Hand in Hand stiegen Michelle Kroppen und Florian Unruh auf das Siegerpodest, dort wischte sich die überglückliche Bogenschützin immer wieder die Tränen aus den Augen. Das deutsche Mixed-Duo hat bei den Olympischen Spielen in Paris die Silbermedaille gewonnen und sich für einen glänzenden Wettkampf mit Edelmetall belohnt.
Dass die zwei Sportler das Finale gegen die klaren Topfavoriten Lim Sihyeon und Kim Woojin aus Südkorea mit 0:6 verloren, war zu verschmerzen - schließlich durften sich Kroppen und Unruh über die erste deutsche Medaille überhaupt in der Disziplin freuen.
„Für mich war es sehr emotional. Es sind schon ein paar Tränen geflossen”, sagte Kroppen. „Hier zu sein ist schon mega. Aber dann da oben zu stehen und diesen Moment zu genießen, das schwere Ding am Hals hängen zu haben - da ist man sprachlos und lässt seinen Gefühlen freien Lauf.” Teamkollege Unruh erzählte: „Es war auf dem Podest sehr, sehr schön.”
Erste Paris-Medaille für Deutschen Schützenbund
Der Deutsche Schützenbund feierte die erste Medaille bei den Spielen in Paris. Auf Gold müssen die Bogenschützinnen und Bogenschützen bei Olympia aber weiter warten. Bei der Neuauflage des WM-Finals aus dem Vorjahr waren die Asiaten am Ende abgezockter als Kroppen und Unruh.
„Die Koreaner haben leider unsere Fehler gut genutzt, da war es leider schnell vorbei”, analysierte Unruh. „Das 0:6 wirkt härter, als es eigentlich war”, sagte Bundestrainer Oliver Haidn. „Korea war ein kleines Stück besser, aber wir gehen hier mit erhobenem Haupt aus der Arena raus.”
Grandioses Halbfinale
Schon bei der WM 2023 in Berlin gab es nach einer Final-Niederlage Silber für die beiden Wahl-Berliner. In anderer Besetzung hatten die Südkoreaner, die generell als beste Bogenschützen der Welt gelten, zuletzt vor drei Jahren in Tokio bereits überlegen den Olympiasieg gefeiert. Sie halten auch den Weltrekord mit dem gemischten Doppel. Das zeigte im Finale vor allem Woojin, „sicher einer der größten Bogenschützen aller Zeiten”, sagte der deutsche Trainer Haidn. „Der hat immer geliefert, wenn sie es gebraucht haben.”
Haidns Schützlinge standen dem aber kaum nach. Vor allem in der Vorschlussrunde gegen die USA (5:3) wuchsen Kroppen und Unruh bei schwierigen Bedingungen mit ständig wechselndem Wind über sich hinaus. „Das Halbfinalmatch war mit das Beste, was man jemals im Bogensport gesehen hat”, lobte der Bundestrainer. „Ich bin mächtig stolz.”
Nach Silber 2016 durch Lisa Unruh - der Frau von Florian Unruh - und Bronze im Damen-Team 2021 - zu dem auch Kroppen gehörte - gelang den Deutschen erneut eine Bogensport-Medaille auf der größtmöglichen Bühne. Kroppen/Unruh waren vor drei Jahren in Japan noch Neunte geworden und konnten sich nun deutlich steigern.
Keine Party vor Einzel-Wettkämpfen
Die große Silber-Feier muss aber verschoben werden, denn die zwei sind am Wochenende im Einzel nochmal an der Reihe. Kroppen, die für den SV GutsMuths Jena startet, trifft am Samstag (10.22 Uhr) auf die frühere Weltranglistenerste Deepika Kumari aus Indien. Der Berliner Unruh ist am Sonntag (10.48 Uhr) gegen den Briten Tom Hall gefordert.
Dann wollen die beiden ihre Leistung aus dem Mixed wiederholen. Auf der besonderen Anlage vor dem imposanten Invalidendom mit Blick auf den Eiffelturm im Herzen von Paris hatte sich das deutsche Team nach einem eher durchwachsenen Start gegen Kolumbien in der ersten Runde (5:4) schon im Viertelfinale gegen Mexiko (5:1) merklich gesteigert. Die Pfeile auf die 70 Meter entfernten Scheiben trafen immer besser das Ziel.
Das Medaillen-Meisterstück war dann das Halbfinale gegen die starken Amerikaner Casey Kaufhold/Brady Ellison - die danach Bronze gewannen - und der 5:3-Erfolg. Viele Schüsse in die 10 brachten den Einzug in das letzte Duell.
Ziele in 70 Metern Entfernung
Für die Höchstpunktzahl 10 muss dabei eine Fläche getroffen werden, die nur so groß wie eine CD ist und einen Durchmesser von gerade 12,2 Zentimeter hat. Die Pfeile fliegen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 210 km/h auf das Ziel und machen dabei je nach Wind einen Bogen von mehr als drei Metern Höhe.
Vor allem Florian Unruh zeigte sich bei teilweise nicht ganz leichten Bedingungen gut aufgelegt. Nach dem Silber-Coup wurde er auch nach seiner Frau gefragt, die schon zwei Olympia-Medaillen mit nach Hause gebracht hatte. „Ich muss ja versuchen, auch mal nachzuziehen und eine Medaille da zu haben. Das ist einfach nur sehr, sehr schön”, antwortete er.