Sie sind das, was man wohl ein schlagkräftiges Pärchen nennen muss: Cheyenne Hanson, Profiboxerin aus Augsburg, und Tyron Zeuge, Profiboxer aus Berlin. Nebeneinander sitzen die beiden Sportler in einem Café. Gleiches Hemd, kariert. Gleiches Käppi, weiß. Wer sie beim Kaffeetrinken sieht, könnte nicht ahnen, dass sie später am Nachmittag noch gemeinsam auf Sandsäcke einprügeln werden. Was man eben so im Training macht, wenn das Ziel ein Weltmeistergürtel ist. Hanson hat 14 Profikämpfe bestritten, davon zwei verloren. Zeuge derer 26 - eine Niederlage, ein Unentschieden.
Der Liebe wegen zog er zu ihr nach Augsburg. Die beiden verbindet die Leidenschaft fürs Boxen. Und doch sind die Unterschiede riesig. Zeuge liebt die Energie in der Halle, wenn die Kämpfer in den Ring steigen. In den römischen Arenen müsse das genauso gewesen sein, sagt er, wenn die Gladiatoren einliefen. Mann gegen Mann. "Die besten Kämpfe sind die, nach denen du komplett fertig bist. Wenn es eine Schlacht war. Wenn du die gewonnen hast, das ist ein Wahnsinnsgefühl."
Die Augsburger Boxerin Cheyenne Hanson mag es nicht ganz so martialisch
Ganz so martialisch geht Cheyenne Hanson die Sache nicht an. Sie reizt es, ein Ziel zu haben. Die Vorbereitung. Das Training. Das strategische Hinarbeiten. Doch am Ende jeder Vorbereitung steht auch bei ihr der Kampf. Frau gegen Frau. "Ich will immer die Beste sein. Klar treibt mich das ein, sonst bräuchte ich ja nicht ins Training gehen. Am Ende willst du jemand besiegen. Ich suche den Kampf." Das unterscheide sie von vielen anderen Frauen, sagt Hanson.
Schon als Kind habe sie immer Kampfsport machen wollen und begann mit Kickboxen. Der direkte Wettkampf sei etwas ganz anderes als zum Beispiel ein Fußballspiel. "Im Ring hast du keine zehn anderen, die mit dir auf dem Feld stehen. Es hilft mir ja nichts, wenn ich super spiele und zehn andere dabei habe, bei denen ich mir denke: Strengt euch doch mal an. Bei uns ist es eins gegen eins. Es gibt keine Ausreden. Da stehe ich für mich selbst ein. Wenn man gewinnt ist man es selbst, der das geschafft hat. Und wenn man verliert, hat man es eben selbst nicht geschafft."
Mit 23 Jahren hat Boxer Tyron Zeuge schon einen WBA-Weltmeistergürtel
Zeuge ist der Entspannte in der Beziehung. Mit 23 gewann er den Weltmeistergürtel der WBA im Supermittelgewicht. Ein Ausnahmetalent. Training war für ihn lange Zeit ein lästiges Übel. In den Pausenzeiten zwischen den Kämpfen "habe ich sehr viel gelebt", sagt der inzwischen 30-Jährige über sich selbst. "Mein Leben ist meine größte Schwäche. Wenn ich zwei Monate Pause gemacht habe, habe ich gesoffen, gegessen. Wenig Schlaf, viel Stress." Schnell nahm Zeuge all die Kilo zu, die er mühsam wieder abschmelzen musste. "Als ich Weltmeister geworden bin, habe ich zwei Tage vorher noch gesoffen. Ich glaube, ich war noch nie zu 100 Prozent fit. Das ist aber jetzt mein Ziel."
Cheyenne Hanson und Tyron Zeuge trainieren beim BC Haan Augsburg
Beim BC Haan trainieren Hanson und Zeuge gemeinsam für die nächsten Kämpfe. Sie hat von Zeuge gelernt, Pausen zu machen. "Er gibt mir die Lockerheit. Wenn man sich zu sehr in ein Ziel verbeißt ist das schlecht. Zu viel Training, alles perfekt machen wollen. Das ist irgendwann kontraproduktiv. Da fehlt der Spaß." Viel zu selten habe sie sich Auszeiten und Belohnungen gegönnt. "Es war immer ein Kampf gegen mich selbst, wenn ich mal ein paar Tage nichts gemacht habe", sagt Hanson.
Ihren Freund motivierte sie dazu, es noch einmal nach ganz oben zu versuchen. "Anfangs musste ich ihn fast schon zwingen, dass er mit mir mal ins Training geht. Man kennt ihn ja. Und wenn der dann ins Training geht, dann erwarten alle was von ihm." Die Ansprüche an einen Ex-Weltmeister sind hoch. "Als er dann mitgegangen ist und gemerkt hat, dass es ja geht, dann hat er wieder richtig Lust bekommen."
Im Februar gewann Tyron Zeuge überzeugend seinen Comeback-Kampf
Seinen Comeback-Kampf gegen den Tschechen Michal Ryba gewann Zeuge am 18. Februar überlegen. Wenn er über seinen Sport spricht, kommt er schnell ins Schwärmen. Taktik und Technik seien entscheidend. "Du musst antäuschen, dass sich irgendwo eine Lücke öffnet, durch die du treffen kannst. Du musst viel variieren und überlegen. Jeder Gegner ist anders." Es gehe immer darum, Lösungen zu finden. "Jeder hat irgendwo eine Schwäche. Es gibt keinen unschlagbaren Gegner."
Er selbst hat seinen Gegner bisher meist Rätsel aufgegeben. Und inzwischen hat er auch seinen Lebenswandel dem eines Profisportlers angepasst. Meistens zumindest, sagt Cheyenne Hanson mit einem Lachen. Zeuge selbst ist ebenfalls nie um einen Spruch verlegen. Dafür, dass er in 140 Amateur- und 26-Profikämpfen noch nie K.o. gegangen ist, gäbe es einen einfachen Grund: "Wenn du viele Schläge kriegst, schlägt dein Gehirn an die Schädelinnenseite und das sendet Signale an den Körper. Dazu bräuchtest du aber ein Gehirn - habe ich nicht." Hanson nickt, nimmt einen Schluck Kaffee und sagt trocken: "Weil sein Hirn sehr klein ist, dauert es sehr lange, bis es irgendwo anstoßen kann."
Es ist eine Mischung aus sportlichem Ehrgeiz, Lockerheit und Humor, die die beiden ausstrahlen. "Egal, welchen Job du machst: Du machst einen besseren Job, wenn du Spaß dabei hast. Wenn man im Training nicht auch mal Scheiß labert, das kann ich mir nicht vorstellen", sagt Zeuge. Er hofft irgendwann auf einen erneuten WM-Kampf. "Ich bin immer bereit." Bis es so weit ist, wird er sich aber im Ranking noch ein Stück nach oben arbeiten müssen. Mit neuer Einstellung, neuer Liebe und altem Talent.