafael Leão, 23, aus Portugal ist Milans Shootingstar, fehlt aber wahrscheinlich wegen einer Adduktoren-Verletzung.
Sportdirektor Paolo Maldini hat ein Team aus jungen hungrigen Spielern wie eben Leão oder dem manchmal spektakulär auftretenden französischen Außenverteidiger Theo Hernandez sowie Routiniers wie Olivier Giroud aufgebaut. Auch Milans 23 Jahre alter Mittelfeldmotor Sandro Tonali sticht heraus. 2020 verpflichtete MaldiniZlatan Ibrahimovic. Der derzeit verletzte 41-Jährige schwang sich zum Motivator der jungen Mannschaft auf, ist in dieser Funktion zuletzt aber entbehrlich geworden. Das Team ist inzwischen gefestigt.
Mehrere Ex-Bundesliga-Profis spielen bei Inter Mailand
Inter hingegen bringt eine halbe Bundesligamannschaft zusammen. Im Sturm hat der ewige und mittlerweile 37 Jahre alte Edin Dzeko (früher VfL Wolfsburg) das Sagen. Hakan Calhanoglu (früher unter anderem Bayer Leverkusen) wird derzeit in der Startelf häufiger vom wiedererstarkten kroatischen Spielmacher Marcelo Brozovic verdrängt. Henrich Mchitarjan (früher Borussia Dortmund) bildet zusammen mit Nicolò Barella und Brozovic ein von der italienischen Sportpresse nun begeistert bejubeltes "magisches Trio".
Die Magier verloren allerdings etliche Punkte vor allem gegen vermeintlich schwächere Serie-A-Gegner und traten lange Zeit recht irdisch auf. Für Mailand sind die beiden Spiele dennoch ein Mega-Event. Sie liefern die Illusion, wieder zur Spitze des europäischen Vereinsfußballs zu gehören.