
Sie ist derzeit nur die Nummer 52 in der Welt – und sie ist nicht mal gesetzt. Dennoch soll Eugenie Bouchard, die alle nur Genie nennen, das Zugpferd werden beim am Sonntag beginnenden Nürnberger Versicherungscup, einem von nur zwei WTA-Tennisturnieren in Deutschland.
Für die 23-jährige Kanadierin ist es die Rückkehr an den Ort ihres bisher einzigen Turniersieges. „Es ist toll, wieder hier zu sein, ich habe so gute Erinnerungen an Nürnberg.“ Ihr Ziel: „Ich möchte hier meinen zweiten Titel holen.“ 2014, als sie sich im Finale in drei Sätzen gegen die Tschechin Pliskova durchgesetzt hatte, war überhaupt ihr Jahr: Bouchard erreichte das Endspiel in Wimbledon, bei den Australian Open und den French Open kam sie jeweils ins Halbfinale. Lohn der Brillanz bei den Grand Slams und auf allen Belägen: Platz fünf in der Weltrangliste.
Doch dieses Niveau konnte sie nicht halten. Mehr Schlagzeilen als ihre Ergebnisse macht ein Prozess, den sie gegen die Organisatoren der US Open wegen eines folgenschweren Sturzes in der Umkleidekabine 2015 noch immer führt. „Meine Liebe zum Tennis war immer da. Aber ich musste lernen, Geduld zu haben. Es gibt beim Tennis Aufs und Abs wie im Leben“, sagt Bouchard. Schon am Montag ist sie mit ihrem Freund und ihrem schwedischen Trainer Thomas Högstedt, mit dem sie es schon zum zweiten Mal probiert, in Nürnberg gelandet. Im Training konnte sie sich also gut auf die Plätze am Valznerweiher einstellen.
Bouchard hat gerade wieder Grund, positiv in die Zukunft zu schauen. Nach fünf Erstrunden-Niederlagen in Folge gelangen ihr bei ihrem letzten Turnier in Madrid, ebenfalls auf Sand, zwei Überraschungscoups gegen Maria Scharapowa und Angelique Kerber. Die deutsche Weltranglistenerste gab das Match zwar wegen Verletzung auf, aber nach dem gewonnenen ersten hatte Bouchard im zweiten Satz schon 5:0 vorne gelegen. Gegen die nicht übermächtige Konkurrenz in Nürnberg, die von Vorjahressiegerin Kiki Bertens aus den Niederlanden (Weltrangliste 20) angeführt wird, könnte es also weit gehen.
Bouchard ist eine Schönheit, aber auch eine junge Frau, die so tough und selbstbewusst spricht wie sie Tennis versteht. Sie war die einzige Spielerin, die bei der Rückkehr von Scharapowa nach deren Sperre wegen Meldonium-Missbrauchs klar ihre Meinung äußerte: „Sie ist eine Betrügerin. Und ich finde, einer Betrügerin sollte es in keinem Sport erlaubt sein zu spielen.“ Dass sie kurz darauf in Madrid auf die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin traf, hätte viele gehemmt. Sie spornte es zu einer außergewöhnlichen Leistung an.
Ein Star in den sozialen Medien
Bouchard wird kritisiert, weil sie ihre Aktivitäten neben dem Tennis zu wichtig nehme. In den sozialen Medien ist sie ein Star. Bei Twitter, Facebook und Instagram hat sie jeweils weit über eine Million Follower. Die werden auch mal mit Fotos einer leicht bekleideten Genie verwöhnt. Doch sie sagt ganz klar: „Das ist mir wichtig. Aber mein Job ist Tennis. Er gibt mir die Möglichkeit, andere Dinge zu tun.“ Dass sie nach einer verlorenen Twitter-Wette zum Ausgang des Superbowls einen Follower in New York traf und mit ihm zum Basketball ging, schlug hohe Wellen.
Auf die Frage, was wichtig sei für ein gutes Selfie, kneift Bouchard nicht: „Es sollte einen interessanten Hintergrund haben.“ Sie vor dem Siegespokal in Nürnberg, das wäre doch was.